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NegativstressEifeler Traditions-Restaurant wird wegen chronischem Personalmangel verkauft

Lesezeit 6 Minuten
Monika Caspers steht hinter der Theke ihres Hotel-Restaurants Breuer in Blankenheim-Ripsdorf.

Die Gäste sind willkommen, Hochbetrieb liebt Monika Caspers. Doch nach jahrelanger und vergeblicher Fachkräftesuche gibt sie auf: Sie will ihr Hotel und Restaurant in Ripsdorf verkaufen.

Das Hotel-Restaurant Breuer in Blankenheim-Ripsdorf ist ein gut gehender Traditionsbetrieb. Dennoch will Monika Caspers verkaufen.

2024 ist ein Krisenjahr in der Branche, sagt der Hotel- und Gaststättenverband. Es ist längst nicht das erste. Eine Traditionsadresse in Ripsdorf bestätigt das: Monika Caspers sucht einen Käufer für das Hotel Breuer. Grund: der anhaltende Fachkräftemangel. „Das war von Anfang an, seit 14 Jahren also, das Problem.“

Monika Caspers sitzt am Stammtisch vor der Theke ihres Hotels und Restaurants und wirkt ratlos. 2010 hatte sie das aus dem 17. Jahrhundert stammende, dreigeschossige Haupthaus in strategisch günstiger Lage mitten im Dorf gegenüber der Kirche gekauft. Und vom ersten Tag an suchte sie händeringend Unterstützung für die Küche: „Wir haben einen Koch und eine Köchin fest angestellt. Doch bei unseren Öffnungszeiten brauchen wir einen mehr“, so Breuer. 14 Jahre lang hat sie gesucht und keine(n) gefunden.

In dem Betrieb in Ripsdorf herrscht chronischer Personalmangel

Drei mobile wie fachkundige „Rentner“ aus Hellenthal, Dollendorf und sogar aus Essen ruft sie stattdessen an, wenn die Not besonders groß ist. Die reisen dann an und helfen. Doch 2025 wird das Küchen-Hilfe-Trio jeweils 70, was den Notrufeinsatz schwerer machen dürfte, befürchtet Caspers.

Und da auch im Service für den 90 Plätze fassenden Speiseraum, die rund 50 Sitzplätze im Innenhof und den bestuhlt 140 Gäste fassenden Saal der guten wie bekannten Adresse immer wieder Personal fehlt, hat sie vor drei Monaten entnervt die Konsequenz gezogen: Verkauf! Da gebe es kein Zurück mehr. Wie der Vorbesitzerin soll es ihr nicht ergehen: „Die hat sechs Jahre gesucht, bis ich das Haus dann übernommen habe.“ Bis sie Mitte 60 ist, will Caspers einen Nachfolger gefunden haben. Drei Monate dauert die Suche schon.

Das Bild zeigt das Hotel und Restaurant Breuer in Blankenheim-Ripsdorf.

Eine Traditionsadresse steht zum Verkauf: das auf Hotel und Restaurant Breuer in Ripsdorf.

Das Bild zeigt einen Blick in den Saal des Hotel-Restaurant Breuer in Blankenheim-Ripsdorf. Der Boden wird erneuert, auf der linken Seite stehen einige Arbeitsgeräte.

70.000 Euro investiert Monika Caspers derzeit in einen neuen Boden für den Saal.

Es war ein schleichender Prozess, der Caspers zur Betriebsaufgabe gebracht hat: der anhaltende Negativstress, die dauernde Überbelastung, weil wieder mal jemand im Team fehlte, das ohnehin auf Kante genäht ist. Das konnte der Positivstress auf Dauer nicht mehr ausgleichen, den Caspers so gerne hat, „wenn hier Schmitz Katze abgeht, weil so viel los ist“, etwa im Karneval. Die bekannte Betriebsnachfolgeproblematik kommt dazu, denn ihre Kinder haben sich gegen eine Fortführung entschieden und sind eigene berufliche Wege gegangen.

