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EnergiekriseWie kalt wird der Winter in NRW?

Lesezeit 4 Minuten
Ein Radfahrer fährt am Morgen am Kölner Dom vorbei.

Winterwetter in Köln

Erste Klimaprognosen deuten vorsichtig auf einen milden Winter im Rheinland hin. Das könnte helfen, den Gasverbrauch in den kommenden Monaten niedrig zu halten. Allerdings gibt es auch Einschränkungen.

Ist der Oktober warm und fein, kommt ein scharfer Winter drein, heißt es in einer Bauernregel. Gut, dass diese Regeln ähnlich unzuverlässig sind wie das Tageshoroskop; Ansonsten würden angesichts der Gasknappheit eisige Zeiten auf die Menschen in Nordrhein-Westfalen zukommen. Die Realität ist deutlich komplexer und die Wissenschaftler neigen sich mit ihrer Prognose dieses Jahr eher in die entgegengesetzte Richtung: Der Deutsche Wetterdienst (DWD) erwartet einen eher milden Winter in Deutschland.

Darauf deuten jedenfalls erste Klimaprognosen hin, mit denen der warme Oktober im Übrigen nichts zu tun hat. Ob die Gasvorräte für den Winter reichen, hängt auch davon ab, ob die Wissenschaftler Recht behalten.

Wie lautet die Prognose des DWD?

Der DWD rechnet in den kommenden Winter mit Durchschnittstemperaturen von mindestens zwei Grad Celsius. Der Mittelwert der Wintermonate von 1991 bis 2020 lag bei 1,4 Grad – somit könnte der diesjährige Winter um 0,6 Grad wärmer werden und zu den mildesten 33 Prozent der Winter der vergangenen Jahre gehören. Dazu kommt: Die Referenzzeit 1991 bis 2020 ist bereits vom Klimawandel geprägt und eher mild. Auch Modelle aus Frankreich und Großbritannien gehen von einem eher milden Winter aus.

In Westdeutschland wird es vermutlich - wie meistens - noch wärmer als im Rest der Republik: Hier lag die durchschnittliche Temperatur in den Monaten Dezember, Januar und Februar seit 1991 bereits bei 2,1 Grad. Die Klimaforscher und Meteorologen erwarten Durchschnittstemperaturen von circa 2,7 Grad. Auch das Frühjahr könnte ersten Prognosen zufolge etwas wärmer werden als üblich.

Wie unsicher sind solche Prognosen?

Allerdings gibt es auch Einschränkungen: Die etwa 50 Klimasimulationen kamen nämlich zu unterschiedlichen Berechnungen für den Winter. „Es gibt einzelne Berechnungen, die sagen, es wird deutlich zu kalt mit -3,9 Grad Abweichung“, sagt Thomas Kesseler-Lauterkorn, stellvertretender Leiter des regionalen Klimabüros des DWD in Essen. „Andere Berechnungen sagen, es wird 3,4 Grad zu warm.“ Ganz hemdsärmelig könne man sagen: Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte. Am Wahrscheinlichsten ist eine 0,6 Grad Abweichung vom Klimamittel. Knapp jedes fünfte Modell sagt einen kälteren Winter als im Durchschnitt voraus, jedes zweite einen wärmeren und rund ein Drittel der Klimamodelle gehen von einem normalen Winter aus.

Thomas Kesseler-Lauterkorn blickt im Porträt in die Kamera. Er trägt einen Anzug.

Thomas Kesseler-Lauterkorn

Dabei muss man wissen: Die Klimavorhersage ist viel komplizierter als eine Wettervorhersage. Sie muss das gesamte Klimasystem berücksichtigen, die Wechselwirkungen von Erdatmosphäre, Meeratmosphäre, Meereis und weiteren Einflüssen. „Für Klimavorhersagen reicht ein reines Atmosphärenmodell wie bei der Wettervorhersage nicht aus“, sagt Thomas Kesseler-Lauterkorn. „Es müssen viel mehr physikalische Prozesse simuliert werden.“ Deshalb sei die Klimavorhersage auch ungenauer.

Bleiben extreme Kälteperioden diesen Winter also aus?

Nein. Genau das ist der Unterschied zwischen Klima und Wetter: Ein in der Summe eher milder Winter bedeutet nicht den Wegfall von starken Minustemperaturen. „Die Prognose besagt nicht, dass es innerhalb des Winters keine kalten und auch sehr kalten Tage oder Wochen geben kann“, sagt Kesseler-Lauterkorn. „Es ist durchaus möglich, dass es in der Kölner Bucht im kommenden Winter schneit und einige Tage Dauerfrost herrscht.“

Was bedeutet ein milder Winter für die Gefahr der Gasknappheit in Deutschland?

„Ein vergleichsweise milder Winter könnte uns dabei helfen, die notwendigen Einsparungen von mindestens 20 Prozent beim Gasverbrauch auch in den kommenden Monaten durchzuhalten“, sagt Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur. Dank der vollen Gasspeicher sei die Ausgangslage gut. Trotzdem warnt Müller: Schon ein paar kalte Tage könnten die Speicher schnell wieder leeren. „Sparsamkeit ist auch bei milderen Temperaturen das Gebot der Stunde.“

Die Bevölkerung wurde zum Strom- und Gassparen aufgerufen. Tut sie das bisher auch?

Ja. Der Gasverbrauch von Industrie und Privatpersonen lag in den vergangenen fünf Kalenderwochen deutlich unter dem Durchschnitt der Jahre 2018 und 2021. Das teilte die Bundesnetzagentur auf Anfrage mit. Natürlich spielt hier auch der warme Oktober und der ebenfalls bisher milde November hinein. „Nichtsdestotrotz liegt nach unseren Berechnungen auch der temperaturbereinigte Verbrauch im Oktober noch immer ungefähr 20 Prozent unter den Werten für die Jahre 2018 bis 2021“, schreibt die Bundesnetzagentur auf Anfrage. Auch eine Grafik des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft zeigt: Selbst an Tagen, die deutlich kälter waren als im Vorjahr, blieb der Gasverbrauch niedriger.

Welchen Einfluss haben einzelne kalte Tage auf den Gasverbrauch?

Sinkt die Außentemperatur um rund ein Grad, nimmt der Gasverbrauch um rund 13 Terrawattstunden zu, schreibt die Bundesnetzagentur.

Wie viel Gas spart man ein, wenn man die Wohnung ein Grad kühler hält?

„Jedes Grad weniger Heizen verbraucht im Jahresmittel sechs Prozent weniger Energie und Geld“, schreibt der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft auf Nachfrage. Die Bundesnetzagentur beziffert den Wert auf fünf Prozent. Mit einer rund vier Grad kälteren Wohnung lassen sich also mehr als ein Fünftel der Heizkosten sparen.