AboAbonnieren

Jahrelange VerzögerungLand kündigt Bauvertrag für Leverkusener Rheinbrücke

Lesezeit 5 Minuten
Lev Brücke Krieger

Blick auf die Leverkusener Rheinbrücke

  1. Der Landesbetrieb Straßen NRW hat dem Baukonzern Porr mit sofortiger Wirkung gekündigt.
  2. Hintergrund sind schwerwiegende Mängel an 22 Stahlbauteilen, die in China produziert wurden.
  3. Nun muss das Projekt neu ausgeschrieben werden und der Bau wird sich um mindestens zwei Jahre verschieben.

Leverkusen/Gelsenkirchen – Der Bau der Leverkusener Rheinbrücke wird sich um mindestens zwei Jahre bis Ende 2023 verzögern. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat der Landesbetrieb Straßen NRW dem österreichischen Baukonzern Porr AG, der die Ausschreibung für die 363 Millionen Euro teure Brücke gewonnen hatte, mit sofortiger Wirkung gekündigt. Das kommt faktisch einem Baustopp gleich. Das Projekt muss jetzt neu ausgeschrieben werden.

Grund für die Kündigung sind schwerwiegende Mängel an 22 Stahlbauteilen, die in China produziert und bereits ausgeliefert wurden. Sie werden für den Bau des ersten Brückenteils benötigt, der nach dem bisherigen Plan Ende 2021 abgeschlossen sein soll. Laut Straßen NRW weisen die Bauteile, die man inzwischen alle untersucht habe, derart schwerwiegende „systematische Mängel“ auf, dass sie nicht eingebaut werden können. Insgesamt werden für den Bau der Brücke, die aus zwei Teilen besteht, 80 dieser Stahlbauteile gebraucht. Der Baukonzern Porr hatte angeboten, die Mängel an den bereits gelieferten Stahlbauteilen vor Ort zu beheben und die beiden ersten Träger komplett neu in China fertigen zu lassen. Vier Brücken lagern in Köln-Niehl, 18 im Hafen von Rotterdam.

250 bis 600 Mängel – pro Bauteil

Aus Sicht des Landesbetriebs macht das keinen Sinn. Man sei sich mit dem Baukonzern zwar einig, „dass einzelne Mängel in einer überschaubaren Anzahl repariert werden könnten“. Das Problem sei aber die außergewöhnlich hohe Zahl der Mängel. Der Landesbetrieb spricht von 250 bis 600 Mängeln pro Bauteil. Selbst nach einer Reparatur würden diese daher weder den Verträgen entsprechen noch die geforderten Normen erfüllen. Weil niemand vorhersagen könne, welche Folgen das für eine Brücke habe, über die täglich 120.000 Fahrzeuge, darunter 14.000 Lkw fahren, „käme die Inbetriebnahme mit diesen reparierten Mängeln einem experimentellen Bauwerk gleich“, heißt es in dem internen Schreiben.

Theoretisch sei es zwar möglich, die Brücke unter diesen Bedingungen fertigzustellen. Das gehe aber nur, wenn das vorab durch staatliche Prüfer genehmigt werde. Dazu müsse Straßen NRW einen sogenannten Tolerierungsantrag stellen, dessen Genehmigung rund zwei Jahre dauern könne. Die mögliche Genehmigung werde aber nur unter Auflagen wie verkürzte Prüfintervalle oder gar die permanente Überwachung der neuen Brücke erfolgen. Ein Zustand, den die Autofahrer bei der bestehenden Brücke täglich erleben. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat das NRW-Verkehrsministerium ein solches Verfahren abgelehnt, zumal es keinen Zeitvorteil bringt. „Das kann für niemanden eine Option sein. Wenn die Brücke jetzt neu gebaut wird, muss sie langlebig gebaut werden ohne Abstriche bei Qualität und Sicherheit“, heißt es.

Verzögerung von bis zu viereinhalb Jahre?

