Aufräumen nach dem Super-GewitterHilfsbereite Leichlinger packen gemeinsam an
Leichlingen – Auf die große Flut folgte die Welle der Hilfsbereitschaft. Nach den Überschwemmungen durch das Supergewitter haben Nachbarn Herz und Schaufel in die Hand genommen und Flutopfer und Feuerwehrleute in einem Ausmaß unterstützt, das man kaum für möglich gehalten hat.
Anwohner, die sich bislang kaum kannten, haben sich Schubkarre und Wassereimer in die Hand gegeben. Wildfremde Menschen haben Gummistiefel und Pumpen eingeladen und sind gekommen, um mit anzupacken. Café-Besitzerin Petra Strieker hat am Sonntag aus ihrem Urlaub heraus dafür gesorgt, dass die Helfer mit Brötchen, Kuchen und Kaffee versorgt werden.
Und die Hilfsangebote nehmen kein Ende. Parallel zur gestarteten Spendensammlung der Bürgerstiftung für in Not geratene Familien überschlagen sich private Aufrufe in Facebook-Gruppen und Vereinen. Bürger spenden Familien, die ihr Hab und Gut verloren haben, Waschmaschinen, Kühlschränke und Trockner. Nach einem Hilferuf für eine 90-jährige Frau, deren Wohnung überflutet worden ist und die Nachbarn bei sich einquartiert haben, standen ein Dutzend Leute an der Kurze Straße, um Möbel und Hausrat zu entsorgen.
Baustoff-Händler Jens Geibel, der privat stundenlang selbst in der Paul-Klee-Schule Schlamm geschippt hat, organisiert für Geschädigte eine Sammelbestellung für Fenster, Türen, Farben und Holz zu Einkaufspreisen plus fünf Prozent. Stammgäste der abgesoffenen und geschlossenen „Ratsstube“ an der Marktstraße planen ein Helferfest, dessen Erlös Bedürftigen zugute kommen soll.
Wellness gegen Muskelkater
Natascha Eschenbücher bietet allen Ehrenamtlern, die sich beim stundenlangen Dauereinsatz Verspannungen und Muskelkater geholt haben, kostenlose Wellness-Massagen an, sie will ihre Liege in der Feuerwache am Wallgraben aufschlagen. Andere planen dort oder am Naturfreundehaus eine Dankeschön-Party für die Einsatzkräfte. Der Stadtfest-Verein will es organisieren und Getränke und Grillgut spendieren. Vorsitzender Maurice Winter: „Feuerwehr, DRK, DLRG, THW und Bauhof unterstützen uns auch seit vielen Jahren bei unserem Fest und wir wissen, was die Jungs und Mädels immer wieder leisten. Wir möchten nun ebenfalls Danke sagen!“ Der Aufruf hat ein begeistertes Echo gefunden. Ein Termin wird noch gesucht.
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Derweil ist die Not an vielen Ecken des Stadtgebietes nach wie vor groß. Berge von Sperrmüll, zerstörten Einbauküchen, durchnässten Holzböden, Kellerregalen, Waschmaschinen und Möbeln stehen überall in der Innenstadt am Straßenrand und werden von der Avea in Sonderschichten abgefahren. In langen Kolonnen karren die Menschen das Treibgut des Gewitters auch selbst zum Recyclinghof am Frese-Gewerbepark, der wegen des Notstands bis 20 Uhr öffnet.
Mit Radladern und Lastwagen wird Schlamm auf dem Obstmarktgelände abgelagert. An der Oskar-Erbslöh-Straße wurden die bislang unter Matsch begrabenen Radwege und Seitenstreifen gestern mit schwerem Gerät von Dreck befreit. Mit Feuerwehrschläuchen rückte man auch im Altenheim Hasensprungmühle am Mittwoch dem unter Schlammkrusten begrabenen Parkplatz zu Leibe. Gegenüber der Einfahrt legt das verwaiste Stegerhäuschen Zeugnis vom Katastrophengewitter ab: Das hübsche Fachwerkhäuschen steht unmittelbar neben dem Weltersbach, der nachts zum tosenden Fluss anschwoll.
Nun steht es verlassen inmitten einer Schlammlandschaft mit verwüsteten Gärten. Die beiden Frauen, die hier wohnten, sind in der Nacht geflohen, weil sie Angst hatten, dass es weggeschwemmt werden könnte. Sie sind zunächst im benachbarten Altenheim untergekommen und sollen nun vom Bauverein mit einem Obdach versorgt werden. Eigentümer Peter Klumpen muss mit einem Statiker herausfinden, ob das unterspülte alte Haus gerettet werden kann. Er wohnt selbst ein paar Meter weiter unterhalb an der Alten Holzer Straße. Sein Keller ist ebenfalls überflutet worden und in seinem Baumhof wurde ein totes Reh angeschwemmt.
Im Pilgerheim Weltersbach, von den Sturzbächen am schwersten getroffen, sind Handwerker, Gärtner, Techniker, Container-Transporter und Putzkolonnen überall auf Achse, um die massiven Schäden zu beseitigen. Sandsack-Barrieren durchziehen das Seniorendorf. Dem wieder harmlos plätschernden Bach kann man kaum noch ansehen, welche Zerstörungen er angerichtet hat.
Gottesdienste womöglich im Zelt
Fernseh-Empfang, Strom und Telefon funktionieren wieder, die Aufzüge bis auf einen auch. Das Dorfcafé ist geschlossen. Die im Schlamm versunkene Christuskirche, in der Liederbücher im Dreck liegen, wohl noch für mehrere Monate. Die Gottesdienste sollen sonntags provisorisch in einem Raum im Haus Talblick gefeiert werden. Es gibt aber auch Überlegungen, ein Kirchenzelt aufzustellen. Die Zentralküche im Tal konnte schon nach einem Tag Ausfall wieder in Gang gesetzt werden.
Sieben Senioren mussten ihre Wohnungen verlassen und anders untergebracht werden. Haus Emmaus, aus dem wie berichtet die hier wohnenden Flüchtlinge evakuiert werden mussten, wird wohl abgebrochen. Der Altbau sollte allerdings ohnehin bald beseitigt werden. Haus Bethesda neben der Kirche ist im tief liegenden Erdgeschoss nach einem Hangrutsch derart verwüstet, dass man zunächst um den Bestand dieses Gebäudes fürchtete.
Nach dem nun schon zweiten Starkregen mussten insgesamt fünf Wohneinheiten geräumt werden. Noch immer steht der VW, der die Straße hinab gegen die Schieferwand gespült worden ist, in dem Graben. Doch nach einer ersten Überprüfung durch einen Statiker ist kein Gebäude des Pilgerheims vom Einsturz bedroht, berichtet Joachim Noß. Der Leiter des Seniorendorfs war gestern mit einem Vertreter unterwegs und ist erleichtert: „Wir sind gegen Elementarschäden versichert und die Versicherung wird die Kosten übernehmen – ich weiß nicht, was sonst geschehen wäre...“
Auch Noß berichtet gerührt und begeistert über die bürgerschaftliche Solidarität: „Hier sind Leute aufgetaucht, die ich noch nie gesehen habe und die mit der Schaufel in der Hand einfach helfen wollten.“ Auch ein Belegschaftsteam von Covestro hat einen Arbeitseinsatz in Weltersbach angeboten. Baustellen gibt es noch genug.