Bereits einige Tage vor dem Endspiel im Fußball-Mittelrhein-Pokal zwischen Fortuna Köln und Viktoria Köln am Samstag (16.15 Uhr, Sportpark Höhenberg) begegnen sich die Präsidenten Hanns-Jörg Westendorf und Günter Pütz beim Interview-Termin. Von der Rivalität, die zwischen den Klubs herrscht, ist zwischen den beiden Männern nichts zu spüren. Sie blicken freundschaftlich entspannt auf das Spiel am Samstag voraus und die Saison zurück.
Herr Pütz, Herr Westendorf, sagen Sie doch mal etwas Positives über den jeweils anderen Klub.
Hanns-Jörg Westendorf: Na ja, eines muss man festhalten: Die Viktoria hat uns sportlich vor drei Jahren überholt. Wir sind abgestiegen und die Viktoria aufgestiegen. Das zu sagen, fällt mir schwer, aber es ist so.
Günter Pütz: Fortuna hat ja eine große Tradition, der Klub hat 26 Jahre in der 2. Bundesliga, ein Jahr in der Bundesliga gespielt. Beim letzten Heimspiel war ich im VIP-Zelt und muss sagen, dass sie auch bei den Sponsoren tolle Arbeit leisten.
Es scheint zwischen Ihnen als Präsidenten keine große Rivalität zu geben. Aber dass es die zwischen den beiden Klubs gibt, ist für die Stadt und die Vereine schon wichtig, oder?
Pütz: Wir sind die Viktoria-Familie, Fortuna ist leider vor drei Jahren abgestiegen. Aber wenn sie vielleicht in der nächsten Saison wieder aufsteigen, freuen wir uns natürlich auch auf ein Derby.
Westendorf: Die Rivalität ist da, klar. Aber wir wollen an der Stelle nicht übertreiben. Es gibt sicher die Derby-Situationen, in denen die Rivalität ausgeprägter ist. Aber wir sind uns ja in den vergangenen Jahren in der Liga kaum begegnet. Erst waren wir in der Dritten Liga und Viktoria in der Regionalliga, jetzt ist es umgekehrt. Jetzt spielen wir am Samstag um den Mittelrhein-Pokal und dann ist die Rivalität schon hoch.
Welchen Einfluss hat das Pokalfinale auf Ihre Saisonbilanz?
Westendorf: Einen großen. Wir haben die letzte Saison in der Regionalliga als Vierter abgeschlossen und unser Ziel war es, dieses Mal besser zu sein. Jetzt sind wir Fünfter geworden, also muss man ehrlich sagen, dass wir unsere Saisonziele in der Liga nicht erreicht haben. Jetzt können wir mit dem Sieg im FVM-Pokal ein absolutes Zeichen setzen und würden dann die Saison 2021/2022 noch zu einer sehr guten machen.
Pütz: Bei uns ist es praktisch genauso. Wir hatten zu Beginn der Saison große Probleme, weil uns vier Eckpfeiler gefehlt haben: Mike Wunderlich, Lucas Cueto und Michael Schultz sind gegangen, Timmy Thiele war die ganze Saison verletzt. Dann kamen ständig fünf bis sieben Verletzte hinzu. Wir haben uns dann aber aufgerappelt. Dass wir nicht abgestiegen sind, war für uns genauso hoch zu bewerten wie die Meisterschaft. Aber natürlich wollen wir der Fortuna in unserem eigenen Stadion Paroli bieten, den Mittelrhein-Pokal gewinnen und nächste Saison im DFB-Pokal antreten.
Die Teilnahme am DFB-Pokal wäre ja nicht nur sportlich attraktiv, sondern auch finanziell lukrativ.
Westendorf: Eines ist ja klar: Wir als Viertligist hätten eine gute Chance, einen attraktiven Gegner zu erwischen und Zuschauereinnahmen zu generieren. Wir bekämen für die Teilnahme am DFB-Pokal auch den Löwenanteil der Prämien, die der Verband ausschüttet, obwohl wir davon selbst auch Prämien zahlen müssen. Aber es ist für den Verein auch eine Chance, sich auf Bundesebene zu präsentieren. Insofern hat es schon einen großen finanziellen Einfluss. Wir haben 2013 zuletzt den Pokal gewonnen, damals gegen Aachen. In den Jahren danach haben wir allerdings auch drei Endspiele verloren: Eins gegen Aachen, eins gegen Bonn, eins gegen Viktoria. Insofern hoffen wir, dass wir mal wieder dran sind.
Das Endspiel hat bislang in Bonn stattgefunden, in den nächsten fünf Jahren wird es in Höhenberg ausgetragen. Herr Westendorf, ärgert es Sie, dass es nicht ans Südstadion vergeben worden ist?
