Schleppender Impfverlauf in SchleidenDen Enkel kennt Familie Friedrichs nur von Fotos
Schleiden – Schleppender Verlauf bei den Corona-Impfungen! Während viele Menschen auf den erlösenden Pieks warten, liegen tausendfach Impfdosen ungenutzt auf Lager! Wenn Michael Friedrichs Meldungen wie diese in der Zeitung liest, wird er wütend. Der Schleidener ist 57 Jahre alt, seine Frau 54. Rein vom Alter müssten sie noch einige Zeit warten, bis ihnen einen Impfangebot gemacht wird. Doch seine Frau leide seit einigen Jahren an einer schweren Hirnkrankheit, habe die Pflegestufe 5, berichtet er.
Er pflege seine Frau – und das tue er gerne. „Meine Frau hat die 30 Jahre vor ihrer Erkrankung alles für mich getan. Ich liebe sie und würde alles dafür tun, damit sie ein Stück mehr Lebensqualität zurückgewinnt“, sagt der Schleidener im Gespräch mit dieser Zeitung.
Er habe kein Verständnis dafür, dass es mit dem Impfen nicht weitergehe. „Ich weiß, dass es vielen so geht wie uns. Ich will mich da nicht in den Vordergrund drängen“, so Friedrichs. Aber er wolle stellvertretend für viele einmal beschreiben, was es bedeutet, wenn man länger auf eine Impfung warten müsse, als es eigentlich nötig wäre und die Politik die Dinge besser im Griff hätten.
Geringe Menge
Auch im Kreis Euskirchen liegen Dosen des Corona-Impfstoffs vom Hersteller Astrazeneca in der Bevorratung, wie ein Sprecher der Kreisverwaltung auf Anfrage erklärte.
Der Grund: Nicht alle vorgesehenen Terminoptionen zu Astrazeneca seien im Impfzentrum nicht belegt. Es handele sich dabei aber um eine sehr geringe Anzahl. (sch)
Er stehe in der Prioritätenstufe zwei wegen seiner Vorerkrankungen, seine Frau in der Stufe drei – so zumindest seine Information. „Ganz genau weiß man das aber wohl auch nicht. Mir wurde auch schon mal gesagt, dass wir beide zur Kategorie zwei gehören.“ Viele Male habe er schon bei Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein angerufen, doch mit dem Hinweis, dass bisher nur Menschen, die 80 Jahre alt oder älter sind, geimpft würden, sei er mehr oder minder abgewimmelt worden. „Die Dame am Telefon kann ja auch nichts dafür“, zeigt er Verständnis. An die Entscheidungsträger komme man aber nicht ran.
Sauer auf die Politiker
Gerade Menschen, die zuhause ihre Angehörigen pflegten beziehungsweise von ihren Angehörigen gepflegt würden, litten unter den Corona-Maßnahmen, so Friedrichs:. „Vor der Pandemie war meine Frau vier Mal in der Woche in der Tagesstätte des Liebfrauenhofs.“ Viele Monate war das 2020 gar nicht möglich, seit Januar nun wieder zwei Mal in der Woche. „Das tut ihr sehr gut“, so Friedrichs: „Sie kommt mal raus und sieht andere Menschen.“
In die Corona-Schutzmaßnahmen dort habe er volles Vertrauen. Er selbst könne sich in dieser Zeit um seine eigenen gesundheitlichen Probleme kümmern, Ärzte aufsuchen oder an einer Diabetes-Schulung teilnehmen.
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Es sei ja richtig, dass die Pflegekräfte in den Seniorenheimen und Krankenhäusern vorrangig geimpft würden, so Friedrichs: „Aber was ist mit den vielen Menschen, die ihre Angehörigen zuhause pflegen?“ Und was mit den Pflegebedürftigen selbst? Was mit den vielen Menschen wie ihm und seine Frau? „Ihr fällt die Decke auf den Kopf – und mir auch.“ Wie gerne würden sie mal wieder nach Hessen fahren. Dort lebt ihr Enkel, der im Sommer des vergangenen Jahres auf die Welt gekommen ist, wie Friedrichs berichtet: „Wir kennen den Jungen nur von Fotos und Videos. Das ist schon schlimm.“ Gerade für seine Frau wäre der Besuch ein Erlebnis, das ihr ein Stück Lebensqualität gäbe.
„Um es noch mal ganz klar zu sagen: Ich will keine Sonderbehandlung“, betont Michael Friedrichs. Aber es ärgere ihn zutiefst, dass es nicht oder nur sehr schleppend weitergehe, dass es so lange dauere, bis Astrazeneca auch für über 65-Jährige freigegeben werde, damit die Liste der Impfwilligen rascher abgearbeitet werden könne. „Oder muss man Politiker sein, um geimpft zu werden?“, fragt Friedrichs mit Blick auf jene Mandatsträger in Land oder Bund, die im Verdacht stehen, sich beim Impfen vorgedrängelt zu haben.
„Warum kann mich keiner anrufen, wenn da noch Impfstoff vorhanden ist, den keiner will?“ Sofort würde er mit seiner Frau ins Auto steigen und nach Marmagen fahren. Auch wenn die Fahrten wegen ihrer Erkrankung beschwerlich seien.