Weilerswister mit Trecker gerettet„Haben nur die Klamotten am Leib und unser Leben“
Weilerswist – Als Kind musste Heinz Jenniges, 82, häufig in den Schutzkeller, wenn die Bomben auf Köln fielen. Das Pfeifen der Sprengkörper, die Einschläge in der Nähe, „der Zweite Weltkrieg, das war schrecklich, so etwas vergisst man nie.“
Als Rentner zog der gebürtige Kölner mit seiner Frau Uschi nach Weilerswist. Dort erlebte das Ehepaar in der Nacht zu Donnerstag die Hölle. „Alles ist in den Fluten untergegangen, wir haben nur noch die Klamotten am Leib und unser Leben“, erzählt Uschi Jenniges. Ihre Stimme bebt. Der kleinen zierlichen Frau fällt es sichtlich schwer die Ereignisse nochmals Revue passieren zu lassen.
Morgens um vier Uhr hatte der Vermieter im Ortsteil Metternich an die Tür gehämmert. „Ihr müsst sofort raus, dat Wasser kütt“, brüllte der Hausbesitzer. So berichtet es da Ehepaar. Heinz Jenniges packte sich die Autoschlüssel von seinem alten Wagen und brachte den Pkw mit Hilfe seines Vermieters oben auf den sicheren Sportplatz. Seine Frau wusste zunächst nicht wie ihr geschah. Während das Wasser ihr bereits bis zu den Knien reichte, versuchte sie noch einige Utensilien zusammen zu raffen.
Doch da kam Heinz zurück, hob seine Frau mit dem Vermieter zusammen über den Balkon raus in die Schaufel eines Traktors. Die Meckenheimer Straße lief voll, während sich das schwere Gefährt seinen Weg durch die Fluten bahnte. „Es gab nur einen Weg zur Rettung“, berichtet Uschi Jenniges, „wir mussten es bis oben auf den Berg schaffen.“ Kaum hatte sie den Sportplatz erreichte, stellten sich neue Fragen.
Das Handynetz funktionierte nicht mehr
Wo sollten sie hin? Zunächst einmal nahm sie ein Anwohner auf, reichte einen Kaffee zum Aufwärmen. Vergeblich versuchten die Eheleute ihren Sohn zu erreichen, der in der Nähe lebt. Das Handynetz funktionierte nicht mehr.
Handwerker, die mit ihren Kastenwagen vorbeikamen, nahmen die Jenniges‘ mit. Auf dem Weg zum Haus ihres Sohnes mussten sie über eine kleine Brücke über das Flüsschen Swist, das sich zu einem reißenden Strom entwickelt hatte. Jede Minute stieg der Pegel. „Die Männer sind dann durch die Fluten gewatet und haben uns an der Hand durchgeführt“, erinnert sich Uschi Jenniges. Als sie es gerade geschafft hatten, begruben Bäume die überflutete Brücke unter sich.
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Nun sitzen sie in Köln-Niehl bei einer Bekannten auf der Terrasse und können es immer nicht fassen. „Dat wor noch schlimmer als im Krieg“, schildert Heinz Jenniges im kölschen Dialekt seine Erinnerungen. Ein paar Tage später sind die Senioren zurück zu ihrer Wohnung gekehrt. Das Wasser stand noch mannshoch in den Räumen. Junge Anwohner halfen den Rentnern, einige wenige Kleidungsstücke aus dem vollgelaufenen Schränken zu holen. Von heute auf Morgen war das Ehepaar obdachlos. Uschi Jenniges schüttelt immer wieder den Kopf, wenn sie daran denkt: „Der Schmuck, die Uhren alles ist verloren.“ Die Bluse, die sie trägt, hat ihr eine Freundin gegeben.
An die Talsperre wollen die beiden nicht mehr
Über den Schwager eines Verwandten kommen sie zunächst einmal für ein paar Monate in Köln unter. „Wie es auf Dauer weitergehen soll, wissen wir nicht“, sagt Uschi Jenniges. Zurück in ihre Wohnung können die Flutopfer nicht. Das ganze Wohnhaus sei kaputt, „außerdem will ich da nicht mehr hin“, schimpft die 80-jährige Rentnerin. In der Nähe steht die Steinbachtalsperre, deren Dämme tagelang zu brechen drohten.
Das Fluttrauma wird die alten Leute lange nicht loslassen. Genauso wenig wie ihre Existenzängste. Wie so viele andere Betroffene auch sind sie nicht gegen solche Katastrophen versichert. Das heißt, sie müssen mit über 80 noch einmal von vorne anfangen.
Erste Hilfe hat ihre Kölner Freundin organisiert: Über Facebook hat die Steuerberaterin Jutta Hörter einen Spendenaufruf gestartet: „Inzwischen haben Nachbarn und Bekannte über 3000 Euro als Soforthilfe gegeben.“ Die Palette der Zuwendungen reicht von Hosen, Hemden, T-Shirts, Schuhen über neues Möbelinventar bis zu einem Fernseher. Bei der Nachricht muss Uschi Jenniges sich fassen, um nicht zu weinen: „Es ist zu schön, um wahr zu sein“, lässt sie ihren Gefühlen freien Lauf, „das werde ich nie vergessen.“