Immer teurere WohnungenMuss der Staat die Mieten regulieren?
- Nach dem Mietendeckel-Aus in Berlin ist die Diskussion über eine Regulierung des Mietmarkts durch den Staat wieder neu entflammt. Tut die Einmischung Not?
- Peter Berger sagt: „Der Staat hat bei der Daseinsvorsorge über viele Jahre versagt“
- Thorsten Breitkopf sagt: „Mietendeckel verursachen weniger Neubau und im Bestand Investitionsstau“
Für die Wohnungskrise in den deutschen Großstädten, die nach der Jahrtausendwende in München und Stuttgart begann und sich seither wie ein Flächenbrand über das ganze Land ausbreitet, gibt es keine rein marktwirtschaftliche Lösung mehr.
Viel zu lange hat der Staat beim Wohnungsbau auf das freie Spiel der Kräfte vertraut und muss jetzt erkennen, dass er bei einer seiner vornehmsten Aufgaben, der Daseinsvorsorge, über Jahre versagt hat.Nein. Es gibt keinen Grund zum Jubel über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das den Berliner Mietendeckel aus formalen Gründen gekippt hat. Ein Deckel, der nichts anderes war als das letzte Mittel, um den endgültigen Kollaps des Wohnungsmarkts zu verhindern. Dass durch den Mietendeckel neue Wohnungen entstehen werden, hat selbst die rot-rot-grüne Berliner Senatsmehrheit bei der Einführung nicht behauptet.
Wohnungen entstehen durch Bauen. „Das ist und bleibt der beste Mieterschutz“, sagte der für Baupolitik verantwortliche Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nach der Urteilsverkündung. Und genau da beginnt das Staatsversagen. Kaum eine deutsche Großstadt hat in der Vergangenheit eine vorausschauende Flächenpolitik betrieben. Im Gegenteil: Grundstücke wurden an Investoren verkauft (um die klammen Hauhalte zu entlasten) und damit zum Spekulationsobjekt. Das hat die Baupreise in die Höhe getrieben. Mit dem Ergebnis, dass im frei finanzierten Segment Mieten für Durchschnittsverdiener nicht mehr zu bezahlen sind, weil die Renditen stimmen müssen.
Irgendwann ist die letzte Baulücke geschlossen
Wer nachverdichten und auf bestehenden Flächen höher bauen will, stößt auf hohe bürokratische Hürden und an natürliche Grenzen. Irgendwann ist auch die letzte Baulücke geschlossen. Bei Baugenehmigungen sind Wartezeiten von einem Jahr wie in Köln keine Seltenheit, weil die Bauämter unter chronischem Personalmangel leiden.
Der Wohnungsmarkt lässt sich nicht von heute auf morgen neu ordnen. Es dauert Jahre, bis ein eingeschlagener Kurs Wirkung zeigt. Das heißt aber nicht, dass der Staat nicht regulierend eingreifen muss. Durch den Erlass von Milieuschutz-Satzungen zum Beispiel. Durch die Vergabe städtischer Grundstücke ausschließlich auf Erbpacht-Basis, um sie der Spekulation zu entziehen. Durch neue Formen von Genossenschaftsmodellen. Durch beschleunigte Planungen und mehr Personal in den Bauämtern. Einiges davon ist in Köln schon in Angriff genommen worden.
Strengere Mietkontrollen sind nötig
Solange das alles nicht reicht, müssen strengere Mietkontrollen und ein zeitlich begrenztes Einfrieren von Mieten in Metropolregionen, in denen die Nachfrage das Angebot bei weitem übersteigt, ermöglicht werden. Als letztes Mittel, um die soziale Mischung einer Stadt zu erhalten. Dazu müsste der Bund oder die Länder die Kompetenz haben, ein Mietpreisrecht zu schaffen, das dem Wohnungsmangel in den Ballungsregionen Rechnung trägt. Das ist vor der Bundestagswahl leider nicht mehr zu erwarten.
Peter Berger, Chefreporter, lebt in einer Genossenschaftswohnung in Köln.
