Fundgrube der Wiederverwertung: Ein Besuch im Leichlinger Sozialkaufhaus Globolus, das von der Arbeiterwohlfahrt mit 40 ehrenamtlichen Kräften betrieben wird.
Einblick ins Sozialkaufhaus LeichlingenIm Globolus werden sogar 1000 Puzzleteile nachgezählt
Gut, dass es dieses Kaufhaus gibt. Hier bekommt man ein Oberhemd und eine Jeans schon für 2,50 Euro. Gläser, Bücher und Kuscheltiere für weniger als einen Euro. Ein komplettes Kaffeservice kostet nur einen Fünfer. An der Säule hängt eine geringelte Kinderstrumpfhose, bunt wie Pippi Langstrumpf, für 50 Cent. Ein Bettwäscheset macht 2 Euro. Richard David Precht steht friedlich neben Fassbinder, Hemingway und dem „Herrn der Ringe“ im Bücherregal. In der Spielzeugabteilung warten neben Kuscheltieren und Matchboxautos flotte blaue Bobs auf die erste Schlittenpartie.
300 Quadratmeter Second-Hand-Ware
Wir sind im Leichlinger Sozialkaufhaus Globolus an der Neukirchener Straße 1-3. Staunend wandert man durch die 300 Quadratmeter große Halle und weiß nicht, worüber man sich mehr wundern soll: Über die Schnapperpreise in den Regalen? Über die Fülle von gut erhaltenen Kleidungsstücken und Haushaltswaren, die hier ein zweites Leben bekommen? Oder über den Einsatz der Helferinnen und Helfer, die diesen Betrieb in ihrer Freizeit am Laufen halten und alle Sachen mit großer Sorgfalt behandeln und präsentieren? Obwohl es sich doch beim kompletten Inventar um Secondhand-Ware handelt, die irgendjemand nicht mehr gebrauchen konnte und hier abgegeben hat.
Wer vielleicht noch nie drinnen war, kennt das von der Arbeiterwohlfahrt betriebene gemeinnützige Geschäft in der Leichlinger Stadtmitte bestimmt von draußen. Wegen der langen Warteschlangen, die sich regelmäßig schon Stunden vor der Öffnung auf dem Gehweg neben dem alten Rathaus stauen. Bis zu 250 Personen kommen mittwochs zum Einkaufen für kleines Geld hierher, etwa die Hälfte samstags. Was erstens beweist, dass es sehr viele und immer mehr Menschen in der Stadt gibt, die sich keine teuren Neuwaren leisten können. Und zweitens bedeuten muss, dass sich ein Besuch im Globolus immer lohnt.
In der Fundgrube sorgt ein Team von 40 Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern für beständigen Warenwechsel. Rund 3500 Kleidungsstücke und Schuhe, heißt es, sind im Angebot. Ladenhüter, die nicht laufen, werden nach einer Weile aussortiert. Damit man sie als solche erkennt, ist auf den kleinen Preisetiketten ein Einlieferungsdatum versteckt. Zudem herrscht ein ausgeklügeltes System von Saisonartikeln und Sonderverkäufen. Lichterketten gibt es in der Adventszeit, Kostüme vor Karneval, Shorts und Schwimmflügel im Sommer und dicke Pullis, Schals und Handschuhe, sobald es kalt wird.
Ostern steht schon vor der Tür
„Jetzt geht es bald mit Ostern los“, sagt Thomas Rudnik und blickt am Rabatt-Tisch neben dem Eingang auf die letzten unverkauften Strohsterne und Engelchen, die wieder zurück ins Lager müssen. Er ist seit einem Jahr im Team, betreut die Facebookseite und die Herrenbekleidung. Ja, die emsigen Ehrenamtlichen haben wie im Kaufhof ihre Abteilungen, für die sie zuständig sind. „Jeder hier hat seine Aufgabe, aber es gibt keine feste Hierarchie oder Struktur“, beschreibt Kirsten Grzeschik, die von Anfang an dabei ist, das Teamwork.
Sicher: Vieles mag alt und altertümlich sein, es ist Kitsch darunter und Mode, die noch darauf wartet, wieder zum Trend zu werden. Aber alles wird ordentlich zur Schau gestellt und wertgeschätzt: Kolonnen von Sekt-, Wein-, Grog- und Likörgläsern stehen wie die Soldaten sortiert im Regal. Jacken, Hemden, Röcke, Blusen und Kleider, sogar T-Shirts hängen ordentlich auf Bügeln. Es gibt keine Wühltische, aber Köpfe für eine Hutgalerie und Schaufensterpuppen für besonders ausgefallene Kleidung. Eine Umkleidekabine für die Anprobe steht auch zur Verfügung. Und sie ist schöner als in manchem Bekleidungshaus, mit Tapete an den Wänden, Lampe und einem großen Spiegel ausgestattet.
