Stadträte im Kreis EuskirchenKommunalpolitik ist immer noch Männerdomäne
- Die Kommunalpolitik im Kreis Euskirchen wird weitgehend von Männern dominiert.
- Im Durchschnitt besetzen Frauen nur ein Fünftel aller Stühlen in den Gemeinde- und Stadträten.
- Woran das liegt und wie Frauen das ändern können, darüber diskutieren fünf Kommunalpolitikerinnen.
Kreis Euskirchen – 346 Menschen sind im Kreis in einem Stadt- oder Gemeinderat aktiv. Nur 68 davon sind Frauen, gerade einmal 20 Prozent. Politik scheint hier wie auf Landes- und Bundesebene vor allem Männersache zu sein. Dabei machen Frauen die Hälfte der Bevölkerung aus. Woran liegt es also, dass es so wenige Ratsfrauen gibt?
Es ist heiß. Auf dem Bierzelttisch reihen sich Wasser und Rhabarberschorle aneinander. „Ich glaube, Frauen sind selbstkritischer“, sagt Ute Stolz. Die 49-Jährige ist in den Biergarten gekommen, um eben jene Frage zu diskutieren: Warum fehlt es in den Räten an Frauen?
Seit 1999 sitzt Stolz für die CDU im Kaller Stadtrat. „Vielleicht haben Frauen es nicht so gelernt, nach vorne zu gehen“, sagt sie und erhält große Zustimmung aus der Runde. Mit ihr am Tisch sitzen Nathalie Konias (49), seit 2009 für die Grünen im Mechernicher Stadtrat, Annegret Milbert (65), seit 2004 für die FDP im Stadtrat Euskirchen, Brigitte Fuchs (71), seit 1999 Ratsmitglied in Bad Münstereifel für die SPD, und Simone Böhm (53), die seit 2009 für die UWV im Blankenheimer Gemeinderat aktiv ist.
Fünf Frauen, fünf Parteien, fünf Kommunen – sie alle eint, dass sie in der Kommunalpolitik eine Minderheit darstellen. Es komme natürlich immer auf die Kommune an, betonen sie immer wieder. Und tatsächlich gibt es da große Unterschiede.
Schlusslicht Bad Münstereifel: Drei Frauen unter 32 Ratsmitgliedern
Die meisten Frauen sitzen im Euskirchener Stadtrat, immerhin 35 Prozent der Mitglieder sind weiblich. Beim Großteil der Kommunen liegt die Anzahl der Frauen im Rat zwischen zehn und 20 Prozent. Schlusslicht ist Bad Münstereifel: Von 32 Ratsmitgliedern sind gerade einmal drei Frauen, das sind lediglich neun Prozent.
Macht sei für Frauen negativ konnotiert, führt Stolz ihre Überlegungen fort. In vielen Augen sei sie etwas Männliches und Böses. „Da denke ich, müssen wir die Frauen hinbringen, dass es nichts Schlimmes ist, an der Spitze zu stehen“, pflichtet ihr Böhm bei.
Konias und Fuchs sehen noch ein weiteres Problem, das Frauen daran hindert, in der Politik mitzumischen: die zeitliche Belastung. Denn eine Ratsmitgliedschaft ist ein Ehrenamt und sehr zeitaufwendig. Die Sitzungen wollen vor- und nachbereitet werden und dauern gerne ein paar Stunden.
Dazu kommt noch die Arbeit in der Fraktion. Und das ganze neben Job und/oder Haushalt. Das gelte zwar auch für Männer, nur sei in vielen Familien nach wie vor die Frau für Kinder und Haushalt zuständig, meint Konias. Egal, ob sie einen Job hätten oder nicht. Mütter müssten oft erst einmal die Betreuung der Kinder organisieren, während Väter sich einfach auf ihre Frauen verließen.
Milbert will das nicht so ganz stehen lassen. Auch ein Mann brauche die Unterstützung seiner Familie, wenn er Kommunalpolitik mache, sagt sie. Zumal Paare heutzutage doch vermehrt aus den traditionellen Rollenbildern ausbrächen. „Der Wandel ist da“, sagt Böhm, „aber man steckt noch in den alten Strukturen drin.“ Um diese Strukturen aufzubrechen und mehr Frauen in die Kommunalpolitik zu holen, gehen die Parteien unterschiedliche Wege.
Grüne und SPD sind für Frauenquoten
Die Grünen setzen schon seit Jahrzehnten auf eine Frauenquote: Alle Gremien müssen mindestens zu 50 Prozent mit Frauen besetzt sein und auf allen Wahllisten gleich viele Frauen und Männer aufgestellt werden. Konias hält viel von dieser Regelung: „Ich glaube, dass es tatsächlich ermutigt.“
Auch das Argument, dass dann unqualifizierte Frauen in wichtige Positionen kämen, einfach weil sie Frauen sind, will die Grüne nicht gelten lassen. Gerade durch die Quote gebe es in der Partei bereits viele Frauen. Das bedeute auch, dass die Konkurrenz untereinander deutlich höher sei, und dann setze sich diejenige durch, die besser qualifiziert sei.
„Wir können die Quote gar nicht erfüllen, weil wir nicht genügend Frauen haben“, klagt Sozialdemokratin Fuchs. Dennoch sollte man sie in ihren Augen anstreben.
