AboAbonnieren

40 Jahre GrüneHausbesetzer von damals sind zurück in der Leichlinger Gartenstraße

Lesezeit 4 Minuten
Der neue Vorstand der Grünen Leichlingenvor dem neuen Parteibüro in der Gartenstraße: (von links) Jürgen Langenbucher, Sabine Czech, Sandra Waltke, Boris Lamour und Bernd Brinkmann.

Der neue Vorstand der Grünen Leichlingen vor dem neuen Parteibüro in der Gartenstraße: (von links) Jürgen Langenbucher, Sabine Czech, Sandra Waltke, Boris Lamour und Bernd Brinkmann.

Die Geschichte der Leichlinger Grünen, die heute in einer Jamaika-Koalition arbeiten, begann vor 40 Jahren mit einer Hausbesetzung.

Neue Vorsitzende, neues Parteibüro und ein runder Geburtstag: Bündnis 90/Die Grünen in Leichlingen werden 40 Jahre alt und sind 2023 recht zufrieden mit dem in vier Jahrzehnten Erreichten. Die Zahl der Mitglieder war zwar schon mal deutlich höher – nur 24 sind es aktuell. Aber es waren auch mal nur 15. Und dafür hatte die Partei noch nie in ihrer Geschichte so viele Mandate im Leichlinger Stadtrat wie jetzt: Fünf sind es seit der Kommunalwahl 2020, als sie 17,3 Prozent der Stimmen bekamen.

Positiv ist daher die Stimmungslage beim eigenen Rückblick auf Zeiten, als der nach wie vor amtierende Fraktionsvorsitzende Wolfgang Müller-Breuer als Einzelkämpfer im Rat jahrelang auf einsamem Posten saß. 17 Ratsmitglieder (acht Männer und sieben Frauen) sowie vier Kreistagsabgeordnete hat die junge Partei bislang gestellt.

Abbruch des Fachwerkhauses empörte viele Leichlinger

Und fast nostalgisch fällt der Blick auf die Anfänge aus: Ratsherr Roland Ohm, der 1983 zu den 33 Gründungsmitgliedern des Ortsverbandes gehörte, hat anlässlich des 40-Jährigen in den Aktenordnern geblättert und er war selbst dabei, als die Geschichte der Umweltpartei im Ort begann.

Demonstration am besetzten Fachwerkhaus.

Die Hausbesetzung bei "Elektro Linnartz" in der Gartenstraße war die Initialzündung für die Gründung der Leichlinger Grünen.

„Angefangen hat es mit einer Hausbesetzung!“ erinnert Ohm an ein mittlerweile fast vergessenes Kapitel der Stadthistorie: Denkmalschützer und Heimatfreunde wollten Anfang der 80er-Jahre den Abbruch des erhaltenswerten Fachwerkhauses des früheren Geschäftes von Elektro Linnartz in der Gartenstraße in letzter Minute verhindern. Eine spontane Gruppe, zu der Hanskarl Rodenkirchen aus dem Wipperkotten, Vertreter der SPD und die ersten Akteure der späteren Grünen gehörten, versuchten die Bagger zu stoppen. Aber den bereits genehmigten Abriss konnte die Demonstration nicht mehr verhindern.

Fatal mutet es Ohm an, dass dieses abgeräumte Grundstück an der Ecke zur Mittelstraße bis heute nicht neu bebaut worden ist, sondern mitten im alten Dorfkern als zuweilen schmuddelige Brache neben Sammelcontainern und Brombeerhecken als Parkplatz vor sich hin dämmert. „Ich frage mich heute noch, warum die Eigentümer es damals abgerissen haben. Dann hätte man das Haus auch stehen lassen können“, wundert er sich und ist dabei immer noch verärgert.

Die bis heute unbebaute Ecke an der Gartenstraße

Das seit 40 Jahren unbebaute Grundstück des damals abgebrochenen Fachwerkhauses an der Gartenstraße/Ecke Mittelstraße.

Wenig später hat in der Aula die Gründungsversammlung der Grünen stattgefunden. 1984 zogen sie erstmals in den Stadtrat ein, gleich mit drei Mandaten, die Manuela Huber, Manfred Leismann und Roland Ohm übernahmen. Der Fraktionsstatus konnte nicht immer gehalten werden. Wahlergebnisse und personelle Wechsel bescherten der Partei ein ständiges Auf und Ab. Aber 2020 hätten sie im Aufwind fast sogar einen sechsten Sitz bekommen.

Erstmals in ihrer Geschichte bilden die Grünen, die vorher eng mit den Sozialdemokraten kooperiert haben, nun eine Jamaika-Koalition mit CDU und FDP. Sie verfügt im Rat über nur eine Stimme Mehrheit, hält aber so stabil zusammen, wie manche es vorher nicht geglaubt hätten. An manchen Knackpunkten wie der Baumschutzsatzung und Bauvorhaben im Außenbereich knirscht es zwar gelegentlich. Aber die Grünen bewerten die Zusammenarbeit mit ihren neuen Partnern sehr positiv: „Es läuft besser als erwartet“, sagen sie, obwohl sie wissen, dass einem in der Politik „jeder Kompromiss übel genommen wird“.

Grüne bewerten die Ratsarbeit im Jamaika-Bündnis als Erfolg

„Zweimal hatten wir ein Bündnis mit der SPD, und das war nicht so prickelnd“, lässt Ohm durchblicken, dass sie sich dabei früher zu oft benachteiligt vorgekommen seien. Es sei „immer ein schwieriges Ringen um bestimmte Punkte“, sagt Fraktionschef Wolfgang Müller-Breuer, aber die Grünen könnten stolz darauf sein, dass sie etwa bei den Beschlüssen zu Klimaneutralität, Mobilitätskonzept und Verkehrswende und an den nachhaltigen Baukonzepten für das Hallenbad und die neue Sporthalle entscheidend beteiligt gewesen seien. Dass die in den vergangenen Jahren verspürte Eintrittswelle „schon wieder vorbei zu sein scheint“, so Jürgen Langenbucher, führen die Leichlinger Grünen weniger auf ihre Kommunalpolitik als auf überregionale Trends zurück.

„Von hier an anders“ heißt das Buch von Vizekanzler Robert Habeck, das noch ganz alleine im Bücherregal der im vergangenen Jahr bezogenen Geschäftsstelle in der Gartenstraße 4-6 steht. Aufkleber „Atomkraft? – Nein danke“ stehen daneben und erinnern an die Anfangstage der Ökobewegung. „Und der Denkmalschutz ist eine Nummer, an der wir immer noch dran sind“, blickt Ohm auf 40 Jahre zurück.


Zwei neue Sprecherinnen

Bei den Vorstandswahlen von Bündnis 90/Die Grünen sind Sandra Waltke und Sabine Czech zu den neuen Vorstands-Sprecherinnen gewählt worden. Zum Leichlinger Parteivorstand gehören außerdem Kassierer Jürgen Langenbucher, Schriftführer Bernd Brinkmann und Beisitzer Boris Lamour.