Corona bedroht ErnteWie Frost, Hagel und Dürre zusammen
Leichlingen – Wäre alles wie immer, dann würden die Menschen demnächst Spargel und Erdbeeren genießen. In Restaurants und Cafés, in Kantinen und Küchen. Schließlich stehen die Monate April bis Juni ganz im Zeichen zunächst der Spargel- und später der Erdbeer-Ernte. Indes: Der Kampf geben die Ausbreitung des Coronavirus trifft eben auch die Landwirte, denn: Die meisten Erntehelfer, die auf den Feldern hierzulande arbeiten und Spargel stechen und Erdbeeren pflücken, stammen aus Polen oder anderen Ländern im Osten Europas – und können derzeit nicht so ohne Weiteres nach Deutschland reisen. Beziehungsweise wollen dies nicht. Die Angst vor und die Gefahr einer Ansteckung mit dem Virus ist schlichtweg zu groß.
Acht Stunden pralle Sonne
Das macht sich in der Region Rhein-Berg unter anderen bei Christian Conrads vom Obstgut Nesselrath bemerkbar. Er sagt: „Unsere Erntehelfer kommen nicht nach Deutschland. Sie haben Angst, sich mit dem Coronavirus anzustecken.“ Und das könne er voll und ganz verstehen. Normalerweise arbeiten gut 20 Polen auf den Feldern des Obstgutes.
Die meisten von ihnen reisen schon seit Jahrzehnten, mitunter seit Beginn der 90er – jedes Jahr um diese Zeit nach Leichlingen. „Und sie kommen gerne, denn: Sie wissen, dass sie sich auf uns als Arbeitgeber verlassen können – ebenso wie wir wissen, dass wir uns auf sie verlassen können.“
Aber nun ist alles anders. Und Conrads weiß nicht, ob er in diesem Jahr die Ernte von seinen Feldern – ein Hektar mit Spargel und dreieinhalb Hektar mit Erdbeeren – ernten kann. Es gebe zwar durchaus Hilfsangebote der Menschen in Leichlingen. Das sei eine tolle Geste. „Ich kann allerdings nicht davon ausgehen, dass etwa ein Schüler, der bei uns einspringt, demnächst acht Stunden am Tag bei 25 Grad in der prallen Sonne problemlos Erdbeeren erntet.“
Unterkünfte sind vorhanden
Die Erntehelfer seien aufgrund ihrer Treue eben vor allem auch eines: Fachkräfte. Sprich: „Die kennen sich aus. Die kennen diese Arbeit. Die kennen alle Leute hier und alle Abläufe.“ Das sei unbezahlbar und nicht aufzufangen. Wenn sich bis Mai nichts tue in Sachen Coronavirus, dann werde es jedenfalls eng. „Wir warten ab und hoffen, dass sich die Lage vielleicht beruhigt.“
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Ähnlich kritisch stellt sich die Situation für Friedhelm Appenrodt vom gleichnamigen Obsthof Appenrodt in der Blütenstadt dar. Er beschäftigt Jahr für Jahr etwa 20 Erntehelfer, die meisten aus Polen, ein paar aus Rumänien. Und denen könne er auch – Stichwort „Isolation“ – pro Person mindestens ein Zimmer mit eigenem Bad zur Verfügung stellen, denn: „Wir hatten bis vor ein paar Jahren bis zu 100 Helfer bei uns und besitzen noch viele Unterkünfte.“ Er könne zumindest die polnischen Helfer sogar mit eigenen Kleinbussen an der Grenze abholen und somit jeden Kontakt der Gruppe nach außen vermeiden. Dennoch: „Die Gesundheit geht einfach vor. Ich will kein Risiko eingehen.“
Abwarten bis Ostern
Appenrodt hofft, dass sich die Lage demnächst beruhigt. Bis nach Ostern wolle er abwarten und dann weitersehen. Wenn dann immer noch keine Besserung in Sicht sei, dann müsse er das eben so hinnehmen. „Dann wäre das so, als ob in einem Jahr Frost, Hagel und Trockenheit zusammenkommen und eine ganze Ernte vernichten.“ Das bislang einzig Positive, das Appenrodt aus der Coronakrise zieht: „Die Leute sehen nun vielleicht ein, welchen Stellenwert die Landwirtschaft hat.“ Wie wichtig es sei zu verhindern, dass wenige Großkonzerne sich des Genres bedienten und daran verdienten.
Betroffen von der Pandemie sind zudem Gerald Schmidthaus und der Leichlinger Pilzzüchter Peter Marseille. Indes: Für beide würde ein Ausfall der Ernte keine existenzielle Krise bedeuten. Schmidthaus ist Inhaber eines Witzheldener Gartenbaubetriebes und Hofladens und sagt: „Wir haben nicht viele Erdbeeren und keinen Spargel. Die Ernte können wir mit Mitarbeitern aus dem Betrieb, der Familie und zwei rumänischen Helfern bewältigen, die das ganze Jahr über hier wohnen.“ Er habe eher Sorge um andere Landwirte – vor allem um die, die mehrere Hundert Erntehelfer beschäftigten.
Pilze direkt vom Hof
Und Marseille trifft wiederum eine ganze andere Sache hart: die Schließung von Gastronomiebetrieben. Er baut keinen Spargel und keine Erdbeeren an. Eben nur Pilze. „Aber mir sind nun gut 70 Restaurants und vergleichbare Einrichtungen weggefallen, die ich normalerweise mindestens einmal in der Woche beliefere.“
Das mache ein gutes Drittel seines gesamten Umsatzes aus. „Und das wird kritisch, wenn sich an der Situation nichts ändert.“ Er vertraut noch auf den Direktverkauf vor Ort auf seinem Hof, Bergerhof 71, (☎ 02175/ 4282).