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Pionierarbeit geleistetPalliativstation besteht seit 20 Jahren im Marien-Hospital Euskirchen

Lesezeit 5 Minuten
Eine Pflegerin hält die Hand einer kranken Frau.

Schöne Momente in der letzten Lebensphase zu schaffen hat sich das Team der Palliativstation auf die Fahne geschrieben.

Seit 20 Jahren gibt es im Euskirchener Marien-Hospital die Palliativstation. Sie sei nicht unbedingt die Endstation, sagt Michael Loick.

Da war dieser Vater, der im Sterben lag und seit zehn Jahren keinen Kontakt mehr zu seinem Sohn hatte, weil er in Australien sein Glück gefunden hatte. Da war dieser Strafgefangene, der todkrank war und dessen letzter Wunsch es war, seinen Vater noch einmal zu sehen. Und da war dieses Team der Palliativstation des Euskirchener Marien-Hospitals, das den Kontakt zu dem jungen Mann in Australien herstellte, der sich in den nächsten Flieger setzte und keine 24 Stunden später seinen Vater in den Arm nahm.

Oder das es nach langen Gesprächen schaffte, dass der Gefangene der JVA in Handschellen vors Krankenhaus durfte, um da ein letztes Mal seinen Vater zu sehen. Traurige, aber eben auch schöne Momente. Momente, die bei Prof. Dr. Michael Loick, Facharzt für Anästhesiologie, und Dr. Arvid Bonn, Oberarzt in der Anästhesie, auf der Palliativstation hängengeblieben sind. Seit 20 Jahren gibt es die im Marien-Hospital Euskirchen.

2004 waren die Euskirchener deutschlandweit Pioniere

2004 sei man in Euskirchen deutschlandweit eine Art Pionier gewesen. Es habe kaum Palliativmediziner gegeben, erinnert sich Loick: „Und die Station war eine der ersten in Deutschland überhaupt.“

Er habe damals bei der Geschäftsführung offene Türen eingelaufen, erinnert sich Loick. Auch der Förderverein habe sofort finanzielle Unterstützung signalisiert – beispielsweise für die Ausstattung der Zimmer. „Es war klar, dass die Abteilung für Anästhesie die Koordination und Konzeption des Projekts übernimmt. Wir hatten die entsprechenden Ausbildungen und Ausbildungskonzepte“, so der Experte für Schmerzmedizin.

Die Herausforderung war, Strukturen für die Palliativstation zu schaffen

Und wie waren die Anfänge der Palliativmedizin in Euskirchen? „Wir hatten schon Sorgen, wie wir bei den Patienten der Symptomkontrolle gerecht werden. Das haben wir aber hinbekommen. Die Herausforderung war, Strukturen zu schaffen, Netzwerke zu knüpfen, so dass der Patient auch zu Hause oder im ambulanten Bereich weiter versorgt wird“, erinnert sich Bonn.

Prof. Dr. Michael Loick, Oberarzt Dr. Arvid Bonn, Dr. Uta Maria Krämer und Schwester Uschi stehen auf dem Krankenhausflur.

Der Mensch steht für Prof. Dr. Michael Loick, Oberarzt Dr. Arvid Bonn, Dr. Uta Maria Krämer und Schwester Uschi immer im Mittelpunkt.

Letztlich habe es funktioniert, genau diese Netzwerke aufzubauen – auch dank des Engagements von Organisationen, Hospizen, Pflegediensten und Hausärzten, so Loick. Die Schmerzmedizin sei damals der Ursprung der Überlegungen gewesen. „Schmerzen zu behandeln und Schmerzen tatsächlich gut zu behandeln ist etwas, das einen als Arzt befriedigt und vor allem viele Patienten glücklich macht“, so Loick. Der Schmerz sei eines der führenden Symptome im Bereich der Palliativmedizin.

In den zwei Jahrzehnten ist im Marien-Hospital viel passiert

Und gerade in der Schmerzambulanz seien zu dem Zeitpunkt schon viele Patienten gewesen, die Tumore hatten, die aufgrund ihrer Erkrankungen Schmerzen in den Knochen hatten, Schmerzen in bestimmten Organen. „Das war der Grundbaustein, dass ich gesagt habe: Das ist eine besondere Patientenklientel, die auch davon profitiert, psychisch begleitet zu werden in dieser Endphase des Lebens. Und daraus ist die Idee der Palliativmedizin hier am Marien-Hospital entstanden“, erinnert sich Loick.

