Das Gedenken an die Massenhinrichtung am Wenzelnberg vor 78 Jahren führte in diesem Jahr die Stadt Leverkusen durch.
Gedenken am WenzelnbergKurz vor Kriegsende töteten die Nazis 71 Männer

Viele Kränze gab es beim Gedenken an den 13. April 1945 in Langenfeld, als die Gestapo bei einem Massaker 71 Männer ermordete.
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Ob die Vögel am 13. April 1945 am Langenfelder Wenzelnberg auch so gezwitschert haben, als die Nationalsozialisten 71 Strafgefangene mit lauten Genickschüssen ermordeten? Bei der Gedenkfeier in der Schlucht in dem Langenfelder Sandberg am Sonntagmittag, den in diesem Jahr turnusmäßig die Stadt Leverkusen ausrichtete, lieferten die Tiere die frühlingshafte Hintergrundmusik – ein merkwürdiger Kontrast zu dem ernsten Anlass.
Für die Stadt Leverkusen sprach Bürgermeister Bernhard Marewski an der Grabstätte mitten im Wald. Er erinnerte an das Verbrechen, das die Nazis nicht zufällig drei Tage bevor amerikanische Truppen in Langenfeld einmarschierten, also kurz vor Kriegsende, verübten. 60 Häftlinge aus dem Zuchthaus Remscheid Lüttringhausen wurden erschossen, mit ihnen acht Gefangene aus Wuppertal und drei bis heute namentlich nicht bekannte Männer.

Die Namen der Toten, soweit bekannt, stehen auf einer Grabplatte.
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Zwei Wochen später mussten 40 örtlich bekannte Mitglieder der NSDAP auf Anordnung der Amerikaner das Massengrab wieder ausheben; die Leichen wurden vor dem Solinger Rathaus bestattet. Erst 1965 richtete man am Wenzelnberg die Ehrengrabstätte ein und bettete die Überreste dorthin wieder um. Seither gibt es ein jährliches Gedenken.
Marewski spannte den Bogen in die Gegenwart, sagte, es habe 120 Kriege seit dem 2. Weltkrieg gegeben, jetzt den Überfall Russlands auf die Ukraine.
„Sonderangelegenheit“ nannten die Nazis die Hinrichtung
Gerichtsprozesse hatte man sich 1945 erspart. „Sonderangelegenheit“ nannten die Nazis verschleiernd das Mordkommando im Wald, bei Putins „Spezialoperation“ gehe es wieder einmal um den vermeintlichen Lebensraum des eigenen Volkes. Bei den Worten Marewskis schien es, als verzogen manche ihre Gesichter.
Denn an dem Gedenken beteiligen sich traditionell nicht nur Bürgermeister, Bürger und Gewerkschaftler aus den Städten Remscheid, Solingen, Leverkusen, Leichlingen und Langenfeld. Immer sind eine Menge linke Gruppen und Parteien vor Ort und legen Kränze nieder. Die Linke ist zurzeit gespalten, seit Russland die Ukraine überfallen hat.
Rainer Köster, der Redner des Bundes der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BDA), erinnerte daran, dass kürzlich bei der Razzia im Reichsbürgermilieu 55.000 Schuss Munition gefunden wurden und es Hunderte nicht vollstreckter Haftbefehle gegen Rechtsradikale gebe. Auch er benannte den russischen Überfall zunächst klar. Dann musste man genau zuhören: Kurz sagte er etwas von Rechtsradikalen in der ukrainischen Armee und kritisierte die Aufrüstung, das angeblich zu starke militärische Engagement im Krieg gegen Russland, forderte Verhandlungen.

Repro: Die Amerikaner ließen die Getöteten exhumieren.
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Dass es gut war, dass die amerikanische Armee als Befreier kurz nach dem Massaker am Wenzelnberg die Nationalsozialisten mit schierer Waffengewalt in die Knie zwang, zweifelt er bei dem Gedenken am Sonntagmorgen nicht an. Fehler wurden in der Nachkriegszeit gemacht. Köster sagt, dass die Täter vom Wenzelnberg nicht zur Rechenschaft gezogen werden konnten. Zwei der Verantwortlichen hätten sich selbst umgebracht. Einer habe als hoher Polizeibeamter sogar noch Karriere machen können. Ein Ende der Erinnerungskultur, wie es die AfD fordere („Fliegenschiss“, „Denkmal der Schande“), ermögliche die Wiederholung solcher Taten, sagte Köster.
Dagegen setzten Schülerinnen und Schüler der Klasse 10a der Leverkusener Sekundarschule etwas: Sie trugen vor, weshalb sie das Erinnern an das Mordkommando wichtig finden.