18. Leverkusener KunstnachtStar Wars und 70er-Jahre-Collagen ziehen Besucher an
Leverkusen – Mit Einbruch der Dämmerung beginnt es, dieses Kribbeln, dieser Rausch. Denn Leverkusen verwandelt sich für eine Nacht in eine gigantische Kunstgalerie. Wer sich von den bildenden Künsten zur darstellenden Kunst bis hin zur Literatur treiben und davon mitreißen lässt, ist angekommen in der 18. Leverkusener Kunstnacht. 60 Ausstellungsorte, so viele wie noch nie zuvor, haben am Freitagabend ihre Türen geöffnet. Alle zu erleben, ist unmöglich, und kann auch gar nicht das Ziel sein.
„Ein Fest, ein Gefühl“ sei es für Renata Macasek und ihre Kolleginnen, Interessierte in ihre Welt, das charmante Atelier „etage 3“, zu lassen und gemeinsam feine Collagen zu fertigen.
Oppositär dazu bricht ein Feuerball brachial aus dem Schlund einer metergroßen Skulptur in der industriell-rauen Szenerie des Freudenthaler Sensenhammers. „Das Ambiente hier ist doch der perfekte Lebensraum für Drachen“, bemerkt Künstlerkollege Wolfgang Ahlers.
Kunstnacht: Startschuss am Schloss
Ob gigantisches Stahlkunstwerk oder eine pastellige „Art to go“ Mini-Leinwand: „Kunst ist alles“, erklärt Oberbürgermeister Uwe Richrath, der mit einer Rede im Morsbroicher Spiegelsaal den Startschuss für die vielen inspirierenden Reisen gesetzt hat. Von hier aus schwärmen die Leverkusenerinnen und Leverkusener durch eine Klang-Installation im Schlosspark zu den verschiedenen Shuttlebussen und dann durch die Nacht.
„Kunst und Kultur sind mehr als Farbe auf Leinwand und ein netter Moment. Sie finden da statt, wo freiheitliche Gesellschaften sind“, betont Richrath. So sei es auch in finanziell schwierigen Zeiten von großer Bedeutung, Kunst leben zu lassen, denn auch wenn alle ein anderes Verständnis von ihr haben: Sie verbinde. „Kunst hat viel bewegt und wird viel bewegen“, schließt er ab, bevor er sich selbst mit seiner Frau in das Lebensgefühl Kunstnacht stürzt.
Star Wars in der Waldsiedlung
Die Waldsiedlung dockt am Todesstern an und auf den Straßen bricht der Krieg der Sterne aus, als bei der „Troopermania“-Ausstellung von Mario van Veen etwa 20 Star-Wars-Charakter begleitet von Dudelsackmusik der Irlandfreunde Leverkusen und der Wupper District Pipe Band zur Parade aufmarschieren.
Bei der Kunstnacht ist für jeden was dabei – und von jedem. Ob Einsteiger oder Berufskünstler, ob Jugendlicher oder Rentner. So stellt etwa Christine Haaf zum ersten Mal ihre „Fluid-Art“ im Konzeptraum Scivola aus, diese Werke entstehen ganz ohne Pinsel. „Ich bin ,undercover' hier, ich stehe gar nicht im Programm“, sagt die Schlebuscherin. Sie sei eine der zahlreichen Pandemie-Künstlerinnen, die sich während des Lockdowns einfach mal ausprobiert haben. „Ich bin Experimentiererin, keine Künstlerin“, beschreibt sie sich.
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Im großen Saal der Evangelischen Jugend Schlebusch sind mit „Traumwelten“ dieses Jahr neu auch Werke von Schülerinnen und Schülern des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums ausgestellt. Jugendleiter Florian Korb sieht eine große Chance: „Wenn Kunst zu den Jugendlichen bei uns im offenen Treff kommt, kommen vielleicht Jugendliche von uns zur Kunst.“
Peter Lorenz kam aus Berlin angereist
Einer der Höhepunkte dieses Nachtfluges ist für viele offenbar die Ausstellung von Peter Lorenz in der Petruskirche am Stresemannplatz: „Ich habe meine Tafelbilder kurzerhand in Berlin alle eingeladen und hier in der Petruskirche wieder ausgeladen.“ Seine unverkennbar Streetart-inspirierten Werke finden in der kahlen, aber architektonisch anspruchsvollen Umgebung einen Platz zum atmen und wirken.
Ein ebenfalls neuer Kunst-Ort, der es geschafft hat, mit seiner besonderen Atmosphäre in Erinnerung zu bleiben, ist das „Kaminwerk 260°“. Mit Kim und Fred Weidemann taucht man hier ein in Franz Josef Schmitz' skurrile, atmosphärische und subversive Collagen. Für die er seit den 70er-Jahren Ausschnitte aus Zeitungen und Magazinen sammelte – vielleicht steckt also auch ein Teil des „Leverkusener Anzeiger“ in einem seiner Werke. Sohn Fred Weidemann stellt fest: „Das Kaminwerk profitiert von den Bildern und die Bilder vom Kaminwerk.“
Alle Wege führen ins Topos, denn wie ein Instinkt zieht es gegen Mitternacht zum Ausklingen des Abends viele Künstler an die Tische von Ingrid Orth. Wer es bis jetzt noch nicht verstanden hat, stellt hier bei einem kalten Getränk, guter Musik und – passend dazu – im Angesicht der Werke von Rainer Tobies fest: Es geht nicht darum, ob man in dieser Nacht eine oder tausend Kreationen erlebt hat. Es geht um die Begegnungen, die bleiben.