Abenteuerliche LügenZweiter Prozess gegen Leverkusener Großfamilie gestartet
Leverkusen – Der Clan-Chef steht im Mittelpunkt. Die drei anderen waren nur Helfer. Strohmänner bei Immobilien- und Autodeals. So ist die Ausgangslage im neuen Prozess gegen Michael G., der am Donnerstag vor dem Kölner Landgericht begann. Hinter Harald Helmes steht ein prall gefülltes Regal mit Ordnern. Der Vorsitzende Richter der 17. Großen Strafkammer muss eine Prozessakte mit mehr als 6000 Seiten bändigen.
In dem Aktenordner, den Michael G. mitgebracht hat, sind dagegen nur wenige Blätter zu erkennen. Er hält ihn vors Gesicht. Der inzwischen 42-Jährige will nicht in die Zeitung und ins Fernsehen. Jedenfalls nicht mit seinem Gesicht.
Baseball-Käppi und Sonnenbrille zur Tarnung
Auch sein Vater hat sich zum Prozessauftakt besonders ausstaffiert. Er trägt ein Baseball-Käppi und eine coole Sonnenbrille. „Sieht aus wie Maradona“, findet ein Prozessbeobachter.
Später muss der Vater von Michael G. raus: Das Gericht hat ihn, seine Frau und die Gattin seines Sprösslings als Zeugen benannt. Bis sie aussagen, dürfen sie vom Prozess nichts mitbekommen. Dass sie aussagen, ist aber höchst unwahrscheinlich: Das ginge gegen die Ehre der Leverkusener Großfamilie.
Teppichtrick variiert
Die ist seit einiger Zeit gehörig unter Druck. Vor einem halben Jahr wurde Michael G. zu mehr als vier Jahren Haft verurteilt. Damals ging es um den in der Familie vielfach bewährten Teppich-Trick, mit dessen Hilfe unter anderem ein älteres Ehepaar aus der Nähe von Hamburg ausgenommen wurde.
Diesmal ist eine andere, aber ähnliche Masche Gegenstand des Prozesses: Michael G. habe einem Ehepaar aus Frechen immer tollere Lügengeschichten erzählt und den Leuten nahezu eine Million Euro aus den Rippen geleiert, steht in der Anklage. Natürlich sollte das Geld eines Tages zurückgezahlt werden. Aber bisher sind Geld, zwölf Kilo Gold, Münzsammlung und eine Breitling-Uhr verschwunden.
Im zweiten Prozess ist auch schon die nächste Generation der Großfamilie dran. Ein heute gerade 22-Jähriger soll einer von den Helfern sein, die „Don Mikel“ für seine Deals benötigte. Mit den Millionen, die über den Tisch gingen, durfte Michael G. ja offiziell nichts zu tun haben: Gegenüber der Stadtverwaltung hat er sich immer als bettelarm ausgegeben.
3,10 Euro in der Tasche
Zum Beispiel am 4. Juni 2017. Da hatte er eine Gerichtsvollzieherin im Haus und teilte ihr mit, dass er einen Job habe, der ihm monatlich 550 Euro einbringe. In der Tasche habe er gerade 3,10 Euro. Auch solche Aussagen können wichtig sein, wie sich bei der Verlesung der Anklageschrift zeigt. Sie ist eine von 22 wohl falschen eidesstattlichen Versicherungen, die Michael G. zur Last gelegt werden.
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Im Zentrum aber steht ein Gebäude abenteuerlicher Geschichten, mit denen sich der Clan-Chef im Verlauf einiger Monate mehr und mehr Geld erschlichen haben soll. André und Gertrud L. (Namen geändert) waren ursprünglich mit einem Immobilien-Deal in die Fänge des Don und seiner Helfer geraten. Für knapp 1,4 Millionen Euro verkaufte das Ehepaar ein Haus in der Frechener Hauptstraße an einen mitangeklagten Strohmann. Ein korrekter Handel.
Immer neue Geschichten
Doch danach wurde es schlimm, so steht es in der Anklageschrift. Michael G. trat auf den Plan und gab sich als Spross einer jüdischen Familie namens Goldmann aus. Die sei vor den Nazis in die USA geflohen und verdiene mit dem Import deutscher Autos viel Geld. Seine Schwiegereltern hingegen seien saudi-arabische Gewürzhändler und ebenfalls sehr vermögend. Er selbst unterhalte in Deutschland diverse Unternehmen und beschäftige um die 500 Menschen.
Dieser vermeintlich prachtvolle familiäre Hintergrund war äußerst wichtig. So wähnten die Opfer den Täter auf Augenhöhe. Ein Mann, glaubten sie, dem man Geld leihen kann. Viel Geld. Eine Lügengeschichte kam zur nächsten, ein Betrag zum nächsten. Am Ende hatten die Frechener 944.000 Euro verliehen. In Geld und Gