AboAbonnieren

Fragen und AntwortenDer Domino-Effekt der Leverkusener Rheinbrücke

Lesezeit 4 Minuten
leverkusen-brueckenbaustelle-porr--ALF_0501

An dieser Anlegestelle sollten die Stahlbauteile direkt vom Schiff aus entladen und eingebaut werden.

  1. Mit der Leverkusener Brücke droht ein neues Großprojekt in der Region an die Wand zu fahren.
  2. Stahlbauteile sind wegen schwerer Qualitätsmängel nicht einbaufähig.
  3. Wie geht es jetzt weiter? Und wie viel Verzögerung droht? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Köln/Leverkusen – Der NRW-Landtag wird sich kommende Woche auf Antrag der SPD-Fraktion mit dem Neubau der Leverkusener Rheinbrücke befassen. Die Grünen haben eine kleine Anfrage Thema an die Landesregierung gestellt.Hintergrund der Auseinandersetzung ist eine heftiger Auseinandersetzung zwischen dem Landesbetrieb Straßen NRW als Auftraggeber und dem österreichischen Baukonzern Porr, der die Ausschreibung für das 363 Millionen Euro teure Projekt gewonnen hatte. (Hier lesen Sie alles zu den Hintergründen) Straßen NRW hält 22 bereits gelieferte Stahlbauteile für die ersten Brückenhälfte wegen schwerer Qualitätsmängel für nicht einbaufähig.

Was bedeutet der Streit um die Stahlbauteile für die Autofahrer?

Nach dem bisherigen Zeitplan soll der erste Brückenteil, der auf der Nordseite direkt neben der alten Brücke entsteht, Ende 2021 fertig sein und für den gesamten Verkehr einschließlich aller Lkw freigegeben werden. Der Umweg über die A 3 und die A 4, den Lkw ab 3,5 Tonnen fahren müssen, würde dann entfallen. Vor der Sperrung haben rund 14 000 Lkw am Tag die Brücke genutzt.

Wenn der Landesbetrieb Straßen NRW dem Generalunternehmer Porr wegen der Mängel an den Bauteilen tatsächlich kündigt, ist der eh schon sehr ambitionierte Zeitplan für den ersten Neubau nicht mehr zu halten.

Mit welchen Folgen?

Das Projekt müsste europaweit neu ausgeschrieben werden. Experten schätzen, dass sich in diesem Fall die Fertigstellung des ersten Brückenteils um mindestens ein Jahr verzögert. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ wird die Ausschreibung zur Sicherheit bereits vorbereitet.

Lassen sich die Mängel an den Stahlbauteilen beheben?

Der Baukonzern Porr ist davon überzeugt und wird durch den Tüv Rheinland, der die Produktion in China überwacht hat, in seiner Auffassung bestätigt. Der Tüv ist in diesem Fall nicht als neutraler Gutachter tätig, sondern arbeitet im Auftrag des Baukonzerns. Porr sagt, dass sich der Zeitplan für den Bau der ersten Brücke noch einhalten ließe, wenn man die Stahlteile vor Ort nachbessert. Der Landesbetrieb Straßen NRW hält die Mängel hingegen für irreparabel und fordert die Rücknahme der Teile. Beide Seiten – Porr und der Landesbetrieb – stützen sich bei ihren Meinungen auf eigene Gutachten.

Das könnte Sie auch interessieren:

Wie geht es jetzt weiter?

Der Baukonzern hat eine neutrale Prüfung durch eine staatliche Prüfstelle beantragt. Eine solche Prüfung kann nach Angaben von Porr bis zu zwei Monate in Anspruch nehmen. Bis dahin herrscht auf der Baustelle Stillstand. Aus Sicht von Porr kann Straßen NRW den Vertrag nicht kündigen, bevor das Ergebnis der unabhängigen Prüfung nicht vorliegt.

Im schlimmsten Fall droht nach Angaben des Baukonzerns eine Verzögerung des gesamten Projekts um viereinhalb Jahre. Warum?

Der Generalunternehmer hat den Zuschlag 2017 erhalten. Ein Jahr ging gleich zu Beginn verloren, weil das Baufeld durch den Landesbetrieb Straßen NRW nach Angaben von Porr nicht auf Bomben und andere Kampfmittel untersucht worden war. Laut Porr hat der Landesbetrieb es auch versäumt, die alte Brücke auf Schadstoffe zu untersuchen. Das sei erst letztes Jahr erfolgt. Man habe auf Veranlassung von Straßen NRW ein Gutachten stellen lassen.

Was hat das Gutachten ergeben?

Die Brücke ist mit PCB und Asbest belastet. Deshalb wird der Abbruch laut Straßen NRW drei Jahre dauern. Porr hat ein beschleunigtes Konzept vorgeschlagen, das mit der Hälfte der Zeit auskommt. Wegen des Stahlstreits wird darüber derzeit nicht gesprochen.

Was bedeutet das für das Gesamtprojekt?

Es hakt an vielen Stellen. Jede Verzögerung beim Neubau des ersten Brückenteils hat einen Domino-Effekt. Die alte Brücke kann erst abgebrochen werden, wenn der erste Neubauteil steht. Wann das der Fall sein wird, ist derzeit völlig offen. Dann wird der Abbruch erfolgen, der bis zu 36 Monate dauern kann. Erst danach kann mit dem Neubau des zweiten Brückenteils begonnen werden.

Die Neubau soll 363 Millionen Euro kosten. Lässt sich das noch halten?

Nein. Auf dem ersten Höhepunkt der Auseinandersetzung um den Stahl hat die Porr AG im Dezember 2019 eine Nachforderung in Höhe von 250 Millionen Euro gestellt. Das allein seien die Mehrkosten, falls sich die gesamte Bauzeit wegen den Abbruchs der schadstoffbelasteten Brücke um 36 Monate verlängern wird. Diesen Nachtrag hat Porr Anfang April zurückgezogen. Man wolle nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen. Wie teuer die Brücke am Ende wird, ist derzeit unkalkulierbar.

Ist eine Einigung überhaupt noch denkbar?

Am Wochenende haben sich die Gutachter beider Seiten zu einem Gespräch getroffen, bei dem es offenbar keine Fortschritte gegeben hat.

Was sagt das NRW-Verkehrsministerium?

Bisher gibt es keine Stellungnahme. Auch der Straßen NRW hat bisher nur bestätigt, dass es bei den Stahlbauteilen gravierende Mängel gibt.