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VerzögerungBezirksregierung pocht auf weitere Gutachten für Steinbachtalsperre

Lesezeit 5 Minuten
Die Luftaufnahme zeigt den Damm der Steinbachtalsperre bei Kirchheim. In der Mitte ist eine große Scharte zu sehen.

Im Damm der Steinbachtalsperre in Kirchheim klafft nach wie vor ein Loch. Wann wieder Wasser in der Talsperre ist, ist völlig unklar.

Die Bezirksregierung Köln pocht für die Steinbachtalsperre bei Euskirchen auf diverse Gutachten. Unter anderem verzögert ein Erdbebengutachten den Wiedereinstau.

Der Wiedereinstau der Steinbachtalsperre bei Kirchheim verzögert sich. Der Bezirksregierung Köln fehlt nun noch ein Bodengutachten. Ein neues Erdbebengutachten liegt bereits vor. Das berichtet Ilona Schäfer, Pressesprecherin der e-regio, die die Steinbachtalsperre im Auftrag des Wasserversorgungsverbands Euskirchen-Swisttal (WES) betreibt. Beide Gutachten dürften die Pläne des Betreibers zum Erschüttern bringen.

„Die Wahrscheinlichkeit, dass wir nachbessern müssen, ist deutlich größer, als dass wir es nicht tun müssen“, so Schäfer. Wie viel eventuell nachgebessert werden muss, hängt vom Bodengutachten ab. Ermittelt werden muss darin der Bodenkennwert im Bereich des Dammfußes. „Mit der Untersuchung sollen die aus früheren geologischen Gutachten bekannten Bodenkennwerte nochmals verifiziert werden. Es wird die Standfestigkeit des Untergrundes untersucht“, erklärt Schäfer.

Steinbachtalsperre: Gutachten liegen wohl in ein paar Wochen vor

Die Untersuchungen werden aktuell von dem für die Steinbachtalsperre zuständigen geologischen Gutachter ausgewertet. Mit ersten Ergebnisse sei in den nächsten Wochen zu rechnen. Die Berechnungen fließen in die anderen Gutachten ein, die die Bezirksregierung angefordert hat.

Beim Erdbebengutachten etwa musste anhand von Modellen berechnet werden, welche Kräfte bei einem theoretisch alle 2500 Jahre auftretenden Erdbeben auf den Damm wirken. Angenommen wird dabei ein Beben der Stärke 7 auf der Richterskala mit Epizentrum gleich unter dem Damm. Zum Vergleich: Die Beben in der Türkei und in Syrien im Februar dieses Jahres lagen bei um die 7,7.

Muss der Damm der Talsperre abgerissen werden?

Je nachdem, wie die Gutachten ausfallen, werden vor dem Wiedereinstau zusätzliche Baumaßnahmen am Damm erforderlich. Weil die Standfestigkeit des Damms nach Ansicht der Bezirksregierung dann womöglich nicht mehr gegeben sein könnte, ergeben sich zwei Szenarien:

Der jetzige Damm muss verstärkt werden – beispielsweise durch Stützbauten auf der Luftseite. Oder der Damm muss komplett abgerissen und neu gebaut werden. Beides würde viel Geld und Zeit kosten. Und Nerven kostet das Prozedere ohnehin – auch ohne Bodengutachten.

So eine massive Steigerung in so kurzer Zeit können wir nicht verstehen.
Sacha Reichelt, Bürgermeister von Euskirchen

Apropos Boden. Entscheidend sind für die Berechnungen nach Angaben von Euskirchens Bürgermeister Sacha Reichelt sogenannte Bodenrutschwerte. Vor dem Erdbeben in der Türkei haben sie an der Steinbachtalsperre 1,13 Meter pro Sekunde und Quadratmeter betragen. Jetzt seien es 2,45 Meter. Und eine Woche vor dem Schreiben der Bezirksregierung, dass ein neues Gutachten erstellt werden müsse, habe der Wert 1,45 Meter pro Sekunde und Quadratmeter betragen, so Reichelt: „So eine massive Steigerung in so kurzer Zeit können wir nicht verstehen.“

Der Bürgermeister ist irritiert: „Wenn wir solche Bemessungsgrundlagen anwenden, dann bauen wir keine Talsperren mehr. Es muss eine Risikoabwägung geben. Es ist aus meiner Sicht viel wahrscheinlicher, dass wir Wasser fürs Löschen eines Waldbrandes an der Steinbach benötigten, als dass es genau an dieser Stelle ein Erdbeben mit dieser Stärke geben wird.“ Man müsse manchmal mit einem Restrisiko leben.

