Die geplante frühzeitige Verabschiedung des Haushaltsplans der Stadt Leichlingen für 2023 ist beim ersten Versuch gescheitert. Die Ratsfraktionen haben sich wegen Formalien zerstritten.
Etat für 2023 vertagtKämmerei steht in Leichlingen vor einem Schlamassel
Entscheidend ist ja, was hinten rauskommt – das wusste schon Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl. Insofern ist in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am Montagabend nichts herausgekommen: Der Haushaltsplan der Stadt für 2023 ist nicht beschlossen worden. Die erwartete Verständigung zwischen den Ratsfraktionen über den Umgang mit einem Zehn-Millionen-Defizit und einer ab 2024 drohenden drastischen Grundsteuer-Erhöhung ist im Streit über Formalien zerrieben worden.
Das Schlamassel hat Folgen: Bis zur Ratssitzung am nächsten Montag kann die Kämmerei kein aktualisiertes Finanzpaket berechnen, weil über wichtige Investitionen und inflationäre Preiserhöhungen etlicher Projekte in teils zweistelliger Millionenhöhe keine Beschlüsse vorliegen. Der Etat kann deshalb möglicherweise nicht wie geplant am 28. November verabschiedet werden. Dann müsste es vor Weihnachten eine zusätzliche Sondersitzung geben. Wenn sich dadurch auch die Genehmigung durch die Kommunalaufsicht verzögert, muss die Stadt Anfang 2023 mit einer vorläufigen Haushaltswirtschaft ins Jahr starten, was Vorhaben zeitlich behindern, Auftragsvergaben verhindern und freiwillige Ausgaben blockieren würde.
Leichlingen: Bürgermeister Frank Steffes in Isolation
Bürgermeister Frank Steffes verfolgte die Sitzung nur aus der Ferne: Der Verwaltungschef steckt wegen einer Infektion mit dem Coronavirus im Homeoffice und musste sich an dem Abend in der Sitzungsleitung durch Ratsherrn Jürgen Langenbucher (Grüne) vertreten lassen. Mit Stadtkämmerer Thomas Knabbe, der die fruchtlosen Diskussionen zunehmend entnervt erlebte, versuchte er am Morgen danach zu retten, was noch zu retten ist.
Um weitere Verzögerungen zu vermeiden, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, könne der Rat am 28. November trotz der derzeit offenen Fragen sehr wohl einen Etatbeschluss fassen, ohne das fertige Zahlenwerk vorliegen zu haben. Aktuelle Anträge und Korrekturen könne die Kämmerei auch in den Tagen danach auf Grundlage der Beschlüsse noch einarbeiten. Dann werde eine Sondersitzung, die mit viel Mehrarbeit verbunden sei, überflüssig: „Ich will, dass meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Dezember auch mal ein bisschen Ruhe haben“, mahnte der Verwaltungschef in Richtung Rat.
Jamaika-Koalition: Gipfeltreffen ist gescheitert
Dieser Hauruck-Plan setzt allerdings eine hohe Kompromissbereitschaft in der Politik voraus. Davon war am Montag nach vierstündigen Debatten nicht viel zu spüren. Zur Erinnerung: Vor einer Woche hatte die von der CDU angeführte Jamaika-Koalition der SPD und Bürgerliste das Angebot zu gemeinsamen Konsultationen über eine Entschlackung des Etats unterbreitet. Dazu kam es nur nie, weil sich die Parteien weder auf Zeitpunkt und personelle Zusammensetzung noch Ort des Gipfels einigen konnten.
Bürgermeister Steffes, froh über die sich anbahnende Gemeinsamkeit, hatte sich mit dem Vorschlag eingeschaltet, eine Art Ältestenrat einzuberufen, den es bislang in Leichlingen formal nicht gibt. Den Mehrheitsverhältnissen im Rat entsprechend, sollten ihm CDU (2), SPD (2), Grüne und BWL angehören. Das hat die CDU abgelehnt, sie wollte, dass auch ihr Koalitionspartner FDP mit am Tisch sitzt. Termine im Laufe der Woche kamen ebenso nicht zustande wie ein Gipfeltreffen am späten Montagabend nach der Sitzung. Es wurde nicht nur über die Größe der Tafelrunde, sondern auch darüber gestritten, wer Gastgeber ist und bestimmen darf, wohin eingeladen wird.
Während die SPD im Finanzausschuss bereit war, den Etat auch ohne weitere Konsultationen zu beschließen, stellte die CDU nach einer zehnminütigen Sitzungsunterbrechung zu später Stunde schließlich den Vertagungsantrag, der mit der Jamaika-Mehrheit durchkam.
Welche Weichenstellungen im Etatentwurf überhaupt vorgenommen werden sollen und sinnvoll sind, bleibt trotz aller Diskussionen unklar. Kämmerer Knabbe kann „kein massives Einsparpotential mehr erkennen, wenn wir keine Leistungen oder Projekte aufgeben wollen.“ Das prognostizierte Defizit ist seit September von 10,6 auf 9,6 Millionen Euro gesunken, das Investitionsvolumen vor allem durch die Inflation im Bausektor von 15,8 auf 46,6 Millionen angeschwollen. In der Vorausschau droht 2024 zwar eine Erhöhung der Grundsteuer B von 550 auf astronomische 1330 Prozentpunkte. Aber nur auf dem Papier. Knabbe und Steffes äußerten sich optimistisch, dass die zehn Jahre alte Auflage des Landrats, den Etat in diesem Jahr ohne Defizit aufzustellen, in den längst laufenden Verhandlungen fallengelassen werde.