Einzige NRW-Talsperre in PrivatbesitzWarum es mit der Diepentalsperre bald vorbei ist
Leverkusen. – Gleich hinter Leverkusen, wo es wieder grüner wird, liegt unterhalb der Gemeinde Pattscheid die Diepentalsperre. Noch, muss man sagen, denn der Rückbau des einst zauberhaften Stausees ist beschlossene Sache – Generationen von Gästen und Besuchern aus Köln, Leverkusen, Düsseldorf und dazwischen dürften das bedauern. Ursula Halbach hingegen, Eigentümerin des Geländes und des alten Wasserkraftwerks - des NRW-weit einzigen in Privatbesitz -, ist froh, wenn das alles, „das ganze Dilemma“, demnächst vorbei ist. Wobei – es war ja nicht alles schlimm und vorallem nicht von Anfang an.
Am Anfang der Geschichte stand ein anderer Halbach, der Urgroßvater – man darf August Halbach einen Pionier nennen. Als gegen Ende des 19. Jahrhunderts selbst in ländlichen Gegenden klar wurde, dass Strom derSchlüssel zur Zukunft sein würde, wartete er nicht ab, sondern wurde aktiv. Unten im Tal zwischen Burscheid und Leichlingen schlängelt sich der Murbach der Wupper entgegen. Im Mittelalter hatte bereits das Geschlecht der Ritter von Diepental die Vorzüge der Gegend genutzt und eine Wasserburg errichtet.
Und dann, Jahrhunderte später, gegen 1895 hatte August Halbach, ein Geschäftsmann aus Solingen, eine Idee. Ursula Halbach erzählt: „Sein Plan war: »Ich baue einen Stausee, dahinter ein Wasserkraftwerk und erzeuge damit Strom und den verkaufe ich über ein eigenes Leitungsnetzwerk.«“ Und so geschah es dann auch. Er kaufte die Grundstücke im Tal zusammen und machte sich im Jahr 1898 ans Werk. „Nach 5, 6 Jahren Bauzeit liefert er tatsächlich den ersten Strom nach Pattscheid“, erzählt Ursula Halbach, „mein Urgroßvater belieferte Firmen und Privathaushalte – das »Wasserkraftwerk Halbach« baute sich einen Kundenstamm auf“, erzählt die Urenkelin. Parallel entstanden um den neuen See herum die ersten Freizeit-Angebote.
Die einen hatten den Kiosk, die anderen den Strom
August Halbach hatte fünf Kinder, darunter Ernst und Walter, den Großvater von Ursula Halbach – die beiden Männer erbten das Tal. „Ernst bekam den Teil des Sees, wo früher eine Mühle stand und wo dann der Freizeit- , Kiosk- und Restaurantbetrieb entstanden ist; den anderen Teil mit dem Wasserkraftwerk bekam mein Großvater Walter“, erzählt die Enkelin.
Das war auch etwa die Zeit der großen Unterscheidung. Ursula Halbach lacht: „Die Leute im Dorf teilten die Familie auf in die Schnaps-Halbachs und die Strom-Halbachs. Das war lustig. Wenn mich jemand fragte – ich war eine Strom-Halbach!“ Der Freizeitbetrieb des anderen Familienzweigs blühte – ein Freibad kam hinzu, Minigolf, ein Bootsverleih, das Restaurant mit seinen See-Terrassen war ein Schmuckstück.
Aufgewachsen am eigenen See
Als Walter Halbach starb, hinterließ er drei Töchter. Ursula Halbach erzählt: „Eine davon starb sehr jung, die zweite heiratete frühzeitig nach Leichlingen und übrig blieb meine Mutter“– die übernahm etwa Mitte der 50er Jahre das Stauwerk. „Ich bin dann mit der Talsperre aufgewachsen“, sagt Ursula Halbach.Und natürlich war es toll, einen eigenen See zu haben.
Die Strom-Halbach-Seite des Sees wurde zu einem Geheimtipp der lokalen Jugend – es war alles ein bisschen kuscheliger, verhuschter und delikater alsauf der populären Bötchen-Seite. Man traf sich zum Trinken, Rauchen, Flirten und Knutschen und weil Schwimmen verboten war, war es umso verlockender.
„Es ist ja bis heute toll“, sagt Ursula Halbach, „wenn man die Kosten nicht sieht.“
Alles Geld floss in den Damm
Das Dilemma: „Ich war das einzige Kind meiner Mutter, mir schwante irgendwann, dass ich das alles erben würde.“ Das klingt besser als es war. Im Jahr 1991 wurde der Damm des Stausees saniert. Die Mutter wollte nochmal alles Geld ins Wasserkraftwerk stecken in der Hoffnung, anschließend wieder Geld verdienen zu können. Schließlich, so die Überzeugung, sei Wasserkraft eine umweltfreundliche Art der Stromerzeugung, ein Projekt mit Zukunft.
Doch daraus wurde nichts. Nach einem Extrem-Hochwasser im Januar2011 verfügte die Bezirksregierung die erste von inzwischen drei Absenkungen des Wasserspiegels – inzwischen ist vom See nicht mehr viel übrig.
Ein Naherholungsgebiet, finanziert aus eigener Tasche
Ursula Halbach sagt: „Viele Leute, die hier herkommen, kreiden das uns an – dass kein Wasser mehr da ist, dass der Borkenkäfer die Fichten befällt, dass es nicht mehr so schön ist, wie es mal war. Wir hatten hier ein komfortables Naherholungsgebiet zur Verfügung gestellt, für das niemand einen Cent bezahlt – außer uns.“
Auch für das umweltfreundliche Wasserkraftwerk interessiert sich niemand nachhaltig, ökologisch gilt der Staudamm vor allem als Querbau, der den natürlichen Lauf des Murbachs unterbricht und ein unüberwindbares Hindernis für Fische und Amphibien darstellt.
Ein Käufer fand sich nicht
Um allen Ansprüchen von Umwelt- und Hochwasserschutz gerecht zu werden, wären Investitionen nötig, die die Möglichkeiten von Privatpersonen übersteigen. Eine Bürgerbewegung „Rettet die Talsperre“ wurde in den umliegenden Orten gegründet, um die Seenlandschaft zu retten. Ursula Halbach hatte nicht nur dort angeboten, das Gelände zu verkaufen – ein Käufer fand sich gleichwohl nicht.
Beschlossen ist inzwischen, dass die Talsperre zurückgebaut und der Lauf des Murbachs renaturiert werden soll. Der Wupperverband erklärt offiziell dazu „Die Voraussetzungen wurden in den Vorjahren geschaffen: Die Übernahme des Eigenanteils und die erforderlichen Grunddienstbarkeiten durch die privaten Eigentümer sowie die Beschlüsse in den Kommunen.“
Alle sind mit der Renaturierung einverstanden
Die Kooperation mit dem Wupperverband habe gut funktioniert, sagt Ursula Halbach – „in 2017/18 saßen alle beim Notar: Beide Teile der Familie waren sich komplett einig und mit der Renaturierung einverstanden.“ Ziel ist vor allem ein verbesserter Hochwasserschutz – das Talbecken soll ohne Stausee als Rückhaltefläche dienen.
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Bei der Flut im Juli 2021 wurden die Hochwasserentlastung und -abflüsse der Talsperre zerstört. Die Schäden an und hinter der Anlage waren enorm, aber der Damm hat gehalten. Ursula Halbach: „Die Flut hat den Menschen in der Gegend vielleicht ins Bewusstsein gebracht, was hier in den vergangenen 120 Jahren an Hochwasserschutz geleistet worden ist.“
Mit dem Rückbau der Talsperre könnte 2024 begonnen werden. „Wir sind dann nicht mehr Betreiber“, sagt Ursula Halbach. „Ich bin aber sicher“, fügt sie hinzu, „wenn alles renaturiert ist, dann ist das hier immer noch und wieder eine schöne Gegend. Man muss die Natur nur machen lassen.“