Ans Pik-As in Euskirchen erinnert heute nichts mehr. Die, die dort in den 70er Jahren gefeiert haben, denken gerne an die Kultdisco zurück.
Kult-DiscoPik-As in Euskirchen war für viele der Joker – Revivalparty geplant
Den kommenden Samstag kann Christa Klinkenberg kaum erwarten. Sie will tanzen, auf die Rolle gehen, eine gute Zeit haben. Was man sich halt so vornimmt fürs Wochenende, wenn man fast noch ein Teenager ist.
Halt! Stopp! Man tritt der Euskirchenerin sicher nicht zu nahe mit der Feststellung, dass dieser Lebensabschnitt schon ein paar Tage hinter ihr liegt. Christa Klinkenberg ist 76 Jahre alt.
Doch wenn sie von früher erzählt, sieht der Gesprächspartner sie vor dem inneren Auge als 21-jährig hinter der Theke stehen – den Blick auf die Tanzfläche gerichtet. Die Zeitreise führt an die Bergerstraße, genauer gesagt: ins Pik-As. Was jüngere Menschen dazu wissen müssen: Es war ein Hotspot in der Kreisstadt, als es den Begriff Hotspot so noch gar nicht gab. Es war so hot, dass Christa Klinkenberg und ihr Mann Hans am Samstag (16. November) eine Pik-As-Revivalparty in der Gaststätte Zum Frankengraben veranstalten.
Nichts erinnert mehr ans Pik-As an der Bergerstraße in Euskirchen
An der Bergerstraße erinnert heute nichts mehr an den damals angesagten „Schuppen“. Nichts deutet mehr darauf hin, dass Gäste sich im Pik-As verliebten (zuweilen nur für einen Abend), bumpten (eine Art Stippefott mit den Hüften) oder einfach nur die Lohntüte auf den Kopf hauten – und manchmal auch alles auf einmal. Verdamp lang her. Heute befindet sich dort das Firmengebäude von Kunststoff-Fensterbau Wichterich. Damals teilten sich die Schreinerei Wichterich und das Pik-As das Gelände. Die Zeiten ändern sich, doch die Erinnerungen bleiben.
Christa Klinkenberg war 21, ihr damaliger Freund und heutiger Mann Hans ein Jahr jünger. „Ich habe damals keine Konzession erhalten, weil ich noch nicht volljährig war. Das war man damals erst mit 21“, erinnert er sich. Gut, dass seine Mutter Adele die Idee von der Disco ziemlich dufte fand. Sie sprang für ihren Jungen in die Bresche.
So öffnete eine Woche vor dem Simon-Juda-Markt das Pik-As erstmals die Pforten. Über die damalige Arbeitsteilung kann Christa Klinkenberg heute lachen, damals eher weniger. „Er hat den großen Chef raushängen lassen“, schaut sie ihren Göttergatten an: „Ich musste arbeiten.“ Mit Schlaghose und Minipli habe sich ihr Künftiger auf die Werbetour begeben: von Kneipe zu Kneipe, von Disco zu Disco. „Mit 20 muss man das Leben auch genießen. Aber unfair war das schon ein bisschen“, erinnert sich die Euskirchenerin.
Denn so eine „Werbetour“ konnte schon mal was dauern, damals, Ende der 60er. Da war noch nichts mit einem Post hier, einen Tweet dort oder eine WhatsApp wer weiß an wen, um die Neueröffnung zu verkünden. Da hieß Werbung noch Klinkenputzen – oder die spezielle Form von Mundpropaganda: Bier trinken und erzählen, wo was los ist: nämlich im Pik-As. Der Markt war schließlich heiß umkämpft. „An jeder Ecke in Euskirchen gab es eine Disco oder eine Kneipe“, erinnert sich Christa Klinkenberg.
Nicht jede Disco in Euskirchen hat überlebt – nur das Porto Bello
Den Anfang habe das „Bistro“ in der Neustraße gemacht, das spätere Village. Nachdem an der Viktoriastraße das Atlanta geöffnet hatte, habe es die eine oder andere körperliche Auseinandersetzung zwischen den beiden Disco-Lagern gegeben.
Dann kamen Porto Bello, Hair, Esquire und die Schwarte. „Da waren eher die Studenten, bei uns die Lehrlinge“, sagt Christa Klinkenberg. Und viele Lehrlinge wollten damals ins Pik-As. „Die standen sonntags in Schlangen vor der Tür und warteten, dass wir um 14 Uhr endlich aufmachten. Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen“, sagt die 76-Jährige.
Es lief gut. So gut, dass Hans Klinkenbergs Mutter vor dem Club noch eine Gaststätte aufmachte: den Landsknecht. „Wir brauchten früher keine Security. Wir hatten meine Mutter“, sagt der Sohn liebevoll über das 1,50 Meter große Energiebündel. Eine Institution sei sie gewesen, vergleichbar mit Rosi Schneider, der langjährigen Chefin des Porto Bello an der Wilhelmstraße. Mit dieser Aura verkaufte „et Adelche“ im Landsknecht nicht nur Frikadellen und Soleier. Sie entschied auch, wer ins Pik-As durfte und wer nicht. „Meine Mutter hat sich die alle ganz genau angeguckt“, sagt Klinkenberg augenzwinkernd.
Nicht nur Soleier sind aus der Mode gekommen, auch Lohntütenbälle gibt es heute nicht mehr. Das war zwischen 1969 und 1977 anders. An den Freitagen wurde der frisch ausgezahlte Lohn gerne auf schnellstem Wege ins Wirtshaus getragen. „Sehr zum Leidwesen von einigen Frauen“ erinnert sich Hans Klinkenberg. Nicht selten sei der Deckel des Vormonats bezahlt und dann ordentlich gefeiert worden – wahlweise auch in umgekehrter Reihenfolge.
Das Feiern ging naturgemäß nicht leise vonstatten. Eines Tages forderte eine Nachbarin ein Schallgutachten. Das wäre aber teuer geworden, erinnert sich Hans Klinkenberg. Was also tun? „Ackermann Naß“, so wurde ein Polizist genannt, hatte da eine Idee. „Nemm dir ne Bloomestruß un en Fläsch Wing und dann klärste dat“, habe der Freund und Helfer geraten.
Gesagt, getan! Klinkenberg schaffte an Weihnachten die Präsente heran – und das Problem aus der Welt. „Zumal ihr Mann und ihr Sohn bei uns Stammkunden waren“, so der frühere Pik-As-Chef: „Und ich habe viel Geld gespart, das Gutachten wäre wirklich teuer gewesen“, wiederholt er mehr als ein halbes Jahrhundert später und atmet noch mal erleichtert aus, als wäre es gestern gewesen.
Irgendwann jedoch wurde auch im Pik-As das letzte Bier gezapft, genauer gesagt: im Mai 1977. Das Disco-Sterben in Euskirchen war in vollem Gang. „Als meine Mutter anfing, Geld ins Pik-As zu stecken, das sie gar nicht hatte, haben wir einen Schlussstrich gezogen“, sagt Hans Klinkenberg.
Eine Woche vor der Donatuskirmes im Mai schloss die Disco für immer. An der Kommerner Straße hatte kurz zuvor das „Maki Tall“ aufgemacht. „Die hatten drehende Tische, eine hippe Theke und waren mega angesagt“, erzählt Hans Klinkenberg. Das Pik-As konnte da nicht mithalten.
Doch die Zeit wollen die Klinkenbergs auf gar keinen Fall missen, darum nun auch die Erinnerungsparty. Dass sie im Frankengraben an der Frauenberger Straße stattfindet, sei auch kein Zufall. Betreiber Richard Albinger war selbst Stammgast im Pik-As. Zudem werde im Frankengraben „unglaublich gute Musik“ gespielt, so Christa Klinkenberg: „Das ist wie ein Tag Urlaub. Man ist richtig beschwingt danach.“ Und kann sich noch mal fühlen wie mit 21. Auch wenn man schon 76 ist.
Pik-As-Erinnerungsparty im Frankengraben
Am Samstag, 16. November, soll ab 18 Uhr wieder gebumpt werden. Frikadellen soll es auch geben – und zwar im Frankengraben. Die lange Namensliste in einem Din-A5-großen Buch mit einem Pik-As-Aufkleber auf dem Deckel sei schon abtelefoniert, sagt Christa Klinkenberg. Viele Zusagen habe sie bereits erhalten.
Nur ein Problem gebe es noch – die Musik. Da zu den inzwischen Verstorbenen auch die allermeisten DJs gehören, wird gerade eine Playlist zusammengestellt, die dann übers Smartphone abgespielt werden kann. Die Welt ist eben digitaler geworden. Den Lohn gibt es ja auch nicht mehr in der Tüte.
Ausgerichtet wird die Revivalparty im Frankengraben in Euskirchen an der Frauenberger Straße nicht ohne Grund. „Betreiber Richard war früher Gast bei uns“, sagt Christa Klinkenberg. Heute seien sie und ihr Mann häufig Gäste bei ihm – vor allem bei den Jazz-Abenden im Frankengraben.