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Gedenkfeier am SonntagNazis richteten am Wenzelnberg 71 Menschen hin

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Deutsche Zivilisten identifizieren die Leichen von 71 politischen Gefangenen, die aus einem Massengrab auf dem Wenzelnberg bei Solingen-Ohligs exhumiert wurden.
Die Opfer, die meisten von ihnen aus dem Gefängnis Lüttringhausen, wurden kurz vor Kriegsende von der Gestapo erschossen und begraben.

Deutsche Zivilisten identifizieren die Leichen von 71 politischen Gefangenen, die aus einem Massengrab auf dem Wenzelnberg bei Solingen-Ohligs exhumiert wurden. Die Opfer, die meisten von ihnen aus dem Gefängnis Lüttringhausen, wurden kurz vor Kriegsende von der Gestapo erschossen und begraben, nachdem sie den Befehl erhalten hatte, alle „Reichsfeinde“ zu „eliminieren“, wie die Kriegsgefangenen im Nazi-Sprech genannt wurden.

Jedes Jahr richtet eine andere Kommune die Gedenkfeier aus, in diesem Jahr die Stadt Leichlingen.

Wenn am kommenden Sonntag in Langenfeld am Mahnmal Wenzelnberg wieder Vertreterinnen und Vertreter aus Langenfeld, Leverkusen, Remscheid, Solingen, Wuppertal und Leichlingen zusammenkommen, gedenken sie eines der fürchterlichsten Massenmorde in der Region der vergangenen 80 Jahre. Am 13. April 1945 richteten die Nazis in einer Schlucht des Wenzelnbergs auf Langenfelder Stadtgebiet insgesamt 71 Männer hin, 68 davon sind namentlich bekannt. Der Massenmord geschah wenige Wochen vor der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht am Ende des Zweiten Weltkriegs.

Seit 1946 finden Gedenkveranstaltungen wie solche am kommenden Sonntag statt. Die sterblichen Überreste der Toten wurden 1965 erneut exhumiert und am Mahnmal Wenzelnberg bestattet. Jedes Jahr richtet eine andere Kommune die Gedenkfeier aus, in diesem Jahr die Stadt Leichlingen.

Etwa 100 Gestapo- und Kripobeamte sowie Schutzpolizisten waren an der Exekution in einem abgelegenen Waldstück zwischen Solingen und Langenfeld beteiligt, sagen die Quellen. Unter den Getöteten waren 15 politische Gefangene und vier Zwangsarbeiter.

Einmarsch der Alliierten stand kurz bevor

Der Einmarsch der Alliierten stand kurz bevor, das Reichssicherheitshauptamt sendete am 24. Januar 1945 ein Telegramm an die Leiter der Staatspolizei in Düsseldorf, Münster, Dortmund und Köln. Die Aufforderung lautete, „ausländische Arbeiter und ehemalige deutsche Kommunisten“, die sich veranlasst sehen könnten, sich umstürzlerisch zu betätigen, „sofort zu vernichten“, schrieb Armin Breidenbach 1996 im Mitteilungsblatt des Bergischen Geschichtsvereins, Abteilung Remscheid, Hückeswagen, Radevormwald und Wermelskirchen.

Dabei ging es auch um Menschen, die im Zuchthaus saßen. Am 7. April gab Generalfeldmarschall Model den entsprechenden Befehl: „Auf Grund der mir vom Führer übertragenen Vollmachten ordne ich an, daß die Zuchthausgefangenen, die in den innerhalb des vom Feind eingeschlossenen Gebiets befindlichen Strafanstalten einsitzen, den Organen der Sicherheitspolizei zur sicherheitspolizeilichen Überprüfung zu übergeben sind.“

Am 10. April 1945 erschienen der Wuppertaler Kriminalassistent Caspar Dahlmann und drei weitere Gestapo-Leute beim Leiter des Zuchthauses Remscheid-Lütrringhausen dann, um die Gefangenen zu überprüfen. Erst sollten es 600 sein, dem Leiter der Einrichtung gelang es, die Zahl auf 90 zu reduzieren. „Des Weiteren gelang ihm die Ausklammerung ausländischer Gefangener“, steht auf der Gedenktafel. Zeitgleich sollten ausländische Zwangsarbeiter eine Grube ausheben. Man sagte ihnen, sie werde als Panzergraben benötigt.

Gefängnisleiter versuchte, Gefangene der Gestapo vorzuenthalten

Um 16 Uhr fuhren am 12. April zwei Lkw und ein Polizeiaufgebot in Lüttringhausen ein, nur 55 statt 90 Häftlinge standen allerdings zum Abtransport bereit. Die anderen 35 konnte der Leiter des Zuchthauses, Dr. Engelhardt, in Arbeitskommandos unterbringen. Fünf weitere Häftlinge von ihnen wurden dennoch dem Transport zugewiesen. Morgens früh am 13. April wurden die Gefangenen aus Lüttringhausen zum Wenzelnberg gekarrt, dazu kamen „je vier Gefangene aus Wuppertal-Bendahl und Ronsdorf sowie drei Männer unbekannten Namens und unbekannter Herkunft“.

Offiziellen Angaben zufolge wurden die Männer immer zu zweit am Daumen zusammengebunden und dann durch einen Genickschuss getötet. Laut den Ausführungen auf der Gedenktafel sprachen Ortsansässige auch davon, dass Männer nicht erschossen, sondern lebend in die Grube geworfen und begraben wurden.

Nur einen Tag später besetzten Antifaschisten das Rathaus in Solingen-Wald, die US-Infanterie-Division, die damals in Langenfeld stationiert war, wie Rolf Müller in „Stadtgeschichte Langenfeld Rheinland“ schreibt, betraute die Antifaschisten mit Polizeiaufgaben. Am 17. April meldete ein Mann den Massenmord dem amerikanischen Kommandanten, woraufhin das Grab entdeckt wurde.

Die Aufklärung begann am 27. April 1945 unter Beteiligung der Solinger Antifa-Gruppe und eines amerikanischen Sergeants. Am 30. April 1945 mussten 40 NSDAP-Mitglieder die 71 Leichen ausgraben.