Contra: Mietendeckel verursachen weniger Neubau und im Bestand Investitionsstau
Das Bundesverfassungsgericht hat den Berliner Mietendeckel gekippt. Das ist eine gute Nachricht für den Wohnungsmarkt. Gekippt wurde er allerdings nicht, weil er unsinnig ist, sondern weil der Bund und nicht die Länder mit solchen Regeln betraut sein müssen, urteilte des Gericht.
Dennoch ist das Resultat ein gutes – und zwar für Vermieter, Mieter und Wohnungssuchende gleichermaßen. Für Mieter? Ja, auch für Mieter. Der Mietendeckel, der für die meisten Wohnungen den Mietzins des Jahres 2019 unterscheidungslos eingefroren hatte, barg einen echten Schönheitsfehler. Da Mieterhöhungen eben ausgeschlossen waren, gab es für Hausbesitzer keinerlei Anreize, in die Wohnungen nennenswert zu investieren. Wenn die Miete bei intakten und gammeligen Wohnungen gleich hoch ist, warum sollte der Eigentümer dann Geld zum Renovieren in die Hand nehmen? Eine bessere Rendite wäre so ja nicht zu erzielen. Das Resultat wären in einigen Jahren schimmelnde Wände und undichte Fenster oder gar abbruchreife Mietruinen gewesen.
Günstige Mieten führen dazu, dass niemand mehr umzieht
Auch für Wohnungssuchende brachte der Mietendeckel keinerlei Erleichterung. Und das aus verschiedenen Gründen. Erstens: Günstige Mieten führen dazu, dass niemand mehr umzieht und Wohnraum frei macht. Im schlimmsten Fall würden Paare, die zusammenziehen, ihre zweite Wohnung dank niedriger Preise behalten. Oder jene, die sich nur tageweise in Berlin aufhalten, die kaum genutzte Wohnung kostengünstig leer stehen lassen.
Zweitens: Der Mietendeckel verhindert Neubau. Zwar galt der Berliner Mietendeckel nicht für Häuser, die nach 2014 errichtet wurden. Doch die Art und Weise, wie er eingeführt wurde, hat Investoren stark verunsichert. Der Mietendeckel war nicht nur ein starker Eingriff in den Markt. Anders gesagt auch eine Form der Enteignung. Die vermietete Immobilie als Altersvorsorge – über Jahrzehnte propagiert – könnte für die Vermieter zur Altersarmut führen.
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Was in der Diskussion nämlich oft vergessen wird: Die wichtigsten Akteure auf dem Mietmarkt sind nicht raffgierige Wohnungskonzerne. Der jüngste Mikrozensus zeigt: Fast 60 Prozent aller vermieteten Wohnungen sind im Besitz von Privatpersonen, die nicht hauptberuflich Immobilien vermieten. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Auswertung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Und vom Rest gehört fast die Hälfte Wohnungsgenossenschaften oder kommunalen Firmen – beide nicht gerade als gierige Miethaie verschrien.
Gedeckelte Mietpreise führen zu Schattenmarkt
Es gibt noch weitere Argumente, die für das Ende des Mietendeckels stehen. Gedeckelte Mietpreise führen zu einem Schattenmarkt, wenn die Miete gleich hoch bleibt, aber etwa der Abschlag für die abgenutzte Küche in fünfstellige Bereiche abdriftet.
Übrigens ist das Scheitern des Mietendeckels kein neues Phänomen. Eine starre Preisbindung auf dem privaten Wohnungsmarkt hat bislang noch in keiner westlichen Demokratie dauerhaft funktioniert.Es gibt nur einen einzigen Weg, die Anspannung auf dem urbanen Wohnungsmarkt zu bekämpfen. Und der heißt: Neubau erleichtern. Die Politik sollte sich Gedanken machen, wie sie diesen fördert, etwa durch Anreize für Bauherren, die Wiedereinführung von Zuschüssen für selbst genutztes Eigentum oder durch eigenen kommunalen Wohnungsbau.
Thorsten Breitkopf, Leiter Wirtschaftsredaktion ist Vermieter von drei Wohnungen.