Leichlinger SportlerinAurica Zucht macht nach 20 Jahren Pause wieder Leistungssport
Leichlingen – Aurica Zucht sieht nicht aus, wie man sich eine Teilnehmerin der Senioren-Europameisterschaft in der Leichtathletik vorstellt. Lange schlanke Beine, lange blonde Haare, jugendliches Lächeln. „Nun ja, mit fast 40 zählt man halt zu den Senioren, wenn man nicht im Leistungsbereich starten will“, sagt die Leichlingerin lachend. Und bei Wettkämpfen starten, das wollte sie jetzt wieder, nachdem sie als Jugendliche schon einmal Leichtathletik als Leistungssport betrieben, aber mit 17 Jahren aufgehört hatte.
Muskelfaserriss im ersten Training
Vor drei Jahren hat die alleinerziehende Mutter von drei Kindern sich dem Leichlinger TV angeschlossen. Und musste erst einmal ein bittere Erfahrung machen: Mit Ende 30 ist man eben nicht mehr 17. „Da habe ich mir im ersten Training mal direkt einen Muskelfaserriss zugezogen“, erzählt Zucht. Untrainiert direkt über Hürden oder in die Weitsprunggrube zu springen, war keine so gute Idee. Also hat sie es dann erst einmal etwas langsamer angehen lassen. „Und dann habe ich Blut geleckt und wollte mich auch gerne wieder in Wettkämpfen messen.“
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Doch dann kam Corona, Zucht verlor nicht nur ihren Job, sondern auch die Trainingsmöglichkeiten. Auch davon ließ die 39-Jährige sich nicht entmutigen, sondern widmete sich nun noch mehr dem Sport: Sobald Corona es erlaubte, fing sie als Kinder- und Jugendtrainerin beim LTV an und machte sich als Personal Trainerin selbstständig. Während Fitnessstudios geschlossen bleiben mussten, trainierte sie im Stadion, im Park oder auch in der eigens eingerichteten Fitness-Ecke auf ihrer Leichlinger Terrasse Kleingruppen oder Einzelpersonen - aber immer nur Frauen. „Das gibt eine besondere Gruppendynamik. Während Corona haben wir uns irgendwie auch gegenseitig therapiert“, sagt die Trainerin lachend. So hat die Pandemie ihr die Chance gegeben, das Hobby zum Beruf zu machen.
Sportplatz überschwemmt
Die Hürden waren zwischenzeitlich hoch: Dem LTV machten nicht nur die immer wechselnden Corona-Auflagen zu schaffen, Hallenzeiten fehlen, auch der Sportplatz wurde vom Hochwasser überschwemmt. Das Flutlicht ist bis heute defekt. „Die Vereinsverantwortlichen haben mittlerweile Baustrahler besorgt, damit wir am Abend noch trainieren können“, erzählt Zucht. Es seien auch schon Kinder mit Lichterketten umwickelt gekommen. „Man wird flexibler. Früher wäre mir das auch zu kalt und ungemütlich gewesen im Winter draußen, aber jetzt ist man froh, wenn man überhaupt ins Stadion darf“, erzählt Zucht. Das sehe sie auch bei den Kindern, die froh über jedes Bewegungsangebot sind, das sie bekommen können. Defizite durch den Lockdown erkennt sie durchaus: „Das hat sich schon auf den Bewegungsapparat der Kinder ausgewirkt.“
Einmal rauskommen – auch das war Antrieb für Zucht, sich für die Teilnahme an der Senioren-EM im portugiesischen Braga zu melden. Der deutsche Leichtathletik-Verband unterstützte sie, schickte Teamkleidung mit dem deutschen Wappen drauf. Den Großteil der Organisation musste Zucht aber selbst übernehmen. Und dann sollten natürlich auch die sechs, acht und zehn Jahre alten Kinder mit nach Portugal kommen. Die Freistellung der Schule war das kleinere Problem. Die große Sorge war, dass sich vor dem Abflug noch einer Corona einfängt. „Ich habe die zwei Wochen vorher aus allem rausgenommen, wo man die Maske absetzt, auch aus dem Mittagessen in der Schule“, erzählt die Mutter. Und es hat geklappt: Gemeinsam flogen sie nach Braga – und Aurica Zucht in der Weitsprunggrube auf eine Weite von 5,17 Meter. Und damit auf den dritten Platz, nur ein Zentimeter fehlte zum Silberrang.
Sommer-WM in Finnland
Das soll es aber auch noch nicht gewesen sein: Im Sommer findet in Finnland die Senioren-Weltmeisterschaft statt – zumindest stand jetzt. Aber wenn Corona und Kriege das nicht verhindern, dann kann Aurica Zucht sich durchaus vorstellen, auch dort an den Start zu gehen.