Am Mittwochabend trafen sich Kinder und Stadtpolitiker im Burscheider Megafon zum „Politdinner“. Die Kinder stellten provokante Fragen.
„Politdinner“ Kinder stellen bohrende Fragen an Burscheider Politiker
„Ist die Unterstützung Israels im Israel-Palästina-Konflikt Treue wegen der Situation im Zweiten Weltkrieg oder die ehrliche Meinung Deutschlands?“ Die Fragen der Kinder beim Dinner mit den Burscheider Ratsmitgliedern sind direkt. Und impulsiv. Das bringt schon einmal den einen oder anderen Politiker aus dem Konzept. „Das ist total schwierig“, „gute Frage“ oder „da sehe ich keine Lösung“ bekommen die Kinder ein paar mal zu hören.
Erst einmal geben sich die Entscheidungsträger der Stadtpolitik aber Mühe, den Kindern ihre Fragen zu beantworten – auch, wenn das alles andere als leicht ist, denn mit einfachen Antworten geben sich die Kinder und Jugendlichen nicht zufrieden. „Man merkt die Entwicklung der Kinder über die Jahre: Sie trauen sich jetzt mehr“, sagt Hasna Abdu aus dem Megafon-Team. Zum vierten Mal organisiert das Burscheider Jugendzentrum die Veranstaltung. Dabei haben Leiter Marc Munz und sein Team das Konzept immer wieder verändert: Vom gemeinsamen Kochen über Speed-Dating sind sie nun bei Gesprächstischen gelandet, an denen man für einen Gang gemeinsam diskutiert. Dann wird gewechselt.
Vier Gänge gibt es insgesamt und die einzelnen Tische sind themenorientiert. Über Umwelt, Kultur, Schule und Soziales, Stadtentwicklung, Aktuelles und Nachhaltigkeit können sich die Gäste austauschen. Für alle, die Starthilfe brauchen, liegen auf dem Tisch schon drei Fragen bereit, die die Megafon-Kinder vorbereitet haben.
Dabei wird das Gespräch am Tisch „Nachhaltigkeit“ besonders konkret, denn Munz hat die gemeinnützige Organisation „Rette und Teile“ eingeladen, die sich mit den Kindern auch über ihre Projekte austauschen. „Wir haben in den vergangenen Jahren bereits 1,5 Millionen Kilogramm Lebensmittel gerettet, das sind 45 Lastwagen“, erklären die Ehrenamtler den Kindern. Zwei Stationen am Kindergarten Sonnenblume und am Tri-Café hat „Rette und Teile“ schon in Burscheid aufgestellt. Hier können Lebensmittel herausgenommen oder auch abgegeben werden.
Während an dem einen Tisch über die Möglichkeiten, verantwortungsbewusst mit Lebensmitteln umzugehen, diskutiert wird, interessiert Schülerin Sarah ein paar Tische weiter: „Was müssen wir tun, um kulturelle Vielfalt zu schützen?“ Die zweite stellvertretende Bürgermeisterin Heidi Neumann findet Akzeptanz wichtig. „Man muss manche Dinge einfach tolerieren. Nicht jeder mag Oper und nicht jeder mag Heavy Metal und das ist auch in Ordnung“, sagt sie. Außerdem brauche es Menschen, die mithelfen und die Kultur pflegen.
Auch Bürgermeister Dirk Runge wird am Umwelt-Tisch mit bohrenden Fragen konfrontiert. „Was ist Ihre Meinung zum Thema ‚Klimakleber‘?“, fragen die Kinder. „Das ist schon sehr heftig“, meint Runge, „zu protestieren ist in Ordnung – aber nicht auf diese Art“. So kurz wie dieses Statement fallen die Antworten der Politiker aber in der Regel nicht aus. Einige schweifen vom Thema ab, gehen auf andere Fragen ein. Für die Kinder ist es gar nicht so leicht, da den Überblick zu behalten, aber sie schlagen sich tapfer und fragen immer wieder nach.
Burscheid: Diskussion über Migration
Besonders auffällig ist das an dem Tisch „Aktuelles“. Die Fragen wirken bei diesen Themen noch direkter: „Wie stehen Sie zu dem neuen Messergesetz?“ Oder: „Der CDU-Chef ist der Meinung, es sollte einen Aufnahmestopp für Syrer und Afghanen geben – was ist ihre Meinung dazu?“, interessiert die Kinder. Die Antworten sind ausschweifend. „Die Forderung ist ja nicht das, sondern etwas anderes“, sagt Marc Baack, der CDU-Mitglied ist, „die Aufnahme soll individuell geprüft werden, es heißt nur, dass nicht mehr jeder wegen seiner Herkunft automatisch reinkommt. Eine Pauschalisierung bei so einem sensiblen Thema ist aber natürlich Mist“, stimmt er den Kindern zu.
Die angeregten Diskussionen zeigen: Das diesjährige Konzept mit Thementischen scheint gut aufzugehen. Ein Hindernis gibt es allerdings noch: Wenn Kinder und Erwachsene ins Gespräch gekommen sind, möchten sie in der Regel nicht schon nach einem Gang Tisch und Gesprächspartner wechseln. Marc Munz sieht das gelassen: „Dann bleiben eben alle so sitzen“, sagt er. Und schließlich kommt nach einer Stunde doch etwas Bewegung in die Tischordnung.
Insgesamt scheint das „Politdinner“ des Megafons in jedem Fall einen Nerv zu treffen – sowohl bei den Ratsmitgliedern als auch bei den Kindern. Die Jugendlichen fühlen sich wahrgenommen, ernstgenommen. „Es ist aufregend, wenn man darüber nachdenkt, dass die Leute, die in der Stadt das Sagen haben, mir zugehört haben“, sagt die dreizehnjährige Sarah. Und für die Politiker ist es sicherlich auch hilfreich, sich mit den Problemen und Sorgen der jungen Generation so direkt auseinanderzusetzen.