Verpflegungszelt bleibtTäglich geben Helfer 800 Essen für die Gemünder aus
Schleiden-Gemünd – Dass ein „ihr könntet doch mal grade...“ in der Eifel durchaus etwas längerfristiges sein kann, ist nicht neu. Für Sabine und Hans Mießeler aus Hellenthal sind daraus gut fünf Wochen geworden, zwei weitere kommen auf jeden Fall dazu.
Unmittelbar nach der Flut hatten sie bei der schwer getroffenen evangelischen Kirchengemeinde in Hellenthal geholfen. Am Sonntag danach waren sie beim Corona-Test und überlegten mit den Hellenthaler DRK-lern, wie und wo sie vielleicht helfen könnten. Daheim sitzen und nichts tun wäre ihnen angesichts der Katastrophe unmöglich gewesen. Das Gemünder Verpflegungszelt am Ose wurde ihnen als Ziel genannt. „Da könnten wir mal vorbeischauen“, beschloss das Ehepaar.
Die emotionalsten Wochen ihres Lebens
Rotkreuzler und Soldaten arbeiteten in Gemünd bereits Seite an Seite, weitere helfende Hände wurden gerne genommen, um die Gemünder, die alles verloren haben, und die Helfer zu verpflegen. So begannen für Sabine und Hans Mießeler die wohl emotionalsten Wochen ihres Lebens. „In meinen 65 Lebensjahren habe ich noch nie so viel Solidarität und Gemeinsinn, noch nie so viele Emotionen erlebt“, sagt Hans Mießeler. Seine Frau berichtet, wie sie sich in ruhigeren Phasen auch mal zu den Leuten gesetzt, mit ihnen einen Kaffee getrunken und ein offenes Ohr geboten, mit ihnen geweint und gelacht hat. „Das ist auch für uns nicht leicht, wir schleppen das mit nach Hause“, sagt sie, aber: „Zuhören ist so wichtig.“
In ein tolles Team des DRK seien sie hereingekommen – obwohl sie vorher mit dem DRK nicht wirklich etwas zu tun hatten. Es seien Freundschaften entstanden. Unter Tränen haben etwa Soldaten der Bundeswehr Abschied genommen, als ihre Dienstzeit in Gemünd endete – ebenso tränenreich sei die Wiedersehensfreude gewesen, als sie zurückgekehrt sind, um ihren Urlaub im Hilfseinsatz zu verbringen. Nur im Team, so Hans und Sabine Mießeler, lasse sich eine derartige Aufgabe bewältigen: 1500 Essen wurden in Spitzenzeiten geliefert und verteilt, aktuell sind es 800.
Das DRK
Seit der Flutnacht ist auch das DRK im Kreis im Dauereinsatz. 250 Kräfte aus dem Kreis plus zahlreiche externe Rotkreuzler waren noch vor wenigen Tagen aktiv, berichtet Kreis-Geschäftsführer Rolf Klöcker.
In den ersten Tagen nach der Katastrophe hatten sich private Initiativen zur Verpflegung gebildet, die dann vom DRK mit Material und Personal unterstützt wurden. In einer großen Stelle wie Gemünd wurden in Spitzenzeiten 1500 Essen von einem Caterer geliefert, die es dann zu verteilen galt.
Die Hilfe des DRK ist längst nicht beendet. Im großen Spendenlager in Zülpich sind die Kräfte weiterhin im Einsatz. Die Essensausgabe in Arloff wird laut Klöcker auf jeden Fall noch bis Ende der Woche betrieben. Und Klöcker macht für alle Orte klar: „Sobald Bedarf besteht, kommen wir wieder.“
Eine Art Lotsenstelle ist im Mehrgenerationenhaus in Euskirchen eingerichtet. Dort gibt es unter anderem soziale Beratung und Hilfestellung beim Ausfüllen von Anträgen und Formularen. „Hier kann man sich auch mal alles von der Seele reden“, sagt Klöcker, bei Bedarf wird psychosoziale Unterstützung vermittelt. Die Teams werden in Kürze auch in der Region unterwegs sein, es wird eine separate Telefonnummer für die Anlaufstelle eingerichtet. Erreichbar ist das DRK – auch für Anfragen zu Soforthilfe – per E-Mail. (rha)
hochwasserhilfe@drk-eu.de
Das Personal vom DRK ist nun nicht mehr mit von der Partie, ein acht- bis zehnköpfiges Team um die Mießelers koordiniert seit Montag die Arbeit im Verpflegungszelt. Was das für die beiden Hellenthaler heißt? Aufstehen um 5.45 Uhr. Brote und Brötchen beim Bäcker abholen.
Viele Gemünder haben keine Küche mehr und können sich nicht selbst versorgen
7 Uhr Eintreffen am Zelt, das dann wieder bestückt wird – das Equipment wird über Nacht weggeräumt und verschlossen. Ab 8 Uhr gibt’s Frühstück. Gegen 12 Uhr wird das Mittagessen vom Caterer geliefert, es wird im Zelt ausgegeben, Bierzeltgarnituren stehen für die Mittagspause bereit. Mit Autos machen sich zudem Trupps nach Malsbenden und Mauel auf, wo das Essen an die Betroffenen weiterverteilt wird. Kaltgetränke, Kaffee und Snacks sind zudem in Zelt immer vorrätig, Brote sind für den Hunger zwischendurch fertig geschmiert und eingepackt. Die Öffnungszeiten sind in dieser Woche ein wenig reduziert worden. Statt wie bislang um 18 Uhr schließt es nun um 16 Uhr.
In den kommenden zwei Wochen soll ausgelotet werden, wie viele Essen tatsächlich weiterhin benötigt werden. Sind die Betroffenen so weit, dass sie sich mit eigenen Behelfs-Kochgelegenheiten einrichten? Schafft man es, diejenigen herauszufiltern, die nur das Gratisessen nehmen? Eine Überprüfung, etwa mit Adresslisten, ist nicht angedacht. Es soll auf Mundpropaganda gesetzt werden, dass das Essen eben nur für Betroffene und Helfer sein soll.
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Dass so viele Gemünder keine Küche mehr haben und sich noch nicht selbst versorgen können, weiß auch Bürgermeister Ingo Pfennings. Daher ist die Einstellung der Verpflegung für ihn derzeit keine Option. Als klar war, dass das DRK das Zelt nicht weiter betreibt, hatte er an die Bundeswehr gedacht und versucht, deren Suppenküchen zu ordern. Als jedoch klar war, dass für diese Menge an Essen drei oder vier riesige Zelte benötigt würden, war klar, dass das nicht funktionieren kann.
Auch im September will die Stadt die Versorgung sichern
Also liefet der eigentlich auf große Sportveranstaltungen ausgerichtete Caterer aus dem Ruhrgebiet, den die Stadt unmittelbar nach der Katastrophe durch einen Tipp des DRK engagieren konnte, weiterhin das Essen nach Gemünd. Ob das System nach dem 5. September umgestellt wird, ist noch völlig offen. Denkbar ist laut Pfennings beispielsweise, dass Foodtrucks geordert werden, die die Gebiete anfahren, wo die Menschen sich noch nicht selbst versorgen können.
Die Kosten für die Verpflegung trägt die Stadt Schleiden, gedeckt werden sie voraussichtlich laut Pfennings über die Soforthilfe des Landes. An den Finanzen wird das Angebot auf keinen Fall scheitern: „Es gibt sicherlich Kosten, über die man diskutieren kann – aber nicht über die Verpflegung in der Not“, sagt Pfennings klipp und klar.