Euskirchens Küfer Joos ist nach der Corona-Pause eigentlich zu alt für das Amt des Karnevalsoberhaupts – das sieht man auch an der Kleidung.
Eigentlich zu alt für KinderkarnevalEuskirchener Küfer muss nach langer Wartezeit improvisieren
Zweimal elf Zentimeter – so lange musste Küfer Joos (Tews) auf seine Proklamation warten. 2021: Absage wegen Corona. 2022: Absage wegen Corona, hinzu kam die Flutkatastrophe. 2023 war Küfer Joos dann nicht mehr 1,55 Meter, sondern 1,77 Meter groß. Die ursprüngliche rote Küfer-Weste ist zu klein, die Hose hat ein wenig Hochwasser.
Euskirchener Küfer ist eigentlich zu alt für sein Amt
Dafür ist der Spaß an der Freude unverändert. „Es ist ein Traum in Erfüllung gegangen“, sagt der Küfer, der das erste karnevalistische Oberhaupt der jungen Kreisstadtjecken ist, das nicht zur Schule geht, sondern schon in der Ausbildung ist. Und zu alt ist er eigentlich auch mittlerweile, weil die Altersgrenze bei 16 Jahren liegt, Joos aber in diesem Jahr noch 17 wird. 16 oder 17 – Hauptsache Küfer. Wenngleich es auch im dritten Anlauf nicht ohne Drama ging.
Einen Tag vor der geplanten Proklamation meldete sich Euskirchens Bürgermeister Sacha Reichelt mit Corona ab. „Im Notfall hätte ich ihn in meinem Wohnzimmer proklamiert“, sagt Yvonne Kremp, die seit 2018 die Küfer der Kreisstadt betreut. Doch das war nicht nötig.
Schließlich sind aller guten Dinge drei und die stellvertretende Bürgermeisterin Sandra Eisermann übernahm im Casino für den Verwaltungschef. Und ehe sich’s Joos versah, hatte er seinen Hammer in der Hand und war proklamiert.
Berufsschüler muss für den Karneval keinen Urlaub nehmen
Da er einen Unterrichtsblock am Thomas-Eßer-Berufskolleg hat, muss der Berufsschüler, der eine Ausbildung zum Elektriker macht, keinen Urlaub für seine Küfer-Auftritte nehmen. Genauer gesagt macht er eine Ausbildung zum Betriebstechniker. „Ich werde also nicht in Privathaushalten arbeiten, sondern in der Industrie“, erklärt der Euskirchener, der in einem karnevalistisch gespaltenen Haushalt aufgewachsen ist.
Sein Vater Jochen Tews ist Jungfrau im aktuellen Dreigestirn der Stadt Euskirchen und Mitglied der Prinzengarde, Mutter Steffi hält es eher mit Gold-Rot und ist bei der Euskirchener Narrenzunft. Ganz nah dran am Küfer werden in den kommenden Wochen die sogenannten Equipe-Kids sein – und natürlich Küfer-Betreuerin Yvonne Kremp.
Die Euskirchenerin hat auch in dieser Session wieder das Motto für ihren Schützling geschrieben. Die Equipe-Kids um Adjutant Ben Hannewald kümmern sich beispielsweise darum, dass keine Kamelle für die Auftritte vergessen werden, dass der Knoten des Halstuchs korrekt gebunden ist oder, dass der Hammer nicht bei einer Veranstaltung liegen bleibt.
Euskirchener Küfer Joos hat noch 60 Auftritte
Etwa 60 Auftritte stehen für Küfer Joos auf dem Programm. Die meisten davon an Weiberdonnerstag. „An diesem Tag ist alles durchgetaktet. Genießen wird da schwierig, aber natürlich macht das Spaß“, sagt Kremp. Meistens seien es während der Session noch deutlich mehr Auftritte.
