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„Berge an Elektroschrott wachsen“Ehrenamtliche in Burscheid bringen Defektes auf Vordermann

Lesezeit 3 Minuten
Reparateur Johannes Kurzawa versucht, den Toaster von Kundin Brigida Selmeczi-Bowen ans Laufen zu bringen.

Reparateur Johannes Kurzawa versucht, den Toaster von Kundin Brigida Selmeczi-Bowen ans Laufen zu bringen.

Ehrenamtliche schenken im Burscheider Reparaturcafé aus Überzeugung und Freude defekten Dingen ein zweites Leben.

Der Föhn geht nicht mehr, aus der Musikbox kommt kein Ton, die geliebte Spieluhr hat den Geist aufgegeben. Vielen kommt für den nächsten Schritt wohl nur eines in den Sinn: Wegwerfen. Das wollen die Ehrenamtlichen des Reparaturcafés Burscheid ändern. Seit 2016 empfangen sie Hilfesuchende und ihre defekten Gegenstände.

„Man muss Dinge nicht so schnell wegwerfen. Häufig ist nur ein kleines Ersatzteil für wenige Cent nötig und es läuft wieder“, weiß Koordinator Michael Corts. Er und seine acht Kollegen versuchen allem, was sie in die Finger bekommen, ein zweites Leben zu schenken. Heute auf dem Tisch: Der Verstärker der Burscheider Turngemeinde. Letzten Monat legte Reparateur Jan Turn am CD-Laufwerk Hand an. An diesem Nachmittag baut er einen neuen Akku ein. Endkontrolle und das Ding funktioniert wieder.

In den Verstärker der Burscheider Turngemeinde muss nur noch der neue Akku eingesetzt werden.

In den Verstärker der Burscheider Turngemeinde muss nur noch der neue Akku eingesetzt werden.

Neben an scheitert es schon am ersten Schritt: Dem Aufschrauben des 20 Jahre alten Toasters. „Die Prognose ist nicht gut. Er ist schwer auseinander zunehmen“, sagt Schrauber Johannes Kurzawa. Das passiert wenn die Einzelteile vergossen sind, also miteinander verschmolzen. Kundin Brigida Selmeczi-Bowen blickt erwartungsvoll auf die Versuche Kurzawas, jedoch vergebens.

„Die Berge an Elektroschrott wachsen. Alles, was wir reparieren, reduziert die Elektromüllberge“, betont der Koordinator der Initiative. Rund 150 Reparaturen sind es im Laufe eines Jahres, etwa drei Viertel der Geräte bringen die Ehrenamtlichen wieder ans Laufen. Allein die Ersatzteile bezahlen die Kunden. Für ihr Engagement wurden die neuen Männer im vergangenen Jahr von Bürgermeister Dirk Runge zu den Burscheidern des Jahres 2021 gekürt.

Erstmal aufschrauben, Elemente durchgehen, Ursache einkreisen, defektes Teil ausbauen und gegebenenfalls nachbestellen.
Klaus Scharfenort

Wie finden die Reparateure überhaupt den Ursprung des Problems? „Erstmal aufschrauben, Elemente durchgehen, Ursache einkreisen, defektes Teil ausbauen und gegebenenfalls nachbestellen“, fasst Klaus Scharfenort den Prozess zusammen. Wenn das fehlende Element in der Post ist, wird es beim nächsten Treffen eingebaut. Mi 15 Jahren begann Scharfenort seine Elektrolehre, heute werkelt er ehrenamtlich: „Jeder macht alles. Wenn Fragen aufkommen, hilft man sich untereinander.“

Doch von Elektrik muss man Ahnung haben. Koordinator Corts lässt davon lieber die Finger. Sein Spezialgebiet: Mechanisches, am liebsten Spielzeug. Er berichtet, vergangenen Monat sei eine Frau mit einer kleinen Spieluhr vorbeigekommen, die sie 1969 zur Kommunion erhielt. Das Problem: Sie spielte nicht mehr. „Innen drin war die Feder gebrochen. Ich habe sie ausgebaut und verkürzt wieder eingebaut“, erklärt Corts. Jetzt geht die Spieluhr an die Tochter der Dame als Geschenk zum runden Geburtstag und verzaubert wieder mit ihren Klängen, nur eben etwas kürzer.

Der Koordinator ist froh über die gemeinsamen Treffen: „Es geht nicht nur um das Reparieren, sondern auch um die Kontakte. Das Reparaturcafé ist ein sozialer Treffpunkt.“ Da können ihm seine Kollegen bei Waffeln und Kaffee nur zustimmen.

Die ehrenamtlichen Reparateure werkeln jeden letzten Donnerstag im Monat von 15 bis 18 Uhr in den Räumlichkeiten des Tri-Cafés in der Bürgermeister-Schmidt-Straße 25 an den Geräten. Die defekten Gegenstände müssen bis 17 Uhr am Empfang angemeldet werden. Der nächste Termin ist am 31. August.