AboAbonnieren

Dehoga-Lounge in EuskirchenWie Hotel- und Gastrobranche den Krisen trotzt – Mehr Ruhetage

Lesezeit 5 Minuten
Das Bild zeigt eine Kellnerin, die im Außenbereich des Cafés auf einem Tablett Wasser und Kaffee transportiert.

Servicekräfte sind immer schwerer zu finden. Im Münstereifeler Boutiquehotel Marielle und im angrenzenden Café klappt es aber gut.

Etwa 200 Gäste waren zum Branchentreffen der Dehoga in die Alte Tuchfabrik gekommen. Die Sorgen wurden verdrängt. Party für Einsatzkräfte.

Von Krisen in der Branche, von steigenden Kosten und fehlendem Personal – von alledem war bei der Dehoga-Lounge in der Feuerhalle an der Alten Tuchfabrik zwischen Euskirchen und Euenheim nicht viel zu spüren. Bei dem Branchentreffen, das erstmalig im Kreis Euskirchen stattfand, feierten sich Akteure ein wenig selbst oder verdrängten für ein paar Stunden die Probleme, die allgegenwärtig sind.

Veranstaltungen wie die Dehoga-Lounge seien wichtig für die Branche, wichtig für jeden einzelnen. Dabei gehe es nicht nur ums Netzwerken, sagte der Euskirchener Patrick Rothkopf, Präsident der Dehoga-Nordrhein: „Wenn man gemeinsam geweint hat, ist alles nur noch halb so schlimm. Wenn man sich gemeinsam freut, ist alles doppelt so schön.“

Feuerhalle: Euskirchenerin überzeugt mit Konzept den Alte-Tuchfabrik-Chef

Daran, dass es am Montagabend rund um die Feuerhalle der Alten Tuchfabrik „schön“ war, hatte Kirsten Hannewald einen großen Anteil. Sie ist seit gut einem Jahr die Chefin der Eventlocation Feuerhalle. Dort kann nicht nur geheiratet, sondern auch ordentlich gefeiert werden. Dabei hatte Alte-Tuchfabrik-Chef Martin Schommer mit dem Bereich eigentlich anderes vor. Laut Hannewald sollten dort Büros entstehen. Die Euskirchenerin, die die Halle bereits aus früheren Zeiten kannte, setzte sich hin, kreierte ein Konzept und überzeugte damit Schommer.

Während Hannewald den Beweis antritt, dass sich auch in schwierigen Zeiten Neueröffnungen lohnen können, kämpfen andere Betriebe mit der Ist-Situation. So hat beispielsweise das Stadtwaldvinum in Euskirchen nach der Corona-Pandemie einen zweiten Ruhetag eingeführt. Der Grund: Personalmangel.

La Cucina di Tritone mit weiterem Ruhetag zum Wohl der Mitarbeiter

Auch La Cucina di Tritone an der Kölner Straße in Euskirchen hat mittlerweile Dienstag und Mittwoch geschlossen, um den Angestellten ihr Wochenende zu gönnen – wenn auch mitten in der Woche. Ohne diesen Doppel-frei-Tag habe man kaum Chancen, neue Mitarbeiter zu finden, so Stefanos Koutis, der neben dem La Cucina di Tritone auch das Restaurant Poseidon in Euskirchen und die Wolfsschlucht in Bad Münstereifel betreibt. Dort sieht es allerdings etwas anders aus. Sowohl im Poseidon als auch in der Wolfsschlucht gibt es nur einen Ruhetag.

Laut Nadine Heinen, die die Wolfsschlucht bei der Dehoga-Lounge vertrat und seit 15 Jahren in der Gastronomie tätig ist, hat das Restaurant an sechs Tagen geöffnet, der Hotelbetrieb an sieben. Eineinhalb Jahre sei der Betrieb nach der Flut geschlossen gewesen. „Mitarbeiter haben wir in der Zeit nicht verloren, weil sie in Euskirchen arbeiten konnten“, so Heinen. Die Auslastung sei gut – auch durch die Touristen, die täglich nach Bad Münstereifel kämen. „Die Vielfalt in der Stadt ist besser als die in Euskirchen“, so Heinen.

Das Bild zeigt eine Frau, die einen Becher Eis an einen Gast weitergibt.

Bei der Dehoga-Lounge in Euskirchen gab es für die Gäste auch Eis.

Das Bild zeigt Patrick Rothkopf, der ein Glas Wasser in der Hand hält. Um ihn herum stehen einige Gäste der Dehoga-Lounge.

Dehoga-Nordrhein-Präsident Patrick Rothkopf (M.) lobte die Branche für ihren Elan und ihre Widerstandsfähigkeit.

Auch Bäckermeister Torsten Lennartz aus Kuchenheim berichtete, dass es schwieriger geworden sei, Mitarbeitende für den Verkauf zu gewinnen. Wo all die Aushilfen und Angestellten hin sind, die vorher in der Branche aktiv waren? „In die Industrie“, sagt Lennartz. Dort könne man zu besseren Arbeitszeiten mindestens das gleiche verdienen wie in der Gastronomie.

Gastronomen haben mit zahlreichen Krisen zu kämpfen

„Wir haben Multikrisen-Situationen mitgemacht – mit Corona, mit der Flut und mit der Energiekrise“, führte Dehoga-Nordrhein-Präsident Rothkopf aus. So ganz nebenbei sei zum 1. Januar 2024 die Mehrwertsteuer wieder auf den regulären Satz von 19 Prozent gestiegen, was Essen gehen vielerorts ebenfalls noch einmal teurer gemacht haben dürfte. Um die Gastronomie während der Corona-Pandemie zu entlasten, war der Steuerersatz für Speisen in Restaurants und Cafés vorübergehend von 19 auf sieben Prozent gesenkt worden.

Wir haben auch noch mit anderen behördlichen Gängelungen zu kämpfen.
Patrick Rothkopf, Präsident Dehoga-Nordrhein

„Wir haben auch noch mit anderen behördlichen Gängelungen zu kämpfen“, klagte Rothkopf: „Der Kostendruck wird immer krasser, der Verwaltungsaufwand wird immer größer. Wir wissen bald nicht mehr, wo uns der Kopf steht.“ Ausführungen, die von vielen Anwesenden mit einem Kopfnicken bestätigt wurden.

Und die bürokratischen Anforderungen werden nicht geringer. Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) werden private Wirtschaftsakteure, also auch Gastronomen und Hoteliers, dazu verpflichtet, Barrierefreiheits-Anforderungen einzuhalten. Relevant für die Branche seien Dienstleistungen, die im elektronischen Geschäftsverkehr erbracht werden, erklärt Experte Rothkopf: „Darunter fallen beispielsweise Tischreservierungen, die über die Webseite des Restaurants getätigt werden können oder auch die Bestellung von Speisen über die Webseite. Auch Hotelreservierungen fallen unter das Gesetz.“

Tausende Hotelzimmer wurden nach der Flutkatastrophe bereitgestellt

Es sei unheimlich wichtig, so der Präsident Dehoga-Nordrhein, dass man gemeinsam, geschlossen für seine Ziele einstehe. „In unserer Branche steckt so viel Power, so viel Elan, so viel Hilfsbereitschaft“, so Rothkopf. Das habe man allein schon in den ersten Tagen nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 gespürt.

„Wir haben Tausende Hotelzimmer kostenfrei zur Verfügung gestellt. Kollegen sind mit Essen in die Straßen gefahren, um es an Betroffene und Helfer zu verteilen“, sagte der Euskirchener: „In unseren Betrieben findet so viel statt, was eine Gesellschaft lebenswert macht. Wir haben eine große Rolle, weil wir Familien teilweise von der Geburt bis zum Tod begleiten. Bei uns finden Feiern zur Geburt oder Hochzeiten oder Trauercafés statt.“ In der Gastronomie- und Hotelbranche sei „Diversität und Vielfalt schon gelebt worden, bevor die Politik beides überhaupt buchstabieren konnte“.

Das Bild zeigt die beiden Landräte auf der Bühne. Während Frank Rock gerade ins Mikrofon spricht, lächelt ihn sein Kollege Markus Ramers an.

Hatten ihren Spaß auf der Bühne: Rhein-Erft-Landrat Frank Rock (l.) und sein Kollege Markus Ramers.

Das Bild zeigt einige Teilnehmer an dem Branchentreffen in Euskirchen.

Im Innenhof der Alten Tuchfabrik und in der Feuerhalle der ehemaligen Tuchfabrik zwischen Euskirchen und Euenheim fand die Dehoga-Lounge statt.

Apropos Politik: Euskirchens Landrat Markus Ramers war – genau wie sein Kollege Frank Rock aus dem Rhein-Erft-Kreis und einige weitere politische Vertreter aus dem Kreis Euskirchen – ebenfalls bei der Dehoga-Lounge.

Laut Ramers unternahmen die Gäste 8,7 Millionen Tagesreisen in den Kreis. 1,295 Millionen Übernachtungen verzeichneten die Betriebe zwischen Weilerswist und Losheim. 345,8 Millionen Euro ließen Touristen im vergangenen Jahr als Bruttoumsatz im Kreis Euskirchen.

„Die Gastronomie- und Hotelbranche ist unheimlich wichtig für uns“, so der Landrat, der jüngst ein Tagespraktikum in einer Eisdiele absolviert hat: „Ich hatte Probleme, die Bällchen in der richtigen Form und Größe aufs Hörnchen zu bekommen, aber es hat Spaß gemacht.“ Ansonsten habe es bisher im Bereich Gastro nur zur Spülhilfe auf dem Campingplatz in Freilingen gereicht.

Sein Landratskollege Rock kann nach eigenem Bekunden etwas mehr Erfahrung aufweisen. Sein Vater sei Geschäftsleiter eines „Wienerwald“-Restaurants gewesen. Entsprechend sei er ein Kind der Branche. „Wir brauchen in der Politik ein offenes Ohr für die Hoteliers und Gastronomen, weil sie eine so wichtige Rolle spielen“, so Rock.


Euskirchener Einsatznacht

In der Feuerhalle in der Alten Tuchfabrik findet am Samstag, 5. Oktober, ab 18 Uhr die erste Euskirchener Einsatznacht statt: eine Party für Polizei, Rettungsdienst, Feuerwehr, Krankenhäuser, THW und Amtsgericht. Ausgedacht hat sich das Konzept Max Hannewald, Sohn der Feuerhallen-Chefin. Der junge Euskirchener ist selbst bei der Polizei. Der Eintritt kostet im Vorverkauf 13 Euro, an der Abendkasse 15.