Dem Vernehmen nach geht man in Düsseldorf davon aus, dass der erste Teil des Neubaus wegen der neuen Ausschreibung statt wie zuletzt geplant Ende 2021 erst zwei Jahre später fertig wird. Die alte Brücke wird also mindestens bis zu diesem Zeitpunkt für den Lkw-Verkehr ab 3,5 Tonnen gesperrt bleiben. Bei der Porr AG geht man von einem deutlich längeren Zeitraum aus. Die Rede ist von einer Verzögerung von bis zu viereinhalb Jahren. Die Mehrkosten könnten bis zu 300 Millionen Euro betragen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Der Streit mit dem Baukonzern war in den vergangenen Monaten immer weiter eskaliert. Der Landesbetrieb Straßen NRW hatte die Kündigung am 20. März angedroht und die Frist zweimal verlängert, zuletzt bis zum 20. April, wenn die Stahlbauteile nicht komplett zurückgenommen und den Normen entsprechend neu hergestellt werden. Bei einem Gespräch der Gutachter beider Seiten drei Tage zuvor habe man keine Einigung erzielt.

Mängel bei der Arbeitssicherheit

Straßen NRW hat nach eigenen Angaben entgegen der Behauptungen der Porr AG mit der Genehmigung der Verschiffung nach Rotterdam auch keine Abnahme der Bauteile erteilt. Dies sei schon deshalb nicht möglich gewesen, weil die Überwachung der Fertigung in China durch eine von Straßen NRW beauftragte Ingenieurgesellschaft „zeitweise nicht möglich“ war, heißt es. Am 10. März 2019 sei den Ingenieuren der Zutritt auf das Werksgelände verwehrt worden. Straßen NRW habe das Verkehrsministerium des Landes einschalten müssen. Dessen Staatssekretär Hendrik Schulte habe über die Probleme am 18. April ein Gespräch mit dem chinesischen Konsul geführt. Die Kontrolle sei auch durch Mängel bei der Arbeitssicherheit behindert worden, „so dass viele Bauteile vor Ort nicht untersucht werden konnten“.

Das Angebot des österreichischen Baukonzerns, die beiden ersten Hohlkastenträger neu herzustellen, für die bereits ein Gutachten von Straßen NRW vorliegt, nehme man zur Kenntnis. „Man kann aber den Eindruck haben, dass Porr hier eine Form der Salami-Taktik verfolgt und nur die Teile neu bauen möchte, bei denen Mängel durch zusätzliche Gutachten nachgewiesen sind“, heißt es in einem internen Schreiben.

Weiter an Einigung interessiert

Beim österreichischen Baukonzern geht man hingegen davon aus, dass Straßen NRW mit der Forderungen nach der Neuherstellung der Stahlbauteile von eigenen Versäumnissen ablenken möchte, die ihrerseits zu einer deutlichen Verlängerung der Bauzeit führen würden. Ein Jahr habe man bereits verloren, weil die Kampfmittelsondierung des Baufelds nicht abgeschlossen war, so Porr. Überdies habe es der Landesbetrieb versäumt, beim Abbruchkonzept für die alte Brücke eine Umweltprüfung vorzunehmen. Das habe man erst 2018 im Auftrag von Straßen NRW mit dem Ergebnis nachgeholt, dass die Brücke mit Asbest und PCB belastet sei. Der Abbruch werde nach den Plänen von Straßen NRW daher drei Jahre dauern. Porr habe ein Konzept vorgelegt, das eine Verkürzung auf 18 Monate vorsieht.

Im Dezember 2019 hatte der Konzern deshalb eine Erhöhung der Baukosten um 250 Millionen Euro bei einer um 57 Monate verlängerten Gesamtbauzeit angezeigt. Diesen Nachschlag hatte Porr-Chef Karl-Heinz Strauss Anfang April 2020 in einem Brief an das NRW-Verkehrsministerium zurückgenommen. Man sei weiterhin an einer gütlichen Einigung interessiert, wolle das Projekt zu Ende bringen.