„Wander Woman“ Christine Thürmer berichtete im Stadttheater in Euskirchen von ihren Erlebnissen auf insgesamt 65.000 Kilometern.
65.000 Kilometer zurückgelegt„Wander Woman“ berichtet in Euskirchen über ihre Erlebnisse
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Humorvoll und selbstironisch berichtete Christine Thürmer von ihren Erlebnissen.
Copyright: Cedric Arndt
Der Himmel erstrahlt in den Tönen des Sonnenaufgangs. Von ihrem erhöhten Zeltplatz aus hat Christine Thürmer einen kilometerweit reichenden Blick über das Meer. Die leidenschaftliche Wanderin hätte wahrscheinlich noch Hunderte von ähnlich beeindruckenden Fotografien präsentieren können. Aber sie betonte gleich zu Beginn, dass dies das einzige postkartenreife Bild des Abends im Euskirchener Stadttheater bleiben solle.
Einen mindestens ebenso tiefgreifenden Eindruck haben auf ihren Reisen nämlich fiese Störenfriede hinterlassen: Blutegel, schlechtes Wetter und andere unangenehme Begleiter. Doch auch die gehören zum Alltag einer Langstreckenwanderin. „Manche fragen sich jetzt vielleicht, warum ich solche ekligen Bilder zeige. Sollte ich heute Abend nicht eher Werbung für das Wandern machen?“, so Thürmer. Sie wolle alle Seiten ihres Hobbys beleuchten, sagt Thürmer. Diesem Hobby verdankt sie nach 65.000 gewanderten Kilometern sogar den Titel „Wander Woman“. In Euskirchen gab sie einen humorvollen und selbstreflektiert ironischen Einblick in diese Reisen, bei denen Blutegel nicht den einzigen Schrecken darstellen sollten.
Christine Thürmer hat beim Wandern 50 Paar Schuhe durchgelaufen
Mit den zurückgelegten Kilometern hätte Christine Thürmer mehr als eineinhalbmal den Erdball umrunden können. Rund 2000 Nächte, berichtete sie, habe sie im Zelt mitten in der Natur verbracht, 40 Länder durchquert, mehr als 50 Paar Schuhe durchgelaufen und zahlreiche Aufs und Abs erlebt. „Besonders stolz bin ich aber auf eine andere Zahl. Und zwar habe ich auf diesen Reisen etwa eine halbe Tonne Schokolade verspeist.“
Den Anfang habe diese Passion durch den Verlust ihrer Arbeit im Jahr 2004 genommen: „Während andere Menschen sich jetzt nach einem anderen Job umgesehen hätten, dachte ich mir, dass ich doch völlig ohne Erfahrung und ohne Orientierungssinn auf eine gut 4000 Kilometer lange Wanderung gehen könnte.“ Den Pacific Crest Trail, der von der mexikanischen Grenze quer durch die USA bis zur kanadischen Grenze führt, hatte sich die damals 37-Jährige für ihre erste Wanderung ausgewählt. Abzüglich der Ruhetage hatte sie dafür innerhalb von fünf Monaten täglich mehr als 30 Kilometer zu absolvieren.
Glöckchen am Rucksack lockte Grizzlybären an
Eine Herausforderung, an der 80 Prozent der Starter scheitern. Als Gründe dafür nennt Thürmer nicht nur die tägliche Überwindung, sondern auch Begegnungen mit Grizzlybären. „Ich habe extra ein kleines Glöckchen an meinem Rucksack angebracht, damit die Bären gewarnt sind. Leider hat sich herausgestellt, dass das Klingeln die Bären an Vogelgezwitscher erinnert und darum eher den gegenteiligen Effekt erzielt“, berichtete Christine Thürmer lachend. Stattdessen habe sich die menschliche Stimme als deutlich effektiveres Mittel zur Abschreckung erwiesen. Also sei sie singend durch einen kompletten Bundesstaat gezogen.
Doch warum nimmt sie solche Strapazen überhaupt auf sich? Diese und viele weitere Fragen wurden im Stadttheater beantwortet. „Während dieser ersten Wanderung über gut 4000 Kilometer habe ich festgestellt, dass dies die schönste Zeit meines Lebens war.“ Dinge wie Karriere oder Geld, die ihr zuvor so wichtig erschienen seien, seien plötzlich in den Hintergrund gerückt und durch die Erkenntnis ersetzt worden: „Es geht auch ohne.“ Nach den fünf Monaten fand sie, nicht zuletzt auch durch ihr unter Beweis gestelltes Durchhaltevermögen, schnell eine neue Arbeitsstelle. Doch diese Tätigkeit wurde bald darauf durch die nächste Wanderung unterbrochen.
Unterstützt durch Bilder, die auf einer Leinwand präsentiert wurden, ließen die lebhaften Schilderungen der einzelnen Situationen die Zuhörer tief in die Erlebnisse eintauchen. Gelegenheiten zum Staunen und Lachen gab es reichlich – etwa beim Bericht über den nicht enden wollenden Dauerstreit mit Wanderpartner Bob, dem sie letztlich auch die Entscheidung verdankt habe, nur noch allein zu wandern, oder der Schilderung der Trinkwasserversorgung aus Tiertränken, als keine Wasseranschlüsse in Reichweite waren. Auf vieles hat sie jedoch selbst noch keine Antwort gefunden – etwa, wenn sie sich selbst die Frage stellt, warum man ihr nach 65.000 gewanderten Kilometern ihre Fitness nicht ansehen könne.