42. Leverkusener JazztageMyles Sanko und Ola Onabulé zwischen Salsa und Melancholie
Leverkusen – Ein Abend der Sänger wird von Stimmen bestimmt. Am Abend des Ola Onabulé und Myles Sanko im Erholungshaus geht es jedoch weit darüber hinaus: Die Stimmen dieser beiden Sänger bestimmen den Abend nicht nur. Sie regieren ihn, denn: Sie machen etwas mit den Zuhörenden und gehen über reine Unterhaltun hinaus.
Onabulé ist einer, der seine Stimme als Instrument, als Seismograph von Stimmungen und als Fenster in die eigene Seele benutzt. In der geht es nicht nur fröhlich zu. Die eingestreuten Tänzchen auf der Bühne zu den Salsa-Klängen seiner Band führen in die Irre. Onabulé berichtet beispielsweise, dass er die Songs seines aktuellen Albums „Point Less“ schrieb, nachdem er im Internet ein Video sah, in dem in den USA ein Polizist einen Mann vor den Augen dessen Kindes erschoss. „Ich saß da, rührte mich zehn Minuten nicht. Dann schrieb und schrieb und schrieb ich. Und am Ende hatte ich 35 neue Stücke beisammen.“
Gewalt und Trauer
Sie alle handeln von der Gewalt und der Trauer in der Welt sowie Onabulés Sehnsucht, diese zu stoppen. Die Menschen zu einen. Und zwar egal ob im Kosmos der Zweisamkeit, in der eine Liebe zerbricht. Oder im großen Ganzen, wenn Ideologien aufeinanderprallen und sich Rassismus und andere Übel breit machen. All das transportiert Onabulés Stimme wie selbstverständlich.
Natürlich: Er kann auch Scat-Gesang und vermag es, atemberaubende und auf reinen Tönen basierende Impro-Soli zu singen – so wie andere das auf einer Gitarre oder einem Klavier machen. Einmal mischt er sogar Rap und Blödel-Spielereien auf maximal-vokalistischem Niveau. Und eine Al-Jarreau-Nummer gelingt fantastisch.
Schluchzen und Flehen
Aber alles beherrschend ist da eben dieses Schluchzen, dieses Flehen, das er in den melancholischen und traurigen Stücken offenbart und mit einer extrem ausgeprägten Mimik unterlegt. Dass der britisch-nigerianische Sänger dabei niemals die gefährlich nahe und niedrige Grenze zum Schmalz überschreitet, zeigt die geballte Klasse dieses Mannes.
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Und so bleibt seine einzige Schwäche hier und da nur die kurzzeitig doch mal allzu dick aufgetragene Übertreibung, in der das Flehen zum Greinen und das Gesicht zur Grimasse wird. In diesen Momenten ist Ola Onabulé nämlich nicht mehr Ona Onabulé, sondern jemand, der allzu offensichtlich eine Rolle auf der Bühne spielt. Das ist dann schade. Aber nicht schlimm. Denn es zeigt: Er nimmt sich all das dann doch nicht jedes Mal, wenn er darüber singt, über Gebühr zu Herzen – was ungesund und somit schlimm wäre.
Myles Sanko und der Soul
Myles Sanko wiederum ist von ganz anderem Schlag. Seine Musik ist der Soul. Und nichts anderes. Er fühlt ihn nach eigenen Worten. Er sucht ihn, wenn er die Menschen im Saal fragt: „Ist hier Liebe?“ Und er singt ihn in seinen Songs. Nein, lautet da die Zeile, er sei nicht der perfekte Mann und werde das auch nie sein.
Aber er werde seine Geliebte jederzeit retten, wenn das in dieser „cold, cold world“ mal nötig sein solle. Dazu streichen die Besen zart über die Becken des Schlagzeugs. Und Sanko wirbelt im Sakko elegant gekleidet herum und herum. Ein Crooner vor dem Herrn. Und jedes Mal eine Bereicherung für ein Festival wie dieses.