Der Saal im Stadttheater Euskirchen war bei Bodo Wartkes Stück „König Ödipus“ fast voll besetzt. Manche Zuhörer waren von weither angereist.
Sophokles cool umgesetztBodo Wartke begeistert mit „König Ödipus“ in Euskirchen
Auf dem Parkplatz hinter dem Euskirchener Rathaus sieht man am Abend von Bodo Wartkes Stück „König Ödipus“ zahlreiche Autos – und die haben nicht nur Euskirchener Kennzeichen. Ein Mann steigt aus seinem Wagen und freut sich: „Ich habe Bodo Wartke schon so oft auf der Bühne erlebt.“ Es scheint, als sei so ein Abend eine Art Jagdtrophäe für ihn. Vor dem Eingang zum Stadttheater hat sich eine beachtliche Schlange gebildet. Der Saal wird annähernd voll.
Ein anderer Besucher, Andreas Haubner aus Forchheim bei München, brauchte mehrere Anläufe, um das Programm zu erleben: „Es ist mein vierter Versuch, den ‚Ödipus‘ von Bodo Wartke zu sehen. Einmal wurde ich krank, einmal kam mir Corona dazwischen und einmal war Schneechaos. Das Stück wird selten aufgeführt. Glücklicherweise habe ich einen Freund in Bonn und kann es mir heute anschauen.“ Auf die Frage, was er an Wartke so schätzt, antwortet er: „Alles. Er ist witzig, ein genialer Musiker. Und er wird zunehmend politischer. Das gefällt mir. Ich kenne ihn schon seit zehn bis zwölf Jahren.“
Bodo Wartke wechselt blitzschnell zwischen 14 Rollen
Auf der Bühne sieht man an diesem Abend hauptsächlich einen Flügel und Wartke. Der Applaus ist beeindruckend, als er auftritt. Seine Fans wissen, dass die Aufführung Spaß machen wird. Im beige-grauen Anzug eröffnet er ohne ein Wort der Begrüßung mit einem Song die Geschichte von König Ödipus. Es wird mucksmäuschenstill im Saal. Hochkonzentriert, mit viel Lachen und Zwischenapplaus begleitet das Publikum Wartke, der seine Zuschauer keine Sekunde mit dem antiken Stoff langweilt.
Die 14 Rollen, die zum Stück gehören, besetzt er alle selbst in gekonnten und blitzschnellen Wechseln. Die Position seiner Baseballkappe und eine Sonnenbrille dienen als Orientierung, wen er in den vielen Dialogen gerade spielt. Dabei streut Wartke passende Zitate aus anderen Klassikern der Weltliteratur ein, die im ungewohnten Kontext sehr witzig herüberkommen.
Sphinx wird in Euskrichen zur Handpuppe in Löwengestalt
Jede Figur der Tragödie ist exzellent ausgearbeitet. Die Sphinx, die die Stadt Theben in ihrer Gewalt hält, wird bei Wartke zur Handpuppe in Löwengestalt – die aber zur wilden Verfolgungsjagd vor und hinter der Bühne taugt. Die Zuschauer toben vor Lachen. Bei Wartke fließen originelle Ideen, komische Mimik und Ganzkörpereinsatz zu einem spannenden Erlebnis zusammen.
Zwischendurch gibt's Musikeinlagen. Mit einer Cajon rappt er einen kritischen Dialog zwischen Ödipus und seinem Schwager Kreon. Ein anderes Mal begleitet er seinen Gesang einfach mit dem rhythmischen Klackern seiner Schuhe. Dabei bewegt er lustig seine Beine, als wären sie Trommelschläger. Als von vielen Toten die Rede ist, greift Wartke zur Mundharmonika und spielt die Titelmusik aus „Spiel mir das Lied vom Tod.“ Auch das Publikum wird zum Mitsingen aufgefordert. „König Ödipus“, lautet der ganze Text.
Das Reclam-Heft ist im Stadttheater ein wichtiges Utensil
Ein wichtiges Utensil ist unter den wenigen Requisiten, die er benutzt, das Reclam-Heft. Seine Protagonisten ziehen es immer mal wieder aus der Tasche, um sich gegenseitig auf den Fortgang der Handlung hinzuweisen. Als wollten sie sagen: „Lies doch nach, wie es weitergeht!“ Wartke hat die antike Geschichte mit seiner modernen und humorvollen Fassung nicht beschädigt. Trotz der unterhaltsamen Art wird die Dramatik beibehalten. Fragen werden aufgeworfen: Gibt es Vorherbestimmung? Oder erfüllen sich Prophezeiungen, weil diejenigen, die daran glauben, ihr Schicksal selbst in eine bestimmte Richtung lenken?
Martin Schladoer, einer der vielen jüngeren Besucher, fasst die Faszination dieses Programms zusammen: „Ich mag griechische Dichtung. Von Wartke wird sie sehr lebendig neu interpretiert. Er bringt das Stück niederschwellig auf die Bühne. Mich fasziniert, dass es auch nach 2000 Jahren noch so eine Relevanz hat. Wartke macht es verfügbar für Menschen, die sich nicht abends hinsetzen und Sophokles lesen. Ich finde es klasse, dass er mit seiner Fassung Begeisterung für Kultur und Bühnen fördert. Die coole Musik und wie virtuos er mit Wörtern umgeht, ist einfach super.“
Am 19. März 2025 wird Bodo Wartke wieder im Stadttheater Euskirchen zu sehen sein. Dann mit einem Klavierkabarett. Wartke ist eben vielseitig begabt und „König Ödipus“ eher der ernstere Teil seiner künstlerischen Spannweite.