In den zwei Jahrzehnten sei viel passiert. Zuletzt habe es neue Möbel gegeben, es sei tapeziert worden. Nach 20 Jahren sei an vielen Stellen einfach der Lack ab gewesen. Was sich aber nie geändert habe, ist, dass die Palliativstation auf der vierten Etage des Marien-Hospitals eine kleine, familiäre Station sei.

An manchen Tagen könnten wir deutlich mehr als zehn Betten belegen.
Dr. Michael Loick

„Bei uns hat nie der Charme der Hochleistungsmedizin Einzug gehalten“, sagt Loick. Sieben Betten stehen auf der Palliativstation. Vollbelegt ist die Station eigentlich nie. „An manchen Tagen könnten wir deutlich mehr als zehn Betten belegen. Aber wir verzichten dann gerne“, so Loick. Nicht, weil der Bedarf nicht da ist, sondern will man Platz für Angehörige freihalten möchte.

„Rooming in“ nennt man das im Marien-Hospital. „Wenn jemand im Sterben liegt, dann darf die Familie dazu, damit der Patient in Würde mit seiner Familie oder bei seiner Familie gehen darf. Und dann legt man in der Phase natürlich in dieses Zimmer keinen zweiten Patienten. Die Familie bleibt nachts dabei“, erklärt der Mediziner.

Die ganzheitliche Betreuung steht im Vordergrund

Im Jahr seien es etwa 170 Patienten, größtenteils aus dem Kreis Euskirchen, die auf der Palliativstation behandelt werden. In den vergangenen 20 Jahren seien es entsprechend etwa 3000 Patienten gewesen. Dr. Arvid Bonn ist einer von drei Ärzten, die im Wochenwechsel auf der Station arbeiten, Hand in Hand mit sechs Fachpflegern, einer Physiotherapeutin, einem Sozialarbeiter, einer Seelsorgerin und einer Psycho-Onkologin.

Eine ganzheitliche Betreuung steht im Vordergrund, Luftnot und Schmerzen werden hier genauso ernst genommen wie Ängste oder die Sorge, die Station nicht mehr verlassen zu können. „Dabei sind wir hier keine Endstation, wie viele denken. Weniger als die Hälfte der Patienten stirbt hier“, so Arvid Bonn. Die meisten verlassen das Krankenhaus wieder – meist mit wesentlich mehr Lebensqualität als zuvor.

Die Palliativstation ist nicht unbedingt die Endstation des Lebens.
Dr. Michael Loick

„Viele Menschen haben mehr Angst vor dem Sterben als vor dem Tod. Und genau das können wir ihnen in einer modernen palliativmedizinischen Einheit bieten, nämlich die Angst zu nehmen, dass sie qualvoll in den Tod gehen“, sagt Loick: „Die Palliativstation ist nicht unbedingt die Endstation des Lebens. Wir hatten Patienten mit Erkrankungen, die nicht heilbar sind. Wir konnten aber in jeder Phase ihre Erkrankung behandeln und sie auch oft nach Hause oder in eine andere Einrichtung entlassen.“

Das primäre Ziel sei es, die Symptomlast zu senken. Egal, ob Schmerzen, Luftnot, Übelkeit, ob Ängste, ob Schlaflosigkeit oder Verstopfungen. „Also alles, was einen belastet, an Symptomen zu lindern“, so Bonn: „Ich glaube, das ist der große Unterschied natürlich auch zum Hospiz.“ Eine Gemeinsamkeit mit Hospizen: Der Patient, der Mensch, steht im Mittelpunkt.

Entsprechend entschleunigt geht es zu. Arzt und Pflegerin nehmen sich Zeit für jeden Einzelnen, hören sich alle Sorgen an, beantworten geduldig Fragen. Die müssen sich gar nicht immer um Medizinisches drehen, sondern auch um Alltägliches. An den Wänden des Zimmers hängen Fotos von glücklichen Familienurlauben, lachende Gesichter, pralles Leben. Auch das ist auf der Station erlaubt. Im Mittelpunkt steht, dass sich der Patient so wohl wie möglich fühlt.

Das, was auf der Station im vierten Obergeschoss passiert, heißt für manch einen auch, dank der richtigen medikamentösen Einstellung die restliche Lebenszeit möglichst intensiv zu nutzen und vielleicht auch noch Dinge zu erleben, die wichtig für den inneren Frieden sind. Im Stationszimmer zeugen Fotos und Danksagungen von solchen Lebensereignissen: Auf Station vier wurden bereits Trauungen vollzogen und Goldhochzeiten gefeiert. Es ist eben eine Station, die schöne Momente schafft – auf den letzten Metern des Lebens.