Hilgener Backstube in der Corona-ZeitBäcker Kretzer hilft der Tafel
Burscheid-Hilgen – „Wie schnell man schlecht dran sein kann, das sehen wir im Augenblick doch alle.“ Bäcker Richard Kretzer aus Hilgen spricht von den Kunden der Tafel, die er seit dieser Woche mit Brot und Kuchen versorgt. Sie kommen zu ihm ins Hauptgeschäft an der Kölner Straße 50 in Hilgen und zeigen ihren Tafelausweis vor. Nachdem die Tafel an der Montanusstraße bis vorerst 21. April ihren Laden geschlossen hatte, sprang Kretzer spontan in die Bresche: „Während der Corona-Krise müssen wir alle noch mehr Verantwortung übernehmen.“
Unterstützung für die Schwachen
Statt mittwochs und freitags will er nun an allen Tagen einschließlich Sonntag, für die Kunden der Tafel aus Burscheid, Hilgen und Wermelskirchen da sein. „Wir machen das für die Schwachen der Gesellschaft, denn wir haben doch genug.“ Bislang holten die Tafeln Brot und Gebäck vom Vortag bei ihm im Betrieb ab, nun gibt er es direkt an deren Kunden aus. Eine Mutter mit ihrer Tochter machte sich gleich mehrere Taschen voll und für den Unternehmer ist das völlig in Ordnung. Lange habe er mit sich gerungen, ob sie überhaupt einen Tafelausweis vorzeigen sollen. Er sprach sich mit den Tafeln ab und übernahm die Regelung.
Auch den Senioren machte er ein Angebot, ihnen Brot zu liefern. „Das nehmen sie etwas verhalten, wir hatten allerdings auch appelliert, dass das keiner ausnutzen soll. Aber wenn jemand möchte, bringen wir ihm die Ware kostenlos vorbei.“ Der Hobbymusiker, der im Orchesterverein Hilgen Euphonium spielt und das Ehrenamt des Kassierers hat, wirkt gut gelaunt und wie einer, der sich nicht so schnell unterkriegen lässt. Im vergangenen Jahr wurde er von der Freiwilligen Feuerwehr Burscheid zum Dank für seine Unterstützung die Floriansmedaille, die an Personen verliehen wird, die zwar nicht aktiv bei der Feuerwehr sind, diese aber aktiv unterstützen. „Das war mir peinlich. Ich dachte ich höre nicht richtig“, sagt der Bäcker, der unprätentiös und dafür umso patenter ist.
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Sein Glück in der Krise sei nun, dass er seine Firma so strukturiert habe, dass sie nach wie vor ein reiner Backbetrieb ist. Solche Fachgeschäfte seien systemrelevant, also wichtig für die Infrastruktur. Sein Wunsch geht dahin, dass die Menschen nach Corona nicht so schnell vergessen. Die „Geiz ist geil“-Mentalität hat sich seiner gefühlten Einschätzung nach zuletzt zumindest im Lebensmittelbereich etwas abgeschwächt.
Denn Brot das in Asien vorbereitet, gefroren und hierzulande aufgebacken wird, das sei zwar unschlagbar billig. Aber der Endverbraucher wisse eben auch die Qualität zu schätzen und zahle dafür etwas mehr. „Ein Brötchen für 15 Cent ist illusorisch.“ Kretzer versprüht Optimismus: „Die Leute können vom Minigolf bis Schmuckkauf derzeit kein Geld ausgeben. Der Konsum wird anspringen. Von Horrorszenarien halte ich nichts.“