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Gegen schlimme Bilder im KopfNeues Team im Kreis Euskirchen hilft den Helfern

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Das PSNV-Team des Kreises Euskirchen.

Kreis Euskirchen – Nicht nur Opfer und direkt Betroffene eines Unfalls oder einer Katastrophe müssen hinterher oft traumatische Erlebnisse verarbeiten, die sie seelisch belasten und krank machen können. Einsatzkräften geht es da nicht anders.

In der aktuellen Notlage konzentrieren sie sich auf die Hilfeleistung. Sie tun das, für was sie ausgebildet sind. Doch später kann es sein, dass in ihren Köpfen plötzlich Bilder auftauchen, die sie quälen und manchmal über Jahre nicht loslassen.

Am schlimmsten ist es, wenn man nicht mehr helfen kann

Die Gründe für seelische Belastungen nach Einsätzen sind vielfältig: Tote, Verletzte, selbst erlittene Todesangst, Überforderung und – das wurde bei der Flutkatastrophe im Juli 2021 an vielen Orten deutlich – das gerade für Helfer wohl schlimmste Erlebnis: Machtlosigkeit. Erkennen zu müssen, dass es Situationen gibt, in denen sie nicht mehr helfen können.

Auch Einsatzkräfte benötigen in vielen Fällen Unterstützung, um gesundheitlichen Langzeitfolgen vorzubeugen. Doch das müssen sie erstmal selbst erkennen, um die Hilfe zu suchen und anzunehmen.

Kriseninterventionsdienst des DRK

Während sich das PSNV-Team des Kreises um die Unterstützung von Einsatzkräften nach belastenden Erlebnissen kümmert, bietet der Kriseninterventionsdienst (KID) des Deutschen Roten Kreuzes bereits seit 2000 eine psychosoziale Notversorgung für Angehörige oder andere Betroffene in Krisensituationen an. Auch bei diesem Team handelt es sich nicht um Psychologen, sondern um speziell geschulte Laien aus den unterschiedlichsten Berufsfeldern. In der Regel werden die Zweierteams des KID sehr schnell bei belastenden Ereignissen über die Rettungskräfte oder die Polizei angefordert und sind sehr schnell am Ort.

Die Flutkatastrophe hat da in der Wahrnehmung der Helfer etwas verändert. Schon kurze Zeit nach der Flut waren rund 150 auswärtige Kräfte aus ganz Deutschland mehrere Wochen lang im Kreis im Einsatz, um die psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) zu übernehmen. Bis heute haben fast 800 Einsatzkräfte eine solche in Anspruch genommen.

Dabei gab es jedoch ein Handicap. „Der Eifeler braucht einen Eifeler“, sagt die Floisdorfer Feuerwehrfrau Nadja Züll, die mit ihrer Kameradin Stephanie Mandl von der Feuerwehr Nettersheim Rainer Brück, Leiter des neuen kreiseigenen PSNV-Teams, zur Seite steht. Sie erlebte selbst mit, dass Sprachbarrieren es für einen Eifeler schwieriger machen, sich etwa im Gespräch mit einem Helfer aus Franken zu öffnen.

Neue Einheit arbeitet organisationsübergreifend

Ein Kernteam von hiesigen PSNV-Helfer für Einsatzkräfte gibt es im Kreis Euskirchen schon seit 2013, doch es mangelte an Nachfrage. Damals kam bei den Einsatzkräften nie so richtig an, dass es sowas gibt. Dies, so sagt Rainer Brück, habe sich seit der Flutkatastrophe enorm geändert.

Gemeinsam mit Kreisbrandmeister Peter Jonas war er schon geraume Zeit vor der Flut dabei, das Team neu zu strukturieren. Eine Spende der BASF-Stiftung aus Ludwigshafen machte es möglich, nun organisationsübergreifend eine eigene Kreiseinheit auf die Beine zu stellen.

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Schwere Unfälle mit Toten und Verletzten können bei den Einsatzkräften zu seelischen Belastungen führen.

19 speziell geschulte Helfer aus der Feuerwehr, dem Rettungsdienst und den Hilfsorganisationen, aber auch eine Psychologin aus Bonn gehören zum Team. Einige standen schon vorher zur Verfügung. Andere wurden selbst durch die Erfahrungen in und nach der Flutkatastrophe auf diesen Bereich aufmerksam und ließen sich für derartige Einsätze schulen.

Kreisbrandmeister Peter Jonas ist aus vielen Gründen froh, nun ein eigenes Team zu haben. „Die Einsätze haben sich verändert“, sagt er: „Es sind neue Einsatzszenarien dazu gekommen. Die belastenden Einsätze werden mehr.“ Und mit Blick auf die Einsatzkräfte: „Gerade junge Helfer sind heute anders als die vor 20 oder 30 Jahren.“ Sie hätten eher im Blick, dass ein Gespräch bei einem Bier im Kreis der Kameraden oft nicht reicht, um traumatisierende Erlebnisse aufzuarbeiten. Rainer Brück bestätigt das: „Die Hemmschwelle ist weg.“

Führungskräfte sollen Alarmzeichen erkennen

Das gelte auch für die Führungskräfte, deren Blick auf ihre Leute geschärft sei. Stephanie Mandl: „Die sagen heute nicht mehr: Wenn es mich nicht belastet, warum dann andere?“

Damit mögliche Alarmzeichen auch erkannt werden, engagiert sich das PSNV-Team künftig auch verstärkt in der Aus- und Fortbildung, etwa bei der Feuerwehr. So bietet das Team Schulungen an, die von den Anwärtern in den Grundlehrgängen ebenso genutzt werden können wie von den Führungskräften.

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Das Hilfsangebot selbst soll niederschwellig sein. So können sich Einsatzkräfte, die sich ihren Kameraden gegenüber nicht erklären wollen, direkt an das PSNV-Team wenden. Und in den Fällen, in denen auch die Möglichkeiten der ehrenamtlichen PSNV-Kräfte nicht mehr ausreichen, unterstützen diese bei der Vermittlung professioneller Hilfe über die Unfallkasse.

Die Flutkatastrophe, so die Bilanz von Rainer Brück, habe aber auch mit den externen PSNV-Helfern was gemacht, wenn sie in den Flutgebieten gewesen seien. Brück: „Das hat in der Kürze der Zeit eine enge Verbundenheit geschaffen. Viele von ihnen wollen noch mal wiederkommen.“ Da, so Brück, könne man nun mit dem kreiseigenen Teametwas zurückgeben. Das kann künftig auch von außerhalb der Kreisgrenzen angefordert werden.