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Holocaust-GedenktagWarum Jugendliche aus dem Schleidener Tal sich fürs Erinnern einsetzen

Lesezeit 4 Minuten
Schülerinnen und Schüler stehen im Kreis um einen Tisch mit verschiedenen Zeichnungen. Ein Mädchen hält ein Plakat in die Kamera.

Schülerinnen und Schüler des Johannes-Sturmius-Gymnasium haben sich mit Heike Schumacher und Angelika Schmitz in ihrem Projektkurs mit dem Holocaust-Gedenktag befasst.

Schülerinnen und Schüler des Johannes-Sturmius-Gymnasiums haben einen Gedenkgottesdienst für die Opfer des Holocaust organisiert.

79 Jahre sind seit der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee vergangen. Der Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland liegt mehr als 90 Jahre zurück. Können Jugendliche heute noch etwas damit anfangen? Haben sie noch einen Bezug dazu? Oder ist das alles schon zu lange her?

Celin Theivasuthan, Mia Bongard, Lena Schurz und Christian Baran können und haben. Die vier 16-Jährigen sind Teil des Projektkurses Sozialgenial des Johannes-Sturmius-Gymnasiums in Schleiden, der an diesem Samstag einen Gottesdienst zum Holocaust-Gedenktag organisiert hat.

Erstarken der AfD macht Schleidener Jugendlichen Sorgen

„Wir finden, dass sich so etwas nicht wiederholen sollte“, fasst Celin Theivasuthan die Motivation der Gruppe zusammen. Das sei gerade mit Blick auf das Erstarken der AfD wichtig. Vor allem, nachdem kürzlich öffentlich wurde, dass hochrangige Mitglieder der AfD bei einem Treffen von Rechtsextremisten offen über die Deportation von Millionen Menschen aus Deutschland gesprochen haben. „Für Menschen mit Migrationshintergrund, wie mich, ist da eine Angst, dass sich so etwas wiederholen könnte“, sagt Theivasuthan. So etwas wie der Holocaust.

„Das hat sich im Laufe des Kurses zu einem brandaktuellen Thema entwickelt“, berichtet Heike Schumacher. Zum einen durch den Terror-Anschlag der Hamas auf Israel im Oktober und zum anderen durch die Enthüllungen rund um das Treffen der Rechtsextremisten. Schumacher leitet den Projektkurs zusammen mit Angelika Schmitz und ist spürbar stolz auf die Gruppe.

Erinnern, um alte Fehler nicht zu wiederholen

„Wir alle wissen, aus Fehlern lernt man, aber dafür muss man sich auch an die Fehler erinnern“, sagt Christian Baran. Das Motto des Kurses, aber auch des Gottesdienstes laute deshalb auch: „stolpern – erinnern – nach vorne schauen“. Erinnerungskultur sei deshalb so wichtig, damit Ausgrenzung und Rassismus nie wieder überhandnehmen, pflichtet ihm Lena Schurz bei.

Und obwohl der Holocaust und das Nazi-Regime schon so lange her sind, haben die vier auch persönliche Bezugspunkte dazu. „Meine Oma ist 1932 geboren und ihre Schwester ist im Krieg gestorben“, berichtet beispielsweise Mia Bongard. Für ihre Großmutter sei die Zeit noch sehr präsent und sie spreche oft davon. Deshalb sei sie so froh, dass es über den Projektkurs eine Möglichkeit gebe, sich gegen Rassismus, Ausgrenzung und Antisemitismus zu engagieren.

Nicht alle Deutschen waren im Widerstand

Die Jugendlichen haben sich auch mit ihren Familiengeschichten befasst. Ihre Oma habe erzählt, dass ihre Familie jüdischen Nachbarn damals Kleidung und Essen zugesteckt habe, berichtet Mia Bongard. Lena Schurz weiß, dass ihr verstorbener Großvater in der Hitlerjugend war. Vor seinem Tod sei er dement gewesen und habe immer wieder gefragt, ob der Führer noch an der Macht sei. „Für den war das schon eine gute Zeit.“

Drei Mädchen und ein Junge stehen in einem Klassenraum.

Sorgen sich um die Zukunft und wollen eine diskriminierungsfreie Gesellschaft: die Jugendlichen des Sozialgenial-Projektkurses Lena Schurz (v.l.), Christian Baran, Mia Bongard und Celin Theivasuthan.

Die vier sehen aber auch, dass viele andere Jugendliche in ihrem Alter sich nicht so für diese Thematik interessieren. „Die meisten nehmen das auf die leichte Schulter“, sagt Mia Bongard. Davon lassen sich die vier aber nicht entmutigen.

Im Gottesdienst wollen sie zum einen auf alle Opfer des Nationalsozialismus hinweisen, das Ausmaß der Vernichtung beziffern. Und sie wollen einzelnen Ermordeten wie Überlebenden ein Gesicht geben und ihre Geschichten erzählen. Pfarrer Oliver Joswig werde dann in seiner Predigt den Bogen ins Heute spannen, berichtet Heike Schumacher.

Jugendliche hatten Idee zum Gottesdienst

Der Projektkurs ist nicht an den Religionsunterricht angebunden, die Entscheidung für einen Gedenkgottesdienst kam von den Schülerinnen und Schülern selbst. „Es ist einfach nochmal eine andere Form des Gedenkens“, sagt Christian Baran. Schließlich habe der Kurs im Herbst bereits einen Gedenkgang durch Gemünd organisiert. Nun wollen sie einen anderen Weg suchen, das Gedenken in die Öffentlichkeit zu tragen.

Unterstützt wird der Projektkurs von der Stolperstein-AG des Gymnasiums. Hier sind Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen 11 und 18 Jahren aktiv. Sowohl die Jugendlichen aus dem Projektkurs, als auch die Schülerinnen und Schüler der AG haben die Sorge, dass sich etwas wie der Holocaust wiederholen könnte.

Aber sie haben auch Hoffnung. Hoffnung, eines Tages in einer Gesellschaft ohne jede Form von Diskriminierung zu leben. Was dafür in ihren Augen nötig ist? „Offen sein und Diskriminierung einfach komplett weglassen“, sagt ein Schüler der AG. Es könnte so einfach sein.


Holocaust-Gedenkgottesdienst aus Hellenthal auch auf Youtube

Der Gedenkgottesdienst findet am Samstag, 27. Januar, ab 18 Uhr in der evangelischen Kirche in Hellenthal statt. Geleitet wird er von Pfarrer Oliver Joswig von der Evangelischen Kirchengemeinde Schleidener Tal und Diakon Klaus Hövel von der katholischen GdG Schleiden-Hellenthal. Die Kollekte soll nach Angaben von Angelika Schmitz zur Hälfte dem Verein JudiT.H. und zur Hälfte der Anschaffung eines weiteren Stolpersteins zugutekommen. Der Gottesdienst kann man sich auch über Youtube anschauen.

Organist Axel Wilberg spielt im Gottesdienst selten gehörte jüdische Orgelmusik und der Arbeitskreis JudiT.H. lädt im Anschluss zu seiner Ausstellung „Wir waren Nachbarn“ im Evangelischen Gemeindehaus ein.