Westendorf: Die Entscheidung hat der Verband getroffen. Ich bin mir aber sicher, dass unsere Fans auch in Höhenberg ein Heimspiel daraus machen. Das war all die Jahre so, wenn wir hier gegen Viktoria gespielt haben: dass wir zumindest die Stimmung im Stadion bestimmt haben, wenn auch nicht immer auf dem Platz. Ich hoffe, dass es auch dieses Mal wieder so sein wird.
Sie hätten es aber schon gerne im Südstadion gehabt?
Westendorf: Wir hätten es gerne im Südstadion gehabt, aber es ist nicht so. Der Verband entscheidet und jetzt freuen wir uns auf das Spiel am Samstag.
Sie freuen sich über die Vergabe, Herr Pütz.
Pütz: Das war natürlich eine tolle Sache für uns. Wenn Fortuna mit mehr Zuschauern kommt, ist das auch kein Problem…
Westendorf: … Günter, Du weißt aber schon, dass Ihr trotz der Austragung in Höhenberg nicht automatisch fürs Finale gesetzt seid.
Pütz: Das Problem, dass die Gastmannschaft mehr Fans mitbringt, hatten wir ja auch im letzten Drittliga-Heimspiel gegen Kaiserslautern (2:0, d. Red.), und das haben wir auch bewältigt.
War das Heimspiel gegen Kaiserslautern ein Vorgeschmack auf den Zuschauer-Andrang der herrschen könnte, wenn Sie mittelfristig in der Zweiten Liga spielen sollten, so wie Sie es sich vorgenommen haben?
Pütz: Von der Zweiten Liga kann man zwar träumen, aber so weit sind wir ja noch nicht.
Aber es ist doch schon der Plan?
Pütz: Das müssen Sie mit dem Sportvorstand und dem Trainer besprechen.
Herr Westendorf, bei Ihnen ist das Ziel für die nächste Saison der Aufstieg?
Der Finaltag
Zum ersten Mal findet das Mittelrheinpokalfinale im Sportpark Höhenberg statt, die Vereinbarung zwischen Verband und Stadt Köln gilt für die nächsten fünf Jahre. In der Vergangenheit war der Bonner Sportpark Nord die Finalstätte. Neben Köln hatten sich auch Aachen und Bonn beim FVM als Austragungsorte beworben.
Im Rahmen des „Finaltages der Amateure“ treffen Viktoria und Fortuna am 21. Mai um 16.15 Uhr aufeinander. An diesem Tag werden deutschlandweit 21 Verbandspokalendspiele in vier Blöcken absolviert und ab 12 Uhr in einer großen Konferenz in der ARD übertragen. Das Kölner Derby wird in der Konferenz von Jürgen Bergener kommentiert. Auf sportschau.de ist das Spiel in voller Länge zu sehen.
Tickets gibt es in den Vorverkaufsstellen der Fortuna und der Viktoria. (ckr)
Westendorf: Wir wollen und werden den Aufstieg nicht aus den Augen verlieren. Alexander Ende geht und in Markus von Ahlen kommt ein neuer Trainer. Wir werden einen Teil der Spieler behalten, aber einige werden uns auch verlassen. Und dann müssen wir schauen, wen wir hinzugewinnen können. Wir haben einen finanziellen Rahmen, in dem wir uns bewegen müssen. Ob es dann ausreicht, um den Aufstieg mitzuspielen, müssen wir sehen. Essen verlässt die Liga als Aufsteiger jetzt – Gott sei Dank, muss man aus sportlicher Sicht sagen. Aber klar: Das Ziel von Fortuna muss es sein, in die Dritte Liga zurückzukehren.
Pütz: Ihr habt ja schon drei Spieler von Viktoria Köln, die kennen sich ja aus…
Westendorf: … sind die denn mit Euch mal aufgestiegen? Nein, im Ernst: Wir wollen hoch, man muss aber auch immer sehen, was machbar ist. Eine Krux für uns: Wir haben keinen Groß-Mäzen und müssen unseren Etat aus vielen Sponsoren und Zuschauereinnahmen stemmen und dann können wir eben nur das ausgeben, was da ist. Und wir dürfen ja eines nicht vergessen: Wir haben zwei Jahre im Corona-Modus hinter uns. Und trotz aller Zuschüsse, die an der einen oder anderen Stelle gezahlt werden: Am Ende hat das nicht gereicht, um die Unterdeckung, die produziert worden ist, auszugleichen.
Bei Viktoria gibt es mit dem Abschied von Andres Rettig auch einen Umbruch.
Pütz: Ein direkter Umbruch ist es nicht.
Aber er war allein durch seine Vita das bekannteste Gesicht des Klubs.
Pütz: Er hat auch viel bewegt. Er hat Viktoria deutschlandweit bekannter gemacht. Dafür danken wir ihm.
Woran ist die Zusammenarbeit aus Ihrer Sicht gescheitert?
Pütz: Es gab ein paar verschiedene Ansichten, wir sind aber freundschaftlich auseinandergegangen. Wir können uns alle noch in die Augen schauen.
Worin bestanden die unterschiedlichen Ansichten?
Pütz: Das will ich jetzt nicht sagen. Darüber müssen wir hier nicht reden.
Schade. Bleiben die Nachhaltigkeitsansätze, die Andreas Rettig angeschoben hat, der Viktoria erhalten?
Pütz: Die bleiben erhalten. Die Verantwortung haben jetzt unsere Geschäftsführer Axel Freisewinkel und Erik Bock gemeinsam, die schon seit vielen Jahren erfolgreich für uns arbeiten und die Nachhaltigkeitsansätze nun weiter ausbauen werden.
Herr Westendorf, falls es auch nächste Saison nicht mit dem Aufstieg klappen sollte: Wie viele Jahre kann man es in der Regionalliga aushalten, ohne sich von den Drittliga-Ambitionen verabschieden zu müssen?
Westendorf: Es ist ja kein Wunschkonzert, man kann es nicht erzwingen. Falls es nicht klappen sollte, versuchen wir es eben im Jahr darauf. Wir sind so breit aufgestellt, dass wir nicht am Ende der nächsten Saison die erste Mannschaft zurückziehen müssen, falls wir es nicht schaffen sollten. Wir denken schon perspektivisch, Fußball ist allerdings auch immer ein kurzfristiges Geschäft.
Welches Detail hat aus Ihrer Sicht in der vergangenen Saison im Aufstiegskampf gefehlt?
Westendorf: Ich würde es jedenfalls nicht am Geld festmachen. Wir waren bis Anfang März ganz oben in der Verlosung dabei. Aber dann haben wir aus Gründen, die mir heute noch unerklärlich sind, gegen Abstiegskandidaten wie Homberg, Bonn und Schalke II Punkte liegenlassen. Auf einmal waren wir wieder hintendran. Unser neuer Sportlicher Leiter Matthias Mink ist jetzt in der Analyse. Ich glaube sagen zu können, dass uns ein, zwei Spieler an bestimmten Positionen gefehlt haben. Aber ich will auch nicht in die Leier einsteigen: „Hätten wir mehr Geld gehabt, hätten wir es geschafft.“ Man muss dann eben so intelligent sein und sein Geld richtig einsetzen – haben wir nicht hinbekommen.
Pütz: Wir haben ja auch sechs Jahre gebraucht, bis wir den Aufstieg geschafft haben. Es ist leichter, in der Dritten Liga zu bleiben, als aus der Regionalliga aufzusteigen. Jedenfalls unter normalen Umständen. Die hatten wir in dieser Saison wie bereits erwähnt nicht. Aber Olaf Janßen hat mit seinem Trainerteam, Sportvorstand Franz Wunderlich und dem jungen Kader einen tollen Job gemacht.
Herr Pütz, Andreas Rettig wollte auch die Abhängigkeit von Ihrem Mäzen Franz-Josef Wernze verringern. Wie wollen Sie das weiter vorantreiben?
Pütz: Wir haben inzwischen mehrere größere Sponsoren und sind schon ziemlich unabhängig von Herrn Wernze gut aufgestellt.
Wann soll die Viktoria komplett unabhängig von ihm sein?
Pütz: Schon in den nächsten drei, vier Jahren. Wir wollen uns im Sponsorenbereich in den nächsten Jahren peu a peu noch breiter aufstellen. Herr Wernze wird uns aber weiterhin mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Wäre für die Viktoria ein möglicher Aufstieg in die Zweite Liga am Standort Höhenberg mit seiner begrenzten Infrastruktur überhaupt umsetzbar?
Pütz: Erstmal haben wir ja gerade mal den Abstieg vermieden. Aber wir bauen gerade in Brück unser Nachwuchsleistungszentrum mit zwei neuen Plätzen, das wird nächstes Jahr fertiggestellt einen weiteren Trainingsplatz, den wir als Nachwuchsleistungszentrum dringend benötigen, der wird zur neuen Saison fertiggestellt sein. Ein Funktionstrakt für unsere Jugend ist in Planung. Dann wird es hier in Höhenberg ein neues VIP-Zelt geben, Vorbild Fortuna Köln (lacht). Wir machen schon extrem viel, um unser Umfeld hier besser aufzustellen.
Ist es denkbar, die Planungen für ein gemeinsames zweitliga-taugliches Stadion von Fortuna und Viktoria wieder aufzunehmen?
Westendorf: Ich kann mir alles vorstellen – nur nicht in Stammheim. Von diesem Projekt können wir uns verabschieden. Wir würden unsere Identität aufgeben, wenn wir nach Stammheim zu Heimspielen umziehen würden. Wenn das Südstadion renoviert würde und Viktoria umziehen müsste, hätten sie ähnliche Probleme. Es liegt halt dieser Fluss dazwischen.
Und der bleibt auch.
Westendorf: Ja, der bleibt. Aber nochmal zurück zur Zuschauer-Thematik. Zumindest in der Dritten Liga sind es ja nicht immer so Spiele wie gegen Kaiserslautern vor 8000 Fans. Da hast du auch Meppen, Verl und Dortmund II. Was will man da mit einem großen Stadion? Eines für 10 000 Zuschauer reicht doch dicke.
Pütz: Das finde ich auch.
Westendorf: Die Ansprüche, die die Verbände an die Stadien stellen, sind übertrieben – was Infrastruktur und Stadion-Technik angeht. Klar hat man in Höhenberg das Problem, dass es kaum Parkplätze gibt und man natürlich an der Merheimer Heide nichts verändern darf. Im Südstadion hast du die Wohnbebauung drumherum. Wenn es diese ganzen Vorschriften zu Infrastruktur und Emissionen, also Lärm, nicht gäbe, könnte man hier und in Höhenberg super Zweitliga-Fußball spielen und im Südstadion noch viel besser.
Pütz: Man darf auch nicht vergessen: So ein neues Stadion ist erst nach sechs, sieben Jahren fertig. Und wer weiß, wo dann Viktoria und Fortuna spielen.
Der 1. FC Köln überstrahlt in der Stadt alles. Muss man sich als Fortuna und Viktoria zusammentun, um für eine größere Wahrnehmung zu sorgen? Oder muss man sich klar voneinander abgrenzen, um das jeweilige Profil zu schärfen?
Pütz: Auf unserer Rheinseite leben etwa 600 000 Menschen. Da ist noch Potenzial, da wollen wir noch Zuschauer gewinnen. Wir haben mit vielen Aktionen unseren Besucherschnitt schon um 1000 steigern können in dieser Saison.
Westendorf: Der Fußball hat sich total gewandelt. Ich komme aus einer Zeit, in der die Fortuna noch in Schlagdistanz zum FC war. Aber das ist lange her. Der FC kostet uns heute keine Sponsoren mehr und wenn sie nicht zeitgleich zu Hause spielen auch kaum Zuschauer, das ist doch mittlerweile eine ganz andere Welt. Viele unserer Sponsoren wären in so einem Bundesliga-Konstrukt vielleicht nur ein kleines Rädchen. Bei uns genießen sie eine andere Wahrnehmung und auch einen anderen Umgang. Wir haben zwischen um die 300 Sponsoren in verschiedensten Größenordnungen. Die bilden unser Rückgrat.
Hilft es Fortuna und Viktoria, auf die Rivalitäts-Karte zu setzen?
Pütz: Wir grenzen uns natürlich ab. Aber zu allererst sind wir die Viktoria-Familie und schauen auf uns. Das geht euch in der Südstadt doch auch so, oder?
Westendorf: Rivalität ist wichtig, aber das allein reicht nicht. Natürlich versuchen wir, unser Profil zu schärfen. Aber wir haben eine treue Anhängerschaft auch mit einer für Viertliga-Verhältnisse großen aktiven Fanszene. Unsere Klub-DNA ist es, dass wir sowohl Profisport als auch intensiven Jugend- und Breitensport betreiben. Dafür soll die Fortuna stehen, so soll die Wahrnehmung sein.
Gibt es vor dem Finale am Samstag Sicherheitsbedenken, fürchten Sie einen Platzsturm?
Pütz: Bei uns hat es so etwas noch nicht gegeben, ich mache mir keine Sorgen.
Westendorf: Wir glauben, dass wir deutlich mehr Fans für uns mobilisieren können. Aber klar ist: Es muss friedlich bleiben. Platzstürme werden ja oft kritisch gesehen. Aber zuletzt ging es dabei ja nicht darum, sich mit den gegnerischen Fans zu duellieren, sondern der eigenen Freude Ausdruck zu verleihen. Die Rivalität kann und wird sich in Worten ausdrücken – aber es muss friedlich bleiben.