400 Bewerber für 80 GrundstückeZülpich wächst kräftig – Laga war der Quantensprung
- Hohe Mieten in den Großstädten, niedrige Quadratmeterpreise auf dem Land. Die Städte und Gemeinden im Norden des Kreises Euskirchen weisen einen starken Zuzug auf. Verschiebt sich die Welle nun in Richtung Süden?
- Wie viel Bebauung tut den Orten überhaupt gut? In dieser Serie blicken wir auf verschiedene Städte und Gemeinden, heute auf Zülpich.
Zülpich – Der Feldhamster hat Zülpich ganz schön zurückgeworfen. Erst 2017 hatte das Land verkündet, dass das Vorkommen der seltenen Tierchen nahe dem Wassersportsee nicht mehr so stark war, als dass sie sich großartig hätten reproduzieren können. Seitdem stoppt der Feldhamster nicht mehr die Bebauungspläne in der Kernstadt – und seitdem ist die Stadt eifrig bemüht, den gut zehnjährigen Entwicklungsstau in diesem Bereich abzuarbeiten, so Stadtplaner Christoph M. Hartmann.
„Aber nicht nur in der Kernstadt“, fügt Bürgermeister Ulf Hürtgen (CDU) hinzu. Auch die 23 Ortschaften auf dem 101 Quadratkilometer großen Stadtgebiet entwickeln sich prächtig: „Auf diesen Gleichklang geben wir Acht.“ Und es boomt gewaltig. Gerade wird vom Euskirchener Projektplaner F&S Concept das Baugebiet „Römergärten“ nahe dem Wassersportsee in Angriff genommen. Für die rund 80 Grundstücke gebe es bereits 400 Bewerber, stellt Kämmerer Ottmar Voigt, der auch Geschäftsführer der Stadtentwicklungsgesellschaft Zülpich ist, fest: „Dabei soll die Vermarktung erst im Mai starten.“ In der Vergangenheit hätten schon Grundstücke per Losverfahren unter notarieller Aufsicht den Besitzer gewechselt – wegen der vielen Nachfragen.
Einwohnerzahl steigt
20 562 Menschen leben derzeit in Zülpich, das sind 115 mehr als im Jahr zuvor. Tendenz – entgegen vieler Prognosen – steigend. Obwohl in Zülpich pro Zeiteinheit mehr Menschen sterben als geboren werden, dürfte die Einwohnerzahl weiter zunehmen. Im Schulentwicklungsplan gehen die Stadtverantwortlichen von 23 000 bis 24 000 Bürgern im Jahr 2037 aus. Der Zuzug aus den Ballungsgebieten macht es möglich, was den Bürgermeister freut. Dabei spielten wachsende Schlüsselzuweisungen des Landes und steigende Steuereinnahmen nicht die Hauptrolle, denn die wachstumsbedingten Strukturmaßnahmen – neue Kitas, Schulen und Straßen – müssten ja auch bezahlt werden. „Das aber ist ein Luxusproblem“, sagt Hürtgen.
Zülpich könne noch viele Neubürger aufnehmen, ohne dass die Dörfer und die Kernstadt an Flair verlören. „Zuwachs bedeutet ja auch Zukunft“, so Hürtgen, der den „Ureinwohnern“ Flächen zum Bauen bietet, aber auch den Großstadtgeplagten ein Angebot machen möchte. Darum freut sich der Christdemokrat, dass seine Stadt entgegen ursprünglicher Planung nun doch in den erlauchten Kreis der „Region plus“-Kommunen aufgenommen wurde – jene Städte und Gemeinden also, die mit neuen Baugebieten die aus allen Nähten platzenden Großstädte Köln und Bonn entlasten sollen. Eine entsprechende Ausweisung von Bauland dürfte also kein Problem mehr sein.
Zunächst war bei „Region plus „ nur von Kommunen die Rede, die in 45 Minuten von den Hauptbahnhöfen der beiden Metropolen zu erreichen sind. Doch der Druck auf die Ballungsgebiete scheint so groß zu sein, dass der Radius vergrößert wurde. Wenn ab Herbst 2019 planmäßig die Bördebahn zwischen Euskirchen, Zülpich und Düren fährt, ist die zeitige Erreichbarkeit ohnehin für Teile des Stadtgebiets kein Thema mehr.
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Die Römerstadt habe ja auch einiges zu bieten, gehen Hürtgen, Voigt und Hartmann in den Werbemodus über: Auf der einen Seite die Nähe zu Köln, auf der anderen die zu den Erholungsgebieten der (Vor-)Eifel – und das Ganze nahe dem Dreiländereck. Nicht zu vergessen die gute Versorgung, funktionierende Dorfstrukturen, aktives Vereinsleben und intaktes Sozialumfeld – alles das also, wonach sich so mancher Großstädter sehnt und für das er auch einen längeren Arbeitsweg in Kauf nehmen würde. Die Anbindung an die Autobahn ist natürlich auch gutes Argument.
Leute pendeln auch in die Stadt hinein
„Wir haben seit einigen Jahren auch ein eigenes Gewerbegebiet entwickelt“, erinnert Voigt daran, dass es auch in der Römerstadt Arbeitsplätze gibt und daran, dass viele Menschen nicht nur aus der Stadt, sondern auch in die Stadt zum Broterwerb pendeln. Die Attraktivität, die Zülpich auf Außenstehende ausstrahlt, habe natürlich ganz viel mit der Landesgartenschau 2014 (Laga) zu tun, so Hartmann. Viele der mehr 500 000 Besucher hätten die Stadt das erste Mal besucht und nicht wenige hätten Gefallen daran gefunden. „Damals haben wir verstärkt mit der Werbung begonnen“, so Voigt. Mit den Fördergeldern, aber auch eigenen Mitteln rund um die Laga, hätten sich Kernstadt und Dörfer hübsch gemacht – eine Entwicklung, für die ohne Laga wohl zehn bis 15 Jahre ins Land gegangen wären. Etwa 40 Millionen Euro, so schätzt Hürtgen, wurden wegen der Laga öffentlich und privat investiert.
„2012 kostete ein Quadratmeter Bauland in der Kernstadt noch 110 Euro, heute rund 200 Euro“, erläutert Hürtgen den Sprung nach vorne. Das habe natürlich auch mit der Nachfrage zu tun, ergänzt Voigt, aber nicht nur: An die Erschließung von Baugebieten würden heute ganz andere ökologische und geologische Voraussetzungen geknüpft als früher. Das kostet.
In den Ortschaften werden 125 bis 150 pro Quadratmeter aufgerufen. Hier werden vorrangig Einfamlienhäuser gebaut, in der Kernstadt wachse inzwischen die Nachfrage nach Mehrfamilienhäusern.
Und die Feldhamster? „Denen geht es gut“, sagt Hürtgen. Die wenigen, die noch gefunden wurden, erfreuten sich in einer niederländischen Aufzuchtstation ihres Lebens – und offenkundig auch ihres Liebeslebens. „Sie sollen sich dort mit ihren holländischen Artgenossen gut vermehren“, will Hürtgen erfahren haben.