Der traditionelle Jahresrück- und -ausblick des Leichlinger Bürgermeisters ist voller Krisenereignisse, welche die Verwaltung zu einem dauernden Ausnahmezustand zwingen.
Jahresbilanz in LeichlingenEine Stadt im permanenten Krisenmodus
Ein Wort dominierte den traditionellen Jahresrückblick, den Bürgermeister Frank Steffes am Donnerstag vor Medienvertretern hielt, und zwar im Plural: Krisen. „Wir sind praktisch seit 2015 dauerhaft im Krisenmodus“, bilanzierte der Verwaltungschef den anhaltenden Ausnahmezustand, unter dem man nicht nur im Rathaus arbeiten muss, sondern unter dem auch die Bürgerschaft leidet. Auf die erste Flüchtlingskrise folgten Verwüstungen durch den ersten schlimmen Starkregen in der Stadt, dann der Ausbruch der Corona-Pandemie, die Flutkatastrophe und – als man dachte, dass das Schlimmste nun vorbei sei – der Krieg in der Ukraine, der dadurch ausgelöste neue Zustrom von Geflüchteten und nun auch noch die aktuelle Gas- und Stromkrise.
„Ich leite parallel mittlerweile vier Krisenstäbe“, sagte Steffes – neben dem normalen Tagesgeschäft, das gleichzeitig nicht leichter wird, sondern ständig zusätzliche Herausforderungen birgt. Etwa durch die Gesetzesänderung beim Wohngeld, das dem Sozialamt ab Jahresanfang einen Berg neuer Anträge beschert, der nur durch die Einrichtung von zwei neuen Stellen bewältigt werden kann.
Der unruhigen Lage, die er auch als „Zeitenwende“ bezeichnete, kann Steffes aber auch Gutes abgewinnen: „Alle Krisen haben gezeigt, welch Improvisations-Talent und Kraft in uns steckt, wenn wir geschlossen handeln“, lobt der Chef seine Belegschaft und die Einwohner kurz vor Weihnachten ausdrücklich: „Wir sind ein leistungsfähiges Team, wir bewegen hier schon Außerordentliches“, blickte Steffes auf die Fülle der laufenden Projekte: „Zurzeit sieht unsere Stadt wie eine einzige Baustelle aus, überall wird gebuddelt, abgerissen, saniert, repariert und gebaut.“ Und er versicherte: „Wir bekommen das hin.“
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Was die Lücken im Personalplan betrifft, ist der Verwaltungschef momentan optimistisch. Für die vakanten Leitungspositionen in Tiefbauamt, Personalwesen und Schulamt seien Nachbesetzungen in Sicht. Auch für die dringend benötigten Ingenieursstellen gäbe es Bewerbungen. Neben der Wohngeldstelle werde auch die Straßenverkehrsbehörde verstärkt, damit das Mobilitätskonzept umgesetzt werden kann. Andere Themen zum Jahreswechsel:
Geflüchtete: Aktuell sind 534 ausländische Personen aus 26 Nationen in Leichlingen untergebracht, „so viele wie noch nie“. Darunter sind derzeit 301 ukrainische Kriegsvertriebene. Tendenz steigend: „Durchschnittlich haben wir sieben Neuzugänge pro Woche“, so Steffes und angesichts des Wintereinbruchs müsse man damit rechnen, dass es mehr werden. Laut Quote müsste Leichlingen ohnehin noch 139 weitere Personen aufnehmen. Neben den städtischen Unterkünften sind zwölf Häuser und Wohnungen für sie angemietet worden. Wenn das nicht mehr reicht, muss die bereits akquirierte frühere Tennishalle in Bremsen eingerichtet werden, dann gäbe es in Leichlingen erstmals seit der Station im einstigen Aldi-Markt wieder eine Massenunterkunft, die mit Verpflegung und Wachdienst einen hohen Organisationsaufwand bedeuten würde und die man daher lieber verhindern würde.
Krisenstab Energie: Die Abschaltung der Hälfte der Straßenleuchten hat zu vielen Beschwerden über die gefährliche Dunkelheit geführt. In zwei Wochen soll die Aktion abgeschlossen sein. „300.000 Kilowattstunden einzusparen ist schon eine Menge“, verteidigte Steffes den Beschluss, aber problematische Stellen „schauen wir uns an und justieren nach“. Bei der Abschaltung der warmen Duschen in Sporthallen, die in Leverkusen wieder rückgängig gemacht wird, bleibe es.
Katastrophenschutz: Zum kreisweiten System von Notfall-Informationspunkten (NIP) kündigte der Bürgermeister an, dass in Leichlingen vier solcher Anlaufstellen eingerichtet werden sollen: In den Feuerwehrhäusern Am Wallgraben, in Bennert, Metzholz und Witzhelden. Zusätzlich bleibt es bei den zwei bereits geplanten „Kat-Leuchttürmen“ im Bürgerbüro des Rathauses und in der Grundschule Witzhelden, die im Ernstfall ebenfalls aktiviert werden, um Hilfe suchende Menschen zu betreuen. „Die Krisen häufen sich“, begründet Steffes die Vorsorge-Pläne. Um darauf reagieren zu können, müssten nicht nur Notstromaggregate, Einsatzkleidung und Satellitentelefone beschafft, sondern auch schnelle Organisationsstrukturen geschaffen werden. Es laufen im Rathaus bereits Schulungen durch Experten, „um vor die Lage zu kommen“, nennt der Verwaltungschef „Stabsrahmen-Übungen“ fast im Militärjargon. 2023 soll auch Bau und Einrichtung des angekündigten Katastrophenschutzzentrums in Angriff genommen werden. Für die Halle, in der wie berichtet auch Rotes Kreuz und DLRG unterkommen sollen, wird noch ein Standort gesucht.