Der oft von Inhabern als weiterer Grund für eine Betriebsaufgabe genannte Sanierungsstau ziehe nicht, so Caspers. Man habe in der Vergangenheit immer wieder saniert, die fünf Doppelzimmer des Hotels seien auf neuestem Stand. Gerade wird für 70.000 Euro der Boden im Saal neu gelegt. Das deutet nicht darauf hin, dass zu wenige Gäste kommen – als Gaststätte gibt es das heutige Hotel Breuer seit mindestens 200 Jahren.

Über mangelnden Zuspruch der Gäste kann Monika Caspers nicht klagen

„Es liegt nicht an den Gästen. Im Gegenteil. Die Ripsdorfer halten uns die Stange, die sind toll“, sagt Caspers dankbar. Bei „Breuers“ finden Familienfeiern statt, dazu kommen die Touristen. Im Sommer und im Herbst sind es viele Wanderer. Der Parkplatz unterhalb des Hotels ist Ausgangspunkt der beliebten Eifelspur „Toskana der Eifel“, zudem führt der „Brotpfad“ ab Ripsdorf nach Blankenheim. Dazu kommen Motorradfahrer, zunehmend E-Biker und ab dem Frühjahr auch ganz besondere Gäste: Schmetterlingssucher. In der Umgebung gebe es vermutlich besonders viele und seltene Arten, mutmaßt Caspers.

480.000 Euro will sie für Hotel und Restaurant haben, so Caspers. Der Hofladen und die zum Betrieb gehörende kleine Landwirtschaft sind ausgenommen, die will sie weiterführen. Der Makler hat ihr bislang wenig Hoffnung gemacht: Der Markt sei ruhig, auch im benachbarten Belgien. Kein Kaufinteressent in Sicht.

Bei der anhaltenden Fachkräftemisere ist die Bilanz noch entmutigender: An die 50 Adressen habe sie zwischenzeitlich über die Agentur für Arbeit erhalten, nachdem Stellenanzeigen und Mundpropaganda erfolglos waren. Einer habe sich dann als Koch vorgestellt – und abgesagt. Warum man denn in der Gastronomie so viel arbeiten müsse? Die Frage hat Monika Caspers nicht zum ersten Mal gehört. Die guten Kräfte seien eben alle in Anstellung, sagt sie und zuckt mit den Schultern.

Auch das Restaurant „Heimatliebe“ in Zülpich schließt

Und wenn sie „Bei Breuers“, wie man die Adresse in der Region nur nennt, nicht los wird? Dann wolle sie Wohnungen einbauen lassen, sagt Caspers: „Aber das muss dann jemand anderes machen.“ In Ripsdorf würde es dann neben der sporadischen Öffnung des Gasthauses Huth-Hammes keine Gastronomie mehr geben. Bis dahin läuft nach außen alles wie gewohnt: Die Karnevalssitzungen sind gebucht, der Saalbelegungsplan füllt sich auch nach Aschermittwoch.

Was sie denn dann machen wolle, eines nicht so fernen Tages, so oder so? „Ich kaufe mir einen Pommes-Wagen und fahre zur Kirmes oder an Karneval vor die Säle.“

Caspers ist mit ihren Problemen nicht allein. Wenige Stunden nach dem Gespräch in Ripsdorf ploppt die nächste Nachricht auf: Auch das Restaurant „Heimatliebe“ im Zülpicher Hotel Europa schließt. „Aufgrund von Personalmangel“, so teilt Inhaberin Irmgard de Vries mit, bleibt ab dem 28. Oktober die Küche kalt. Man bedanke sich bei den Gästen für ihre Treue.


