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Spurensicherung nach SexualverbrechenASS-Sets an Eifeler Krankenhäuser übergeben

Lesezeit 3 Minuten

Je einen ASS-Koffer übergaben Anke Sefrin (v.l.) und Lars Mechler vom Opfernetzwerk an das Marien-Hospital Euskirchen und das Kreiskrankenhaus Mechernich, hier an den Chefarzt der Gynäkologie am Marien-Hospital, Jacek Goldzinski.

Eifelland – Wer Opfer einer Sexualstraftat wird, steht anschließend meist komplett neben sich. Angst und Scham sowie seelische und körperliche Wunden sind oft zu schmerzhaft, um sich unmittelbar mit der Frage auseinanderzusetzen, ob man gegen den oder die Täter Anzeige erstatten und sich einem juristischen Verfahren stellen will.

Die Konsequenz: Viele Betroffene lassen Spuren und damit wichtige Nachweise der Tat, mit denen sich der oder die Täter überführen ließen, nicht sichern und versuchen stattdessen, das Geschehene zu vergessen.

Spuren werden zehn Jahre lang eingelagert

Um den Opfern Zeit zu geben, sich über das weitere Vorgehen klarzuwerden, gibt es in Nordrhein-Westfalen seit vielen Jahren die Möglichkeit der sogenannten Anonymen Spurensicherung (siehe „Einlagerung in der Gerichtsmedizin“). Vor allem Frauen, die Opfer von häuslicher oder sexualisierter Gewalt werden, hilft dieses Verfahren, sich in aller Ruhe darüber klarzuwerden, was sie wollen. Ihnen bleibt durch die Anonyme Spurensicherung (ASS) Zeit, zunächst die Unterstützung von Beratungsstellen, Opferanwälten oder dem Weißen Ring in Anspruch zu nehmen, ehe sie eine Entscheidung fällen.

Hinzu kommt ein Vorteil von bedeutender psychologischer Tragweite: Die Spurensicherung gibt den Opfern das Gefühl, zumindest optional etwas gegen den Täter unternehmen zu können und ihm nicht mehr wehrlos ausgeliefert zu sein. Dadurch, dass die Spuren gerichtsverwertbar zehn Jahre eingelagert werden, bleibt die Tür für eine mögliche Strafanzeige lange Zeit offen.

Ärzte führen oft offizielle Spurensicherungen durch

Anke Sefrin, die Vorsitzende des Opfernetzwerks, und ihr Stellvertreter Lars Mechler übergaben am Dienstag den Chefärzten der gynäkologischen Abteilungen am Marien-Hospital und am Kreiskrankenhaus Mechernich sogenannte ASS-Koffer. Darin enthalten, neben Info-Material zu Opfer-Anlaufstellen, sind „sechs Sets zur Spurensicherung, drei für Erwachsene, drei für Kinder“, wie Anke Sefrin dem Chefarzt der Gynäkologie am Marien-Hospital, Jacek Goldzinski, erläuterte.

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Der Mediziner begrüßte die Initiative und betonte, dass es für Opfer sexueller Straftaten ein großer Vorteil sei, Zeit zu gewinnen. „Mit dieser Art der Spurensicherung können die Betroffenen zunächst klären, was sie möchten, und auch, was alles auf sie zukommen wird, wenn sie später Anzeige erstatten.“ Die professionelle Spurensicherung sei in einem Krankenhaus nichts Ungewöhnliches. Immer wieder komme es vor, dass Opfer von Straftaten in Begleitung der Polizei in die Klinik kämen und die Spurensicherung ganz offiziell durchführen lassen. „Von daher weiß das Ärzteteam, wie man mit so einem Set umgeht“, so Goldzinski.

ASS soll bekannter gemacht werden

Auch Jahre nach ihrer Einführung ist die Anonyme Spurensicherung noch relativ unbekannt in der Bevölkerung. Daran wolle man als Opfernetzwerk arbeiten, so Sefrin.

„Mit Info-Flyern oder auch Aufklebern, die wir beispielsweise in Toilettenbereichen von Diskotheken hinterlassen“, so die Anwältin. Grundsätzlich aber gelte: „Wir als Opfernetzwerk versprechen, dass alle, die sich an uns wenden, immer an die richtigen Stellen weitergeleitet werden.“

Einlagerung in der Gerichtsmedizin

Im Jahr 2000 gründete sich im Kreis Euskirchen das Opfernetzwerk, ein Zusammenschluss von Hilfsstellen, Ärzten, Rechtsanwälten, Psychotherapeuten und Privatpersonen, die sich den Opferschutz auf die Fahnen schreiben.

In Zusammenarbeit mit dem Euskirchener Marien-Hospital wird Opfern von sexueller und häuslicher Gewalt bereits seit 2009 die Möglichkeit gegeben, eine Anonyme Spurensicherung (ASS) durchführen zu lassen. Seit kurzem ist auch das Kreiskrankenhaus Mechernich mit an Bord – damit ist der Kreis Euskirchen sehr gut aufgestellt im Vergleich zu anderen Regionen in Nordrhein-Westfalen.

Vielerorts fehlt es noch an klinischen Anlaufstellen und entsprechend geschulten Ärzten. Der Ausbau der ASS ist im Koalitionsvertrag der Landesregierung verankert.

Die gesicherten Spuren werden mit einem Barcode versehen, ehe sie an die Gerichtsmedizin Bonn zur Einlagerung gesendet werden. Nur das Opfer hat den digitalen Schlüssel zum Code und kann im Fall einer Anzeigenerstattung darauf zugreifen. (hn)

www.opfer-netzwerk.eu