Schönes Geschirr ist gleich vorne wie auf einem Hochzeitstisch gedeckt und mit Servietten dekoriert. Keramik-Blumenvasen sind sogar nach Farben sortiert. Ketten sind fein säuberlich auf Ständern aufgehängt, daneben findet die Zielgruppe direkt Haarspray, Nagellack und einen Spiegel. Echter Schmuck und Uhren liegen im Globolus in einer verschlossenen Vitrine. Und wer hier ein 1000er-Puzzle kauft, kann davon ausgehen, dass die Teile vorher tatsächlich auf Vollständigkeit nachgezählt worden sind.
Jeden Mittwochabend ist Spendenannahme. Auch dann gibt es einen Stau, wenn Leute Waschkörbe und Kartons voller Nachschub bringen. In dem Moment wird einem besonders bewusst, dass das Sozialkaufhaus wie durch ein Wunder stets ausschließlich mit geschenkter Ware gefüllt ist. „Es gibt sehr viele arme Menschen in der Stadt, aber auch sehr viele, die zu viel haben“, weiß Grzeschik: „An manchen Sachen, die gebracht werden, hängt das Preisetikett noch dran …“
Angenommen wird ausschließlich intakte, verkaufsfähige und gewaschene Ware. Nicht angenommen werden zum Beispiel Elektroartikel, Schallplatten und Bücher, die älter als zehn Jahre sind. Für Möbel und Kinderwagen ist kein Platz, es gibt nur einen kleinen Lagerraum für Saisonware. Manchmal fragen Personen, ob sie Geld für ihre Sachen bekommen können. Aber dann sind sie im Globolus an der falschen Adresse. Der Laden ist eine große Wiederverwertungs-Maschine. Nachhaltigkeit gehört zum Credo der Initiative.
Gegründet worden ist das Sozialkaufhaus 2018 im damals leerstehenden Kaufpark, dem früheren Globus-Kaufhaus – daher der Name, der sich aus Globus und Obolus zusammensetzt. Es „leistet einen wichtigen Beitrag zur Müllvermeidung, zum Umweltschutz und es schont Ressourcen“, heißt es auf der Homepage des Betriebes.
Wie ein normaler Wirtschaftsbetrieb
Er funktioniert wie ein Wirtschaftsbetrieb, hat ein Kassensystem, Buchhaltung und zahlt Steuern. Aber das Personal arbeitet unentgeltlich und die Verkaufserlöse werden für soziale Zwecke gestiftet. Regelmäßig unterstützt werden zum Beispiel die örtliche Tafel, das inklusive Theater Mittendrin der Körmann-Stiftung, die Obdachlosenhilfe Kältegang und das Kinder- und Jugenddorf St. Heribert. 2023 möchte man vom Erlös auch Bäume in der Stadt pflanzen.
Von Beruf Controllerin, kümmert sich Grzeschik um die Finanzen des Unternehmens – „weil ich der Gesellschaft etwas zurückgeben will“, begründet sie ihr Engagement. „Es läuft super und es wird mittwochs immer mehr“, hat sie die Verkaufszahlen im Blick. Die aus der Ukraine geflüchteten Menschen haben dem Sozialkaufhaus seit Kriegsbeginn im Februar einen zusätzlichen Schub gegeben. Für sie werden Infozettel auch in kyrillischer Sprache ausgedruckt.
Drei Ukrainerinnen helfen inzwischen selbst im Kaufhaus mit, auch zwei Syrer und ein Iraker packen regelmäßig mit an. Aber es kommen nicht nur Besitzer des vom Sozialamt ausgestellten „Leichlingen-Passes“, die auf die ohnehin niedrigen Preise noch einmal 20 Prozent Rabatt bekommen. Die Kundschaft stamme aus allen Schichten und Altersgruppen, sagen Grzeschik und Rudnik, „vom Schüler bis zur Oma und vom Trödler bis zum neugierigen Schnäppchenjäger“.
Das Ladenlokal, den früheren Sparkassen-Anbau neben dem historischen Rathaus, hat die Awo 2020 von der Stadt gemietet. Die Arbeiterwohlfahrt hofft, dass das Gebäude so schnell nicht abgebrochen wird und das Globolus hier noch einige Jahre bleiben kann. Denn es ist für alle Beteiligten gut, dass es dieses Kaufhaus gibt.
Das Leichlinger Sozialkaufhaus Globolus, Neukirchener Straße 1-3, ist nach der Weihnachtspause ab 4. Januar wieder mittwochs von 10 bis 16 Uhr und an jeden ersten und dritten Samstag von 10 bis 13 Uhr geöffnet. Spendenannahme ist jeden Mittwoch von 17 bis 19 Uhr.