CDU und FDP gegen Quoten
Milbert und Stolz halten allerdings nichts von einer Quote. Stolz sieht in der Frauenunion einen guten Weg, um mehr Frauen für die Politik zu begeistern. Das sei ein geschützter Raum, wo „Frauen unter sich sein dürfen“. Da falle der Einstieg vielen leichter. Böhm hält davon gar nichts. Dieses Separieren sei nicht gut, sagt sie. Im Rat säßen die Mitglieder schließlich auch gemischt und jeder sei gleichwertig.
Einig sind sich die fünf Frauen darin, dass es allen Parteien ein Anliegen sein sollte, auf Frauen zuzugehen. Denn bislang hat jede Partei im Kreis mehr männliche Ratsmitglieder als weibliche – auch die Grünen. Von deren Ratsmitgliedern im Kreis sind 43 Prozent Frauen. Das ist allerdings deutlich mehr, als bei allen anderen Parteien. Bei der UWV sind es 26 und bei der SPD 23 Prozent.
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Gerade einmal 16 Prozent aller Ratsmitglieder der CDU sind Frauen. Schlusslicht ist die FDP. Annegret Milbert ist derzeit die einzige Frau, die für die FDP im Kreis Euskirchen in einem Rat sitzt. Woran das liegt? „Ich weiß es nicht“, sagt sie: „Für mich standen die Türen immer offen.“
Wahrscheinlich habe die Partei ein Image, das bei Frauen nicht so gut ankomme. Was bei Frauen ebenso wenig gut ankomme, sei die Debattenkultur im Rat, berichtet Stolz und erhält Zustimmung.
Kritik an männlichem Verhalten in Debatten
„Mehr Debatte, weniger Kultur“, wünscht sich Konias in diesem Zusammenhang. Vor allem die Männer neigten dazu, Positionen und Argumente zu wiederholen und sehr ausschweifend zu reden, berichten die Fünf. Frei nach dem Motto: Es ist zwar schon alles gesagt, aber noch nicht von mir. Das müsse sich ändern.
Insgesamt sei es für Frauen heute nicht schwieriger als für Männer in die Kommunalpolitik zu kommen, sagen sie alle. Die Parteien seien froh, um jeden, der sich engagieren wolle. Zudem entscheide der Wähler nicht nach Geschlecht, sondern nach Person und Programm. Allerdings müsse man sich schon durchsetzen können und zeigen, dass man nicht nur stille Beisitzerin sei, sondern mitreden wolle. „Nur wer den Mund aufmacht, findet Gehör“, sagt Böhm.
„Traut euch!“, ruft Konias die Frauen im Kreis deshalb auf. Für Milbert ist es dabei nicht wichtig, dass man am Anfang schon alles weiß und kann. Frauen sollten sich bloß nicht abschrecken lassen, wenn sie mal eine Ratssitzung erlebt hätten.
Um wirklich die politische Arbeit mitzuerleben, sollten sie in die Fraktionssitzungen kommen, sagt Fuchs. Böhm rät dazu, sich zunächst als sachkundige Bürgerin in einem Ausschuss zu engagieren. Da könne man sich ein Thema aussuchen, das einen interessiert und darüber dann in die Politik kommen. Frauen sollten auch nicht davor zurückschrecken, wie Kommunalpolitik bisher gehandelt werde, sagt Stolz und fügt hinzu: „Es muss nicht immer so bleiben, wie es ist.“
Zwei Bürgermeisterinnen amtieren im Kreis
Auch beim höchsten Amt in den Rathäusern des Kreises sind Frauen spärlich gesät. Derzeit stehen nur in Weilerswist und Bad Münstereifel Frauen an der Spitze der Kommune. Anne Horst und Sabine Preiser-Marian gelang bei der Kommunalwahl 2015 Historisches: Sie wurden in ihrer Kommune die ersten Bürgermeisterinnen überhaupt. In den übrigen neun Kommunen des Kreises und in Heimbach haben nach wie vor Männer das Sagen.
Das könnte sich nun zumindest ein wenig ändern, denn zur Bürgermeisterwahl treten in sechs Kommunen Frauen an. Nichtsdestotrotz ist die Zahl der männlichen Bewerber höher. Zudem gibt es keine Kommune, in der nur Frauen zur Wahl stehen.
In Blankenheim will sich Jennifer Meuren durchsetzen. Die 32-Jährige wird bei ihrem Vorhaben von SPD, UWV, Grünen und FDP unterstützt. Sie selbst ist parteilos. In Zülpich will Christine Bär (SPD) ins Amt der Bürgermeisterin gewählt werden. Erste Bürgermeisterin von Hellenthal würde sich Ricarda Steinbach (CDU ) gerne nennen.
Mehrere Kandidatinnen fürs Bürgermeisteramt können die Stadt Euskirchen und die Gemeinde Weilerswist vorweisen. In der Kreisstadt sind das Christiane Loeb von der CDU und Stephanie Burkhardt (Grüne), in Weilerswist die parteilose Iris Lafazanis und die ebenfalls parteilose Amtsinhaberin Anne Horst. Auch Sabine Preiser-Marian (CDU) strebt eine erneute Amtszeit in Bad Münstereifel an.
In Kall und Schleiden wurde bereits 2019 ein neuer Bürgermeister gewählt. In Schleiden trat dabei auch eine Frau an. Die parteilose Anette Pütz musste sich allerdings geschlagen geben.
Mit Camelia Dederichs gibt es bei dieser Kommunalwahl zudem eine Bewerberin um das Landratsamt. Die 50-Jährige tritt für die ÖDP an und wäre die erste Landrätin im Kreis Euskirchen. (jre)