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Auch die Retter brauchen HilfeKräfte in Euskirchen werden psychologisch unterstützt

Lesezeit 4 Minuten

Das Wahlener Löschfahrzeug ist in Urft in den Fluten umgekippt. Die Einsatzkräfte haben sich vorher retten können.

Kreis Euskirchen – Sie haben Menschen gerettet und sich dabei selbst in Gefahr gebracht. Die Flutnacht wird sich tief in das Gedächtnis vieler Rettungskräfte eingraben. Rund 600 Notrufe pro Stunde liefen in der Spitze in der Kreis-Leitstelle auf. „Wir haben bisher etwa 3500 Einsätze abgearbeitet“, so Kreisbrandmeister Peter Jonas. Die Zahl der Einsatzorte sei viel höher.

Knapp 4000 Helfer im Kreis

Rund 2750 Feuerwehrleute gibt es laut Jonas im Kreis und weit mehr als 1000 weitere Ehrenamtler, etwa bei THW, Maltesern, DRK oder der DLRG. Nahezu alle seien während des Hochwassers und in den Tagen danach im Einsatz gewesen. Aber auch sie stießen irgendwann an ihre Grenzen, gibt Jonas zu bedenken, vor allem wegen der Gefahren durch die Wassermassen, denen die Kräfte zuweilen ausgesetzt waren.

„Es gab viele Situationen, wo man im Nachhinein wirklich sagen muss: Wir haben Glück gehabt, dass keine Einsatzkräfte ums Leben gekommen sind. Andere Kreise, andere Städte hatten dieses Glück nicht.“ Bisher sind laut Jonas nur leichte körperliche Verletzungen bekannt, aber die Erfassung laufe noch. „Oftmals begeben sich die Kräfte privat in Behandlung und melden das dann später“, so Jonas.

Hilferufe in Dauerschleife wirken nach

Auch die Verletzungen, die man nicht auch den ersten Blick sieht, seien gravierend: Mehr als 100 Kräfte erhielten psychosoziale Unterstützung. „Das hat bereits am Sonntag nach der Flut begonnen“, so Jonas: „Die Zusammenarbeit landes- und bundesweit funktioniert sehr gut.“ So kümmerten sich etwa Experten des Malteser Hilfsdienstes aus Landshut um betroffene Rettungskräfte im Kreis.

Denn nicht allen haben die Retter helfen können, weil das Gebiet nicht zugänglich war. Da konnten den Opfern oft nur Anleitungen gegeben werden, etwa sich auf das Hausdach zu retten. Rettern, die an sich den Anspruch haben, anderen zu helfen, reicht das nicht. Auch Hilferufe in Dauerschleife, die den Mitarbeitern der Leitstelle entgegenhallten, wirken nach.

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Und: „Eine Reihe waren ja auch persönlich massiv vom Hochwasser betroffen“, so Jonas – sowohl was Verluste im Verwandten- und Bekanntenkreis, als auch materielle Schäden angehe. Viele haben auch im Einsatz materielle Schäden erleiden müssen. „Wir haben ganze Einheiten, die keinen Privat-Pkw mehr haben, weil sie vor den Gerätehäusern weggespült worden sind“, sagt Jonas. Allein in Kall seien 25 Privatautos von Feuerwehrleuten weggespült worden.

Auch Feuerwehren selbst vom Hochwasser betroffen

Bei den Feuerwehren sind laut Jonas 16 Großfahrzeuge zu Schaden gekommen, dazu elf Löschfahrzeuge, „die man eigentlich als Totalschaden bezeichnen muss, weil sie teilweise bis zum Dach im Wasser gestanden haben“. Insgesamt seien also 27 Fahrzeuge nach der Flut nicht einsatzbereit.

Die Einsatzbereitschaft habe durch Kompensationen sichergestellt werden können: „Wir haben Leihfahrzeuge erhalten und schon zwei Fahrzeuge geschenkt bekommen.“ Es habe viel Hilfe landes- und bundesweit gegeben, so Jonas. So gebe es gebe überörtliche Konzepte, Wasserrettungszüge, Wasserfördersysteme oder Taucher, die zusammengezogen wurden und im Kreis zum Einsatz kamen.

Herausforderungen bei der Wiederversorgung auch bei betroffenen Energieversorgern

Auch bei Energieversorger e-regio, der in Kall Nachbar der Feuerwehr ist, sind ein Messfahrzeug, ein Steigerwagen, drei Montagefahrzeuge, zwei Notstromaggregate mit 250 Kilowattampere, mehrere Privatautos der Monteure und rund zehn firmeneigene Pkw zerstört worden.

„Es ist eine Herausforderung in der Krise, die Versorgung der Bevölkerung wieder herzustellen, wenn man dabei selbst eingeschränkt ist“, so e-regio-Geschäftsführer Markus Böhm: „Wir sind selbst mit dem Standort in Kall abgesoffen.“ Das Wasser habe zirka 1,50 bis 1,80 Meter hoch im Hof gestanden, Büro- und Funktionsräume seien nicht mehr nutzbar gewesen. Nach und nach sei die Infrastruktur am Standort ausgefallen.

Es gebe zwar Ersatzeinrichtungen (Redundanzen) für Stromversorgung und Server, so Böhm: „Letztendlich aber sind durch das Hochwasser der Standort, die Stromversorgung und das Leitsystem komplett ausgefallen. Das heißt, die die Kollegen saßen in der oberen Etage fest, ohne Strom und ohne Leitsystem.

Fast überall noch keine Normalität

Böhm selbst war am Standort Kuchenheim. Er habe via Handy Kontakt zu den Mitarbeitern halten können. „Wir haben von Euskirchen in der Nacht versucht, die Monteure zu erreichen.“ Viele seien aus dem Urlaub gerufen worden, um die Umspannanlagen zu besetzten und sind von dort losgefahren um zu schauen, wie das Netz aussieht. Erst nach und nach konnte später der Standort Kall wieder in Betrieb genommen werden. Von Normalität könne noch keine Rede sein.