„Ich stelle mich auch schon mal unter einen Lautsprecher oder Kronleuchter, der an Ketten hängt. Wohl wissend, dass die Ketten reißen können. Man geht ein Risiko ein“, so Reichelt, der relativiert: „Natürlich ist eine Talsperre ein besonderes Risiko.“

Stadt Euskirchen und e-regio legen Fokus auf die Waldbrandgefahr

Auch Schäfer betont die Waldbrandgefahr: „Ein Wasserreservoir an der Stelle der Steinbachtalsperre wäre von immenser Bedeutung, um vor dieser sehr präsenten Gefahr zu schützen.“

Aus Sicht des WES sei es wünschenswert, „wenn bei der Genehmigung zum Wiedereinstau neben der potenziellen Gefahr durch ein Erdbeben auch die vielfachen Nutzungen der Steinbachtalsperre angemessen berücksichtigt und miteinander abgewogen würden.“

Das Ziel des Wiedereinstaus und damit der Wiederherstellung des Stausees werde vom WES unverändert weiterverfolgt, versichert Schäfer auf Nachfrage. Aus Sicht von Reichelt ist damit in diesem Jahr aber nicht mehr zu rechnen. „Allein schon aufgrund der Witterung. Es ist doch eh schon nicht mehr viel Wasser in Bächen und Flüssen. Und bis alle Gutachten abgeschlossen, Bemessungsspielräume ausgelotet sind, werden noch Monate vergehen. Es ist einfach frustrierend.“ Mit einem schnellen und unbürokratischen Wiederaufbau habe das nichts zu tun.

Bei Reparaturarbeiten engen Kontakt zur Bezirksregierung gehalten

Alle Reparaturarbeiten am bei der Flut stark beschädigten Damm wurden laut der e-regio nach den aktuellen Regeln der Technik und in Abstimmung mit der Bezirksregierung ausgeführt. Und jetzt drohen weitere Arbeiten. Wie hoch die Kosten – beispielsweise für Stützbauten – werden könnten, könne nicht seriös betrachtet werden. Nach Informationen dieser Zeitung hat das zuständige Ingenieurbüro aber schon damit begonnen, einen Plan B zu berechnen.

Beim Bau der Talsperre Anfang der 1930er-Jahre sind laut Reichelt übrigens keine Erdbeben-Szenarien eingeflossen. Das sei erstmals 1989 der Fall gewesen, als der Damm saniert wurde. 2006 seien die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu möglichen Erdbebengefahren in die Statik des Dammes eingeflossen.

Ein Gutachten, was es für Auswirkungen hat, wenn der Damm der Steinbachtalsperre bricht, hat es übrigens bis zur Flutkatastrophe nicht gegeben. Dieses Szenario war als undenkbar eingestuft worden. Inzwischen hat die e-regio dieses Gutachten aus eigenem Betreiben erstellen lassen, die Bezirksregierung hat dies nicht eingefordert. Dort hält man ein Erdbeben der Stärke 7 genau unter dem Damm anscheinend für realistischer. Die Bezirksregierung hat sich trotz mehrfacher Anfrage bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht zu dem Thema geäußert.


Schweinheimer sind nach der Entscheidung der Bezirksregierung sauer

Stephan Brock ist Sprecher der Initiative „Hochwasserschutz für Schweinheim – Was ist möglich?“. Er ist auf 180. „Wir sind jetzt zwei Jahre nach der Flut, und jetzt kommt jeden Tag ein neuer Sachverständiger um die Ecke, dass wir dieses und jenes noch benötigen. Die Gutachten, die nun im Raum stehen – das wissen die zuständigen Menschen bei der Bezirksregierung doch nicht erst seit gestern“, ärgert sich der Schweinheimer.

Jetzt hänge man wieder in den Seilen. „Zwei Jahre nach der Flut weiß man immer noch nicht, wie viel Kubikmeter pro Sekunde die Hochwasserentlastung schafft. Davon hängt aber der Ausbau aller Bachläufe ab. Die blockieren uns alles“, so Brock, der nach dem Helferfest am Samstag in Schweinheim wieder den Kontakt zur Bezirksregierung suchen will.

Er könne verstehen, dass die Menschen unterhalb der „Steinbach“ verärgert seien. „Wenn der Damm von der Luftseite verstärkt werden muss, ok. Aber bitte machen und anfangen. Und nicht alle drei Monate mit neuen Vorgaben um die Ecke kommen“, so Brock. (tom)