Kraftakt bei Pappen NierfeldSieben Wochen nach der Flut startete die Produktion
Schleiden-Nierfeld – Dass nicht lange gefackelt wird, war unverkennbar. „Wir wollen so schnell wie möglich den Betrieb wieder ans Laufen bekommen“, kündigte Martin Uhlmann, Chef der von der Flutkatastrophe hart getroffenen Fabrik Pappen Nierfeld knapp eine Woche nach dem verheerenden Hochwasser vom 14. Juli an. Sein Plan ist aufgegangen: Am 2. September sind in dem Unternehmen wieder die Maschinen angelaufen.
Kraftakt bei Pappen Nierfeld
Komplett wiederhergestellt ist die Fabrik zwar noch nicht. Aber: „Ist das nicht ein tolles Bild?“, sagt Uhlmann und zeigt auf einen Lkw, der mit Paletten voller Vollpappe beladen wird. Was so normal aussieht, ist Lohn eines Kraftakts, den Uhlmann und seine Mitarbeiter gestemmt haben.
Daran war im Juli kaum zu denken: Sämtliche Elektrik triefnass, Schlamm in den Maschinen, der Wassereinlass am Wehr als Herzstück der Pappenfabrik zerstört, der Kanal mit Treibholz versperrt. Das Bild in dem Unternehmen war verheerend. Doch mit viel Leidenschaft und Energie ist Pappen Nierfeld wieder am Start. „Das geht nur mit guten Mitarbeitern und Unternehmen aus dem Beritt“, fügt Uhlmann hinzu.
Alle Kugellager wurden auseinandergenommen und gereinigt, die komplette Elektronik neu gemacht. Nicht nur die 35 Mitarbeiter packten mit an, sondern auch längst in Rente gegangene Veteranen des Betriebs, die die Maschinen aus dem Effeff kennen. Immer wieder erwähnt Uhlmann den Einsatz der Unternehmen Heinen Automation, Backes und Profitlich-Motoren in Euskirchen: „Ohne die hätten wir das nicht geschafft.“
Marienthaler
Noch unsicher ist die Zukunft der Bierdeckel-Druckerei Marienthaler, die am Ortseingang von Mauel einer der ersten Betriebe war, der von der Flut überschwemmt wurde. Äußerte der damalige Geschäftsführer Andreas Uhlmann spontan den Willen, den Betrieb wieder aufzubauen, so haben sich die Aussichten für die 75 Mitarbeiter mittlerweile verdüstert.
Einen Schaden von rund 8,5 Millionen Euro haben Gutachter der Versicherungen festgestellt, teilt Alexander Stoeckle, Unternehmenssprecher der Koehler Group, auf Anfrage mit. Die Unternehmensgruppe, die bereits vor der Flut die Anteilsmehrheit an Marienthaler hatte, hat die Firma komplett übernommen. Uhlmann sei aus der Geschäftsführung ausgeschieden, so die Mitteilung. Dieser wollte sich auf Anfrage nicht äußern.
Die Gebäude ließen sich in einem Zeitraum von drei bis sechs Monaten instandsetzen. Die Herausforderung seien Reparatur und Ersatzbeschaffung der Maschinen, die insbesondere bei speziellen Druckmaschinen 12 bis 17 Monaten dauere.
Die Produktion habe das ebenfalls zur Koehler Group gehörende Weisenbacher Unternehmen Katz übernommen. Dabei haben auch Mitarbeiter von Marienthaler geholfen. „Das Unternehmen Marienthaler Werbe-Offsetdruck bleibt weiter bestehen“, so Stöckle. Es werde intensiv an einem Konzept für die Weiterführung der Produktion an mehreren Alternativ-Standorten gearbeitet.
Nichts Gutes für den Standort Mauel erahnen lassen die letzten Sätze des Statements. Vorgabe des Vorstands der Koehler-Gruppe seien Herstellung und Belieferung unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten. „Das bedeutet vor allem mit modernsten Maschinen und Anlagen, sowie an einem Standort, um einen maximalen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten“, so das Unternehmen wörtlich. Eine Entscheidung soll bis Ende Oktober 2021 getroffen werden. (sev)
Dabei läuft noch längst nicht alles rund. „An jeder Ecke gibt es eine Baustelle, Probleme ohne Ende“, berichtet er, um nahtlos seinen Wahlspruch zu verkünden: „Finde den Fehler.“ Wie bei der Brücke über die Olef, dem Nadelöhr, über das sämtliche Lastwagen auf das Betriebsgelände fahren. „Zuerst wurde die vom Statiker als standsicher bezeichnet, doch dann kamen Zweifel auf“, berichtet Uhlmann. Finde den Fehler: Das Fundament war unterspült, die Lebensader der Pappenfabrik drohte gesperrt zu werden. Bauunterlagen waren nicht zu bekommen. Also wurde in einer Hauruck-Aktion ein neues Fundament betoniert und die Fahrbahn mit Stahlträgern abgesichert – läuft!
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„Wir haben nach der Flut sofort zwei Einkaufstrupps gegründet: Elektrik und Mechanik“, so der Geschäftsführer. Hunderte Motoren, kilometerweise Kabel, 22 Pumpen wurden bei Großhandlungen in ganz Deutschland beschafft. Und wenn der Händler nicht sofort liefern konnte, machte sich ein Mitarbeiter aus Nierfeld auf den Weg, um die Waren selbst herbeizuschaffen. Uhlmann zeigt auf die Bank, die vor dem zerstörten Bürogebäude steht: „Das war sieben Wochen lang mein Büro.“ Von dort aus hielt er mit seinem Handy den Kontakt zu Kunden, Lieferanten und jedem, den er für den Wiederaufbau benötigte. „Die Lieferzeit von manchen Teilen betrug 83 Tage – das wäre Weihnachten geworden“, beschreibt er die Situation. Dann habe er die Telefonnummer des jeweiligen Firmenvorstands recherchiert und diesem mitgeteilt, dass er jetzt in die Produktion gehen und dafür sorgen soll, dass das benötigte Teil sofort gefertigt wird. „Und alles mit ungedecktem Scheck, volles unternehmerisches Risiko“, sagt Uhlmann mit einem Lächeln.
Sieben Millionen Euro Schaden – diese Schätzung konkretisiere sich mehr und mehr. Seine Versicherung sei unkompliziert gewesen, teilt Uhlmann mit. Die Produktionsstraße läuft wieder, 24 Stunden am Tag, doch überall sind noch Monteure bei der Arbeit. Eine neue Maschine ist bereits im Werk im Einsatz, andere warten noch auf ihre Wiederinbetriebnahme. Doch der Betrieb läuft, für Uhlmann das zentrale Anliegen: „Das Wichtigste war, dass wir die Arbeitsplätze der Beschäftigten retten.“