20 Betriebe im Kreis Euskirchen geben nach Corona und Flut auf

Keine Überraschung ist der Fall Breuer – weder für den Hotel- und Gaststättenverband Nordrhein (Dehoga), zu dem der Kreisverband Euskirchen gehört, noch für die Stabsstelle Struktur- und Wirtschaftsförderung des Kreises oder die Nordeifel Tourismus GmbH (NET) in Kall. „In diesem Jahr verspüren wir die mit Abstand zahlenmäßig meisten Betriebsaufgaben. So viele gab es weder während oder nach Corona noch nach der Hochwasserkatastrophe 2021“, so Christoph Becker, Geschäftsführer des Dehoga Nordrhein.

In diesem Jahr verspüren wir die mit Abstand zahlenmäßig meisten Betriebsaufgaben. So viele gab es weder während oder nach Corona noch nach der Hochwasserkatastrophe 2021.
Christoph Becker, Dehoga Nordrhein

Neben Fachkräftemangel und Nachfolgeproblemen findet Becker andere Ursachen gravierender: teilweise drastische Preissteigerungen bei Lebensmitteln, Energie- und Personalkosten und vor allem die Rückkehr zum alten Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Diesen Problemmix können nach seiner Einschätzung selbst gute Umsätze nicht kompensieren, nicht alle Preissteigerungen würden von den Gästen akzeptiert.

Die toxische Ursachenmischung bestätigt die NET, in deren Zuständigkeitsbereich rund 50 Hotel- und 300 Gastronomiebetriebe sind, so Geschäftsführer Patrick Schmidder. Seinen Angaben zufolge haben 20 Betriebe im Kreis nach Corona-Krise und Hochwasserkatastrophe 2021 keinen Neuanfang geschafft. Fachkräftemangel, Nachfolgeproblematik und auch hoher Investitionsbedarf seien die Hauptgründe für die Schließungen der überwiegend inhabergeführten Betriebe.

Im Kreis Euskirchen gibt es zahlreiche Angebote für die Betriebe

In Zusammenarbeit mit der Struktur- und Wirtschaftsförderung des Kreises wurden verschiedene Angebote entwickelt, um Inhabern zu helfen. Dabei sind die genannten Probleme bei Betrieben sowohl an touristischen Hotspots als auch an eher abgelegenen Destinationen zu finden. „Wenn ein Betrieb dauerhaft erfolgreich sein möchte, geht es im Wesentlichen um ein tragfähiges Konzept, in dem Qualität, Service und der Fokus auf eine Zielgruppe wichtig sind“, so Schmidder.

Über die Tourismuswerkstatt Eifel werden kostengünstige Weiterbildungsangebote für Betriebsinhaber, etwa zum Thema Arbeitgeberattraktivität, veranstaltet, dazu gehören über ein Leader-Projekt auch Hilfen bei der Fachkräftegewinnung. Adresse für Hilfen verschiedenster Art ist die Stabsstelle Struktur- und Wirtschaftsförderung des Kreises Euskirchen, mit der NET und Dehoga kooperieren. Unter anderem gibt es Beratungstage. Das Informationsangebot „Unternehmensnachfolge in Hotel- und Gastgewerbe“ ist, ausgehend von einem 2017 initiierten Leader-Projekt, kostenlos. Dabei können sowohl Inhaber wie Betriebsnachfolger beraten werden, inklusive einer Förderberatung.

Das Regionale Wirtschaftsförderprogramm wurde Anfang 2022 als weiteres Unterstützungsangebot aufgenommen. Zur Fördergebietskulisse gehört der Kreis mit Ausnahme der Stadt Euskirchen. Das Land NRW fördert dabei Investitionsvorhaben vor allem bei kleinen und mittleren gewerblichen und touristischen Unternehmen. Auch Hotelbetriebe können unterstützt werden.

Weitere Angebote sind etwa die Fachkräftevermittlung in Zusammenarbeit mit verschiedenen Personalvermittlungsangeboten, die auch im Ausland nach Fachkräften für die Tourismusbranche suchen, und die kostenlose Möglichkeit, über das neue Karriereportal des Kreises Euskirchen freie Stellen bekanntzumachen. Es ist mit weiteren 16 Stellenportalen verknüpft. Zu allen Angeboten gibt es Informationen im Internet.