In der Not nach der FlutSolidarität trifft Kriminalität
Leichlingen – Es ist ein aufgeregter Sonntag. Strahlender Sonnenschein über Bergen von Schutt und zerstörtem Hausrat, überall Menschen, die fieberhaft daran arbeiten, die kaputte Einrichtung ihrer Häuser zum Abtransport an den Straßenrand zu schaffen. An vielen Stellen, vor allem aber längs der Neukirchener Straße und der Markstraße, sind Frontlader im Einsatz um große Container zu beladen. Weg mit dem Dreck, möglichst schnell, ist die Parole, und zu allererst dort, wo der Verkehr am nachhaltigsten behindert wird.
Endlich wieder Strom
Mittags kommt eine gute Nachricht: Zumindest alle Bereiche westlich der Wupper haben wieder Strom. Und der Abtransport der Abfälle, die zunächst in ein nahes Zwischenlager gekarrt werden, kommt vom Kreisel Germaniabad in Richtung Rathaus langsam voran. Eine Mammutaufgabe für Wochen.
Bis dahin leben die unmittelbar betroffenen Menschen im Ausnahmezustand. Der bringt die unterschiedlichen Charaktere ans Licht. Da sind die zahlreichen Helferinnen und Helfer, die Freunden und Verwandten beispringen, mit anpacken bei der Drecksarbeit oder die Versorgung der Helfenden besorgen.
Wie Janine Schadwinkel, die in der zurzeit arg gebeutelten Eventbranche arbeitet. Während ihr Mann seinen Eltern beim Entrümpeln ihres flutgeschädigten Hauses hilft, hat sie an der Neukirchener Straße einen Versorgungsstand mit Speisen und Getränken aufgebaut. Belegte Brötchen, Würstchen, Melonen, Süßigkeiten oder Sprudelwasser – für jeden ist etwas dabei. Gratis. Immer wenn ein Räumteam pausiert, stürmen bis zu 20 Leute den Stand. „Dann sind wir in wenigen Minuten geplündert – und fangen aufs Neue an, Brötchen zu schmieren“, sagt Schadwinkel lachend. Die Edeka-Märkte in Leichlingen und Burscheid, Trinkgut, mehrere Bäcker und Landwirte haben für ihre Aktion gespendet.
Aber es gibt eben auch die andere Seite. Da berichtet ein Hauseigentümer, dass seine herausgebrochenen Türen dazu geführt haben, dass ihm während des Duschens der Fernseher gestohlen worden ist. In mehreren Fällen sind Helfenden während ihres Einsatzes Taschen und Geld gestohlen worden, mehrere Geschäfte wurden während des Aufräumens hinterrücks geplündert. Und illegale Elektroschrott-Händler – meist mit weißen Lieferwagen und Kennzeichen aus Ruhrgebietsstädten – haben am Wochenende systematisch das Stadtgebiet abgegrast, um sich ihre Beute aus den Abfallbergen zu picken. Um die Waschmaschinen und Kühlschränke schneller zu finden, sollen sogar Drohnen eingesetzt worden sein, weiß die Feuerwehr. Seit Sonntag geht ein verstärktes Polizeiaufgebot auch dagegen vor.
Probleme, die öffentliche Ordnung herzustellen, hat auch der Ordnungsdienst, der versucht, die notwendigen Straßensperrungen aufrecht zu erhalten. Viele Autofahrer wollen sich nicht abweisen lassen und reagieren ausgesprochen aggressiv. Manche Besucher der Stadt schüren wiederum die Wut bei Hochwasser-Betroffenen, wenn sie diese während eines sonntäglichen Stadtspaziergangs bei ihren Arbeiten im Dreck fotografieren oder filmen.
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Rat suchen und Hilfe vermitteln – das war am Wochenende die Aufgabe von zwei Infoständen von Stadtverwaltung und Feuerwehr, die dazu Feuerwehrautos im Stadtpark und an der Schule Uferstraße aufgestellt hatten. Viele nutzten die Gelegenheit, sich Antworten auf ganz konkrete Fragen zu holen, oder auch nur, um sich in der Notlage auszusprechen.
Die Vermittlung konkreter Angebote zwischen Hilfesuchenden und Hilfsbereiten hat am Sonntag auch die Arbeiterwohlfahrt übernommen, die unter den Rufnummern 02175/ 3576 und 0160 / 6342674 Angebot und Nachfrage miteinander zu verbinden versucht. Deren Sozialkaufhaus Globulus bereitet Sorgen: Das Gebäude wurde unterspült und ist einsturzgefährdet.