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Tod eines MitschülersBerufskolleg-Schüler in Euskirchen verarbeiten Flut in Dokumentarfilm

Lesezeit 3 Minuten
Ein Klassenzimmer des Thomas-Eßer-Berufskolleg in Euskirchen, das von der Flut schwer beschädigt wurde. Der Boden ist mit Matsch bedeckt und die Fenster sind kaputt.

Das stark von der Flut 2021 betroffene Thomas-Eßer-Berufskolleg Euskirchen stellt einen Dokumentationsfilm über die Folgen der Katastrophe vor.

Mit einem Dokumentarfilm haben Schüler am Thomas-Eßer-Berufskolleg ihre Traumata verarbeitet.

Die Folgen der Flutkatastrophe im Juli 2021 sind im Euskirchener Thomas-Eßer-Berufskolleg (TEB) auch jetzt noch unübersehbar: nackte Betonböden, gesperrte Treppenhäuser, der Haupteingang unpassierbar. Zwei Klassen, die wie mehrere andere ausgelagert worden waren, kehren erst nach den Osterferien aus ihrem Ausweichdomizil im Emil-Fischer-Gymnasium zurück.

Für Teile des Gebäudekomplexes an der Kommerner Straße muss ein Ersatzbau her. Vorübergehend soll eine Containerlösung helfen. Doch die Raumnot gehört weiter zum Alltag. „Es wird Jahre dauern, bis wieder Normalität einkehrt“, prophezeit Lehrer David Breuer vom Team Öffentlichkeitsarbeit. An einem Kiosk und anderen Verpflegungsmöglichkeiten fehlt es ebenso wie an Fachräumen und Besprechungszimmern in ausreichender Zahl.

Thomas-Eßer-Berufskolleg: Mangel an Räumlichkeiten

„Konferenzen finden zum Teil auf dem Flur statt“, sagt Monika Lauer, Schulsozialarbeiterin der Arbeiterwohlfahrt. Die Gebäudeschäden sind längst nicht alles. Die Katastrophe hat die gesamte Schulgemeinschaft erfasst, besonders schlimm durch den Tod eines jungen Mannes, der am TEB in der Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker war. Wie seine Klasse und sein Klassenlehrer mit dem Verlust umgingen, erfährt man durch Interviews, die das Berufskolleg jetzt im Internet veröffentlicht hat.

Ausgangspunkt war das Projekt „Die Flut – Der Film“, mit dem Schülerinnen und Schüler der Ausbildungsvorbereitung im Herbst 2021 begonnen hatten. Sie machten es sich, so das Berufskolleg, zur Aufgabe, in einem Dokumentarfilm die Geschehnisse der Flutnacht und der darauffolgenden Tage festzuhalten. Begleitet wurden sie von Monika Lauer und von Jessica Gerlach, Klassenlehrerin in der Ausbildungsvorbereitung. Als Profi hatten sie den Filmemacher Eduard Starcic an ihrer Seite.

Sechs Personen stehen in einer Reihe nebeneinander.

Die Interviews zur Produktion „Die Flut – Der Film“ stellten Mitglieder des Kollegiums jetzt Vertretern der Arbeiterwohlfahrt und der Bürgerstiftung der Kreissparkasse vor.

Den Film veröffentlichte das TEB auf seiner YouTube-Seite, er ist schon mehr als 32 000-mal aufgerufen worden. Die Schüler und Schülerinnen hatten dafür Gespräche mit Menschen innerhalb und außerhalb ihrer Schule geführt. Die Interview-Partner erzählten, wie sie die Katastrophe aus ihrer Rolle heraus erlebten. In dem Film sind jeweils nur Ausschnitte aus den Schilderungen zu hören. Nun hat das Berufskolleg als Ergänzung zwölf der Interviews in voller Länge veröffentlicht. „Es wäre auch zu schade gewesen, wenn große Teile davon in der Versenkung verschwunden wären“, sagt Monika Lauer.

Thomas-Eßer-Berufskolleg: Dokumentarfilm ist Teil von Traumapädagogik

Finanzielle Unterstützung erhielt das TEB von seinem Förderverein, vom Land NRW und der Bürgerstiftung der Kreissparkasse Euskirchen. Die Art der Dokumentation sei kein Selbstzweck, erklärt die Schule, vielmehr verfolge man damit im Wesentlichen zwei Ziele: Zum einen sei aus der Traumapädagogik bekannt, „dass die Verarbeitung schwieriger und schwierigster Erfahrungen davon unterstützt wird, vollständige Geschichten mit einem Anfang und einem Ende zu erzählen und das Geschehene in einen Rahmen einordnen zu können“. Zum anderen seien der Film und die Interviews ein Teil der „Geschichtsschreibung“ des TEB.

Für Jessica Gerlach war das Projekt „eine Herausforderung“, denn: „Wir mussten einen sensiblen Weg finden, um kein Trauma aufzubrechen. Über die Geschehnisse zu sprechen kann heilsam sein, aber auch in die Gegenrichtung wirken.“ Interviews führte das TEB-Team mit Schülerinnen und Schülern, mit Vertretern des Kreises Euskirchen und mehrerer Rettungsorganisationen sowie mit Lehrern und Vizeschulleiterin Carolin Holzhüter. Sie war im Berufskolleg gefragt und gleichzeitig zuhause, wo sie persönlich von der Flut betroffen war.

Ebenfalls zu Wort kommen die Hausmeister. Sie mussten, so die Schule, „in der Flut und auch in der Zeit danach über sich hinauswachsen“. Eindrucksvoll auch der Bericht einer Schülerin, die eine Ausbildung zur Erzieherin absolviert. Nicht nur ihre Schule wurde überflutet, sondern auch ihr Elternhaus und ihre Praktikumsstelle. Ihren Optimismus hat sie aber nicht verloren: „Wenn man ein Ziel hat, sollte man daran glauben und den Kopf nicht in den Sand stecken.“