Aber der Mittwoch vor dem Weiberdonnerstag sei in diesem Jahr sehr ruhig. „Normalerweise sind wir da in Seniorenheimen oder Kindergärten. Aber da merkt man auch in diesem Jahr noch die Flut deutlich“, so Kremp, die nach zwei weiblichen und einem männlichen ihren vierten Küfer durch die Session bringt.
Euskirchener Mädchen brauchen länger im Bad als die Jungs
„Die Jungs brauchen natürlich nicht ganz so lange im Bad“, sagt Kremp augenzwinkernd. Küfer Joos benötige etwa eine Viertelstunde. Der Kulturbeutel, der mit auf Tour geht, sei beim aktuellen Oberhaupt auch ein wenig kleiner. „Da ist Gel, Deo und ein Kamm drin“, verrät der 16-Jährige, der sich von seinem ersten Azubi-Gehalt den Traum von der Mitgliedschaft beim 1. FC Köln verwirklicht hat. „Ich bin so oft es geht im Stadion“, so der Euskirchener.
Mit dem Karnevalsvirus ist Joos Tews seit seiner Kindheit infiziert. „Ich habe Küfer Sophia in ihrer Session 2018 begleitet. Spätestens da stand fest, dass ich das auch mal machen will“, sagt das jetzige Oberhaupt der Pänz. Zu einem Termin sei er damals sogar mit dem Taxi nachgekommen, nur um Teil des Teams sein zu können. „Das ist eine echte verschworene Gemeinschaft“, sagt der Küfer, der nicht nur von Yvonne Kremp auf die Session, auf die Auftritte vorbereitet worden ist.
Bei Patrick Rothkopf, leidenschaftlicher Sänger und mehrfacher Adjutant der Kreisstadt, gab es für den 16-Jährigen Sprechtraining. Das habe sich schon ausgezahlt, sagt der Berufsschüler: „Ich trage jetzt auch mal ein Referat vor.“ Und auch seine Rede vor mehreren Hundert kleinen und großen Jecken im Casino meisterte er ganz souverän.
Nach dem ersten Höhepunkt werden weitere folgen: Der Kinderzug mit neuem Weg durch die Stadt (siehe „Nicht alle alten Zöpfe abschneiden“). Und dann steht da auch noch so etwas Kleines wie der Rosenmontagszug von Euskirchen auf dem Programm. „Ich nehme das alles mit. Ich freue mich auf den Straßenkarneval“, so der Küfer.
Der Höhepunkt einer jeden Küfer-Session? Der Kinderzug am Sonntag vor dem Straßenkarneval. „Darauf freue ich mich schon sehr“, sagt die Tollität der Euskirchener Pänz, Küfer Joos (Tews).
Auch Annika Pesch freut sich auf den jecken Lindwurm, doch bei ihr schwingt schon jetzt eine gewisse Nervosität mit. Der Grund: Sie leitet und organisiert erstmals den Kinderzug. 14 Gruppen haben bereits zugesagt. Weitere können bis Ende des Monats noch folgen. Schon jetzt seien es deutlich mehr als 600 Teilnehmer. „Gefühlt schaue ich schon jetzt auf die Wetter-App“, sagt Pesch, die bei der Organisation von ihrem Mann Marc unterstützt wird.
Beide haben den Karneval im Blut. Sie war unter anderem Bauer im ersten weiblichen Dreigestirn der Stadt. Zuletzt lag der Kinderzug in der Verantwortung ihres Vaters Peter Schumacher. „Natürlich habe ich mir Tipps geholt“, so die neue Chefin. Sie habe aber auch eigene Ideen fürs kommende Jahr. Man könne ja nicht direkt alle alten Zöpfe abschneide, sagt Pesch.
Etwas muss aber zwangsläufig anders sein als vor der Corona-Pandemie: der Zugweg. Weil Berliner Straße und Neustraße saniert werden, ziehen die Jecken samt Küfer auf neuer Route durch die Innenstadt.