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Wiedersehen in Prager BotschaftEuskirchener Paar half tausenden DDR-Flüchtlingen

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Die DRKler und ihre Botschafterin: Sängerin Jeanette Biedermann (3.v.l.) war gerührt, als sie ihre Helfer von damals wieder traf – darunter Herbert (2.v.l.) und Angelika Schmitz (4.v.l.) aus Kuchenheim. 

Euskirchen-Kuchenheim – Wahrscheinlich muss man es anders erlebt haben, um die Verbesserungen zu erkennen. „Wir sind einfach durchgefahren“, erzählt Herbert Schmitz. „Keine Grenzkontrollen“, fügt seine Frau Angelika hinzu. Rund zehn Stunden dauerte die Rückkehr von Prag. Die Koffer stehen am Freitagmorgen noch auf dem Boden in ihrem Haus in Kuchenheim. „Mit dem Lkw dürfen wir ja nur 80 fahren“, erklärt Herbert Schmitz die lange Fahrzeit.

Vor 30 Jahren waren sie nicht so einfach über die Grenze in die damalige CSSR gelangt, trotz der Diplomatenpässe, die die Helfer des Deutschen Roten Kreuzes, Kreisverband Euskirchen, zuvor erhalten hatten. Ihr Ziel damals wie in der vergangenen Woche: die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in der Stadt an der Moldau.

Grenzenloser Jubel vor 30 Jahren

Damals waren sie unterwegs, um Tausende geflüchtete DDR-Bürger zu versorgen; dieses Mal, um etwa 750 Gäste zu beköstigen, die den 30. Jahrestag jenes Ereignisses feierten, als der damalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher jene Worte vom Balkon rief, die Geschichte wurden: „Wir sind gekommen, um Ihnen zu sagen, dass Ihre Ausreise...“ Der Rest ging im grenzenlosen Jubel unter.

„Wir standen damals seitlich unterhalb des Balkons“, erzählt Angelika Schmitz. Dass es ein wichtiger Moment werden würde, sei zu spüren gewesen. Als Genscher, der aus Halle stammte, die Hallenser gesondert begrüßte, habe sie gedacht: „Das täte er doch nicht, wenn er eine schlechte Nachricht zu verkünden hätte.“ Es war der 30. September 1989. In Bussen wurden die DDR-Bürger zum Bahnhof gebracht – freie Fahrt in die Freiheit.

Jeanette Biedermann zu Tränen gerührt

30 Jahre später standen die Schmitzens nun wieder unterhalb des geschichtsträchtigen Balkons. Vor zehn Jahren, beim 20-Jährigen, sei Genscher noch dabei gewesen, erzählt die 63-Jährige. 2016 verstarb der ehemalige Minister. Dieses Mal begrüßte Nachfolger Heiko Maas die damaligen Helfer aus Euskirchen. Auch Jeanette Biedermann war wieder dabei. „Sie hatte Tränen der Rührung in den Augen“, erzählt Angelika Schmitz.

Als die Rotkreuzler damals die Neunjährige versorgten, wusste niemand, dass sie einmal eine berühmte Sängerin und Schauspielerin (Gute Zeiten schlechte Zeiten) werden würde. Heute ist die 39-Jährige DRK-Botschafterin und verteilt zuweilen selbst Suppe.

Eine Woche waren Angelika und Herbert Schmitz dieses Mal in Prag. Sie schenkten wieder Suppe aus – „Linsensuppe“, präzisiert Angelika Schmitz, „die hatte sich die Botschaft gewünscht.“ Viele der damaligen Flüchtlinge waren gekommen, dazu zahlreiche Helfer von damals und Rudolf Seiters, der als Kanzleramts-Chef neben Genscher auf dem Balkon gestanden hatte und später als DRK-Präsident Chef von Angelika und Herbert Schmitz war.

Statt 250 Menschen, mehrere Tausend

Es war also wieder jede Menge los in und an der Prager Botschaft, wenn auch längst nicht so viel wie zur Zeit der Wende. Und es war eine Reise in die Vergangenheit. „Als ich vergangene Woche auf den Platz vor der Botschaft geschaut habe“, so Angelika Schmitz, „hatte ich sie wieder vor Augen: die vielen Menschen, die damals zu uns kamen.“ Menschen, die ihre Flucht schon lange geplant hatten, aber auch DDR-Bürger, die die Fernsehbilder aus Prag gesehen und sich spontan auf den Weg dorthin gemacht hatten.

Spontan hatten sich damals auch die Schmitzens und die anderen DRKler aus dem Kreis Euskirchen nach Prag begeben. „Die DRK-Bundesgeschäftsstelle war ja in Bonn“, erklärt der damalige DRK-Kreisgeschäftsführer Rolf Zimmermann, warum die Euskirchener angefragt worden waren. Die Kollegen aus Bayern und Baden-Württemberger waren schon in Ungarn ausgelastet. Zimmermann war es auch, der Angelika Schmitz telefonisch fragte, ob sie und ihr Mann schnell nach Prag aufbrechen könnten.

Sie konnten. 18 Stunden später war der Lkw mit Gulaschkanone und Feldküche unterwegs, um, wie es hieß, 250 Menschen mit Mittagessen zu versorgen. Davon, dass es innerhalb weniger Tage mehrere Tausend werden sollten, die auch Frühstück und Abendessen brauchten, war da noch nicht die Rede. Zweieinhalb Wochen waren sie dort.

Kinder lagen quer in Feldbetten

„Geschlafen haben wir drei oder vier Stunden pro Tag“, erinnert sich Herbert Schmitz – wenn überhaupt in dieser aufgeladenen Atmosphäre, in der die Kinder quer in die Feldbetten gelegt werden mussten, um Platz zu sparen, ihre Mütter bei ihnen blieben durften, die Männer aber mit einer Decke in die Kälte des Gartens gebeten werden mussten. „Wir hatten 22 Toiletten für all die Leute“, erzählt der 67-Jährige, von Duschen gar nicht zu reden.

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Viele hätten nichts mehr gegessen, um langwierige Toilettengänge zu vermeiden. Nach und nach kam Nachschub an Konservensuppen. Und der Müll? Mit offiziellen Anfragen dieser Art tat sich der real existierende Sozialismus schwer, doch Zigaretten und Whiskey steigerten Motivation und Erfindungsreichtum bei manchem Prager Müllmann, erinnert sich das Ehepaar, das froh ist, dass zum 30. Jubiläum ein paar ihrer DRK-Kollegen mitkamen, die damals noch nicht geboren waren.

„Es ist wichtig, dass das fortlebt“, findet Angelika Schmitz. Sie und ihr Mann haben wer weiß wie oft von diesem Live-Erlebnis europäischer Geschichte erzählt, Gänsehaut inklusive. „Das wird auch nie aufhören“, ist Herbert Schmitz sicher.