Messermord in Leichlingen„So eine grausame Tat hätte ich nie begehen können“
Leichlingen – „Ich hab' meine Mutter lieb. So eine grausame Tat hätte ich nie begehen können. Ich kann es nicht wahrhaben.“ Das sind die letzten Worte von Klaus F., bevor die 11. Große Strafkammer am Landgericht dreieinhalb Tage lang über das Urteil beraten wird.
Dass der seit Jahrzehnten schwer psychisch gestörte Leichlinger wegen Mordes an seiner Mutter verurteilt wird, ist seit Montagnachmittag indes nicht mehr zu erwarten. Der Staatsanwalt hat zu große Zweifel, dass der Mann heimtückisch vorgegangen ist an jenem Samstagabend Mitte März: Zum zweiten Mal an diesem Tag besuchte er seine Mutter im Fachwerkhaus.
Was dann geschah, ist im Detail nicht klar und nur ansatzweise zu rekonstruieren. Jedenfalls wurde die 73 Jahre alte Frau zunächst mit dem Ellbogen gewürgt, bevor ihr 14 Messerstiche beigebracht wurden. Als die Polizei die Frau am Montag darauf fand, steckte ein Messer noch in ihrem Hals. Kampfspuren gab es nicht. Der Samstagabend ist „ein tragischer Tiefpunkt der Familiengeschichte“, so der Staatsanwalt. Für ihn ist klar, „obwohl wir nicht alles rekonstruieren können: Der Beschuldigte leugnet die Tat - auch vor sich selbst.“
Im Zweifel für den Angeklagten, fordert der Verteidiger
Sein Verteidiger zieht aus dem bisherigen Verlauf des Prozesses einen anderen Schluss, macht den Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ umfassend geltend: Es gebe „so gut wie keine Beweise - man kann ihn nicht für etwas bestrafen, was er nur möglicherweise getan hat“.
Sicher ist, dass der Mittvierziger im Falle einer Verurteilung nicht in einem Gefängnis landen wird, sondern - wie seit seiner Festnahme im März - in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik. Eineinhalb Stunden lang leitet die Psychologin Konstanze Jankowski am Montag her, warum es dazu keine Alternative gibt. Klaus F. leide „ganz klar unter einer paranoiden Schizophrenie“.
Zu einer echten Behandlung seiner Psychose kam es nie
Immer wieder wurde Klaus F., der sich seit langem einen anderen Vornamen aus der nordischen Mythologie gegeben hat, entweder in Kliniken eingewiesen – oder er ging freiwillig hin. Mal nahm er Medikamente, meistens aber nicht. Zu einer echten Behandlung seiner Psychose sei es aber nie gekommen. Zuletzt habe sich seine Lage verschlimmert. Die Psychiaterin beschreibt seine Schübe als „Wetterleuchten“; die Katastrophe vom 13. März hat sich aus ihrer Sicht durchaus angekündigt.
Mitverursacht wurde die Krankheit offenbar durch drei Jahrzehnte Drogenkonsum: Cannabis, später auch Amphetamine. Die Beziehung des Mannes zu seiner Familie sei schwierig gewesen; der Vater früh gestorben und wenig zugänglich, der Stiefvater später kein echter Stabilisator, das Verhältnis zur Schwester ehr schlecht, das zur Mutter „ambivalent: eine On-Off-Beziehung.“
Zwischendurch lebte der Angeklagte auf der Straße
Vieles deutet darauf hin, dass die 73-Jährige am Mittag vor ihrem Tod den Schalter auf „Off“ gestellt hatte: In einem Telefonat mit einer Freundin war die Rede davon, dass sie die Hoffnung auf Besserung aufgegeben habe, ihren Sohn nicht mehr unterstützen wollte. Der war seit langem ohne Job, fühlte sich in seiner Leichlinger Wohngruppe für psychische kranke Menschen überhaupt nicht mehr wohl, sondern gemobbt. Zwischendurch hatte er sogar auf der Straße gelebt: Eines Tages traf ihn seine Schwester in der Opladener Fußgängerzone an, bettelnd.
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Für die um ein Jahr jüngere Frau ist der Prozess gegen ihren Bruder offenkundig Qual und Bewältigung der Tragödie zugleich. Sie appelliert am Montag an das Gericht, die Tatumstände nicht außer Acht zu lassen: Ihre Mutter wurde überwältigt, wo man sie von außen nicht sehen konnte, obwohl ihre Wohnung im Erdgeschoss liegt. Die Küchentür war geschlossen, obwohl sie sonst immer offen stand, das Licht gelöscht. Für sie sind das Indizien, die auf eine planvolle Tat hinweisen. Also eher Mord als Totschlag. Dass es ihr Bruder war, daran hat sie keinerlei Zweifel.