Franz Wunderlich im Interview„Die Anspannung bei Viktoria Köln wird immer größer“
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Herr Wunderlich, der plötzliche Abgang von Geschäftsführer Andreas Rettig nach knapp einem Jahr hat zuletzt beim FC Viktoria mächtig Staub aufgewirbelt. Wie bewerten Sie seinen vorzeitigen Rücktritt?
Eigentlich möchte ich mich zu diesem Thema gar nicht umfänglich äußern. Fakt ist, dass ich die Beendigung der Zusammenarbeit sehr bedaure, immerhin habe ich mich intensiv dafür eingesetzt, dass er zu uns kommt.
Gab es einen Machtkampf zwischen Ihnen und Andreas Rettig?
Auch in sportlicher Hinsicht ist die Situation brisant, die Mannschaft steckt im Abstiegskampf. Wie ist es um Ihr Nervenkostüm bestellt?
Um meine Nerven geht es ja zum Glück nicht, ich bin aber durchaus stresserprobt. Entscheidend ist, dass alle an einem Strang ziehen. Intern sind wir absolut klar und haben die letzten Partien auch gründlich analysiert. Mit einem möglichen Abstieg beschäftige ich mich nicht, das wäre verschwendete Energie.
Die Mannschaft hat bereits zwei Matchbälle zum Klassenerhalt vergeben…
Von Matchbällen möchte ich eher nicht sprechen, denn in dieser engen Liga ist jede Partie ein absoluter Abnutzungskampf. Von der Einstellung kann ich keinem Einzelnen einen Vorwurf machen. Vielleicht hat beim ein oder anderen zuletzt aber etwas die geistige Frische gefehlt.
Nun kommt es in den letzten beiden Spielen womöglich zum Showdown. Das hätten Sie sich sicher gerne erspart.
Natürlich wird die Anspannung immer größer, wenn die Spiele weniger werden. Mit dem Heimspiel gegen Kaiserslautern und der Partie nächste Woche in Braunschweig haben wir aber auch zwei Highlights vor der Brust. Für solche Duelle spielt man doch Fußball.
Beim 1.FC Kaiserslautern steht seit dem vergangenen Sommer Ihr Sohn Mike unter Vertrag. Welche Gefühle kommen vorab in Ihnen hoch?
Kai Klefisch, Mittelfeldspieler des FC Viktoria, hat sich im Training eine schwere Knöchelverletzung zugezogen und wird für mehrere Monate ausfallen. „Das ist sehr bitter, in erster Linie natürlich für Kai“, erklärte Viktoria-Cheftrainer Olaf Janßen vor der Drittliga-Partie am Sonntag gegen den 1. FC Kaiserslautern (14 Uhr, Sportpark Höhenberg). Vor einigen Wochen hatte der 22-jährige Leverkusener einen Dreijahres-Vertrag beim Zweitligisten SC Paderborn unterschrieben.
Unabhängig davon hat der FC Viktoria gegen den Aufstiegsaspiranten aus der Pfalz ein Endspiel mit unklaren Vorzeichen vor der Brust: Ein Unentschieden könnte bereits für den Klassenerhalt reichen. Ebenso würde den Lauterern unter Umständen ein Remis langen für die Relegation um den Zweitliga-Aufstieg gegen Dynamo Dresden. Das Stadion ist ausverkauft, gut 8000 Zuschauer werden erwartet. (ol)
Der kommende Sonntag war in den letzten Wochen natürlich immer wieder ein Thema bei uns beiden. Dass wir uns ausgerechnet in dieser Konstellation wiedersehen, haben wir uns aber sicher nicht gewünscht. Es ist jetzt nun mal so, dass beide Teams die Punkte brauchen. Mike ist es seinem Verein schuldig, alles raus zu hauen. Und dass ich uns gegen Kaiserslautern die Daumen drücke, dürfte ja nicht überraschend sein.
Es geht für die Viktoria und Kaiserslautern sportlich um sehr viel. Können Sie die familiäre Situation für 90 Minuten ausblenden?
Uns bleibt ja nichts anderes übrig, wir befinden uns schließlich im Profifußball. Trotzdem würde ich lügen, wenn ich jetzt behaupten würde, dass mich das ganze Szenario kalt lässt. Immerhin kehrt Mike das erste Mal in sein altes Wohnzimmer nach Höhenberg zurück.
Wie werden Sie Ihrem Sohn nach dem Spiel begegnen? Unabhängig vom Ausgang.
Der Umstand, dass wir am Sonntag sportlich gesehen Gegner sind, wird definitiv keinen Keil zwischen uns treiben. Im Idealfall können wir uns nach dem Abpfiff beide freuen.
Außer Mike spielen beim FCK mit Trainer Marco Antwerpen und René Klingenburg als Spieler noch zwei weitere ehemalige Viktorianer eine wichtige Rolle. Gibt es noch Kontakte?
Ich saß bei Lauterns Sieg gegen Saarbrücken vor einigen Wochen auf der Tribüne und war mit Klinge anschließend essen. Wir pflegen aufgrund unserer gemeinsamen Vergangenheit schon ein recht gutes Verhältnis.
Hat der 1.FC Kaiserslautern mit seiner enormen Wucht den Zweitliga-Aufstieg nicht allemal verdient?
Na ja, am Ende des Tages lügt die Tabelle nicht und zeigt Dir genau, wer es verdient hat und wer nicht. Ich denke schon, dass Eintracht Braunschweig einen sehr langen Atem hat und im Finale auch Glück und Form eine wichtige Komponente einnehmen.
Die Viktoria hat am Sonntag gefühlt ein Auswärtsspiel. Wird die Mannschaft dem Druck standhalten können?
Immer dann, wenn die Hütte in Höhenberg voll war, haben wir richtig gute Spiele abgeliefert. Wir sollten die Stimmung genießen und uns fokussieren. Ich bin davon überzeugt, dass wir es schaffen und über die Ziellinie kommen, wir haben es in der eigenen Hand. Aber ich muss schon zugeben, dass es eine unfassbar schwierige Saison war.