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42. Leverkusener JazztageMax Herre macht Jazz aus reinem Spaß an der Freud'

Lesezeit 3 Minuten
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Max Herre und Roberto Di Gioia. 

Leverkusen – Man vergisst im Geschäft der populären Musik manchmal schnell, dass Charts und ein ausgiebiges Radio-Airplay – also das Abspielen von Liedern eines Künstlers oder einer Künstlerin im Radio – nicht alles sind. Manchmal geht es Menschen, die sich Texte und Arrangements ausdenken, auch einfach darum, das zu tun, was ihnen beliebt – ohne sich um die spätere Nachfrage bei der hörenden Kundschaft zu kümmern.

Das ist dann der Moment, in dem die Kunst sehr ernst wird – weil sie nicht dem Geld folgt, sondern dem kreativen Willen. Max Herre, bei den Jazztagen erstmals zu Gast, ist jemand, der in den gut 70 Minuten seines Auftrittes genau das tut: Mit seinem Web-Web-Projekt beweist er, dass es ihm ausschließlich um Kreativität geht. Salopp gesagt und passend zum kurz zuvor gefeierten Elften im Elften: Die Piepen sind ihm erstmal egal. Spaß an der Freud’ ist angesagt.

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Ziemlich viele Plätze blieben unbesetzt.

Es ist der richtige Laune-Auftakt in ein Wochenende, an dem später die per se seriösen und im Genre seit Jahren als etablierte Kräfte geltenden Jazzer Kenny Garret und Nils Wülker folgen.

Er kennt sich aus in den Charts

Normalerweise ist Max Herre als Soul-Sänger mit Wurzeln im Hip-Hop bekannt und erfolgreich. Erfolgreich im Sinne von: Er kennt sich aus in den Charts und weiß, was Plattenfirmen am liebsten wollen – ihren Künstlern und Künstlerinnen so lange reinreden, bis die irgendwann bereit sind, sich den Erfordernissen des Marktes anzupassen und dafür auch mal auf eigene Ideen zu verzichten. Das Auf-Nummer-sicher-Gehen ist nun mal der erste Weg in die Hitparaden.

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Am Saxophon: Tony Lakatos.

Max Herre ficht das nicht an. Er sitzt im Erholungshaus am Piano und präsentiert die Songs des Albums, das er mit diesem Musikerkollektiv um Roberto Di Gioia aufgenommen hat. Und das nichts als puren Jazz enthält. Keinen Rap. Keinen Pop. Nur Jazz. Und er zeigt damit, was für ein erstklassiger Musiker er quer durch die Genres ist.

Hommage an die 60er

Denn der Jazz von Max Herre und Web Web ist spirituell, lediglich in Nuancen soulig. Eine musikalische Verneigung vor den 60er und frühen 70er Jahren, in denen einer wie John Coltrane mit genau dieser Art der Arrangements für Furore sorgte und „A Love Supreme“ einspielte, das zu einem der besten Alben des Jazz überhaupt geriet.

Ergo: Das, was sich im Erholungshaus entfaltet, ist von hoher Güte. Es trägt dem Ursprung dieses Festivals, das längst auch und immer wieder dem musikalischen Crossover huldigt, Rechnung: Es beschert Jazz von großer Kraft und Intensität. Das ist nicht zuletzt daran ersichtlich, dass Max Herre diesen Ausflug in einen anderen Klangkosmos lächelnd und versunken spielend genießt.

Rausch rappt

Zudem bildet er mit seinem Auftritt einen schönen Kontrast zu den drei Musikern von Bobby Rausch, die sich dem Publikum unmittelbar zuvor präsentierten und eher für charmanten Jazz-Krawall zuständig waren. Kein Wunder: Bobby Rausch sind die Zweitband von Saxofonist Lutz Streun.

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Pause im Foyer des Erholungshauses.

Und der bringt eben wie in seiner Haupt-Combo Three Fall – vor Jahren Sieger des Jazztage-Nachwuchswettbewerbes „Future Sounds“ – dieses typische Streun’sche Spiel ein: Er rappt auf seinem Instrument. Es bläst derart hinein, dass es sich anhört, als kratze er wie ein Discjockey mit der Nadel über Schallplatten.

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Bobby Rausch sind wie ein kleiner Rausch der Absonderlichkeiten – was einen Abend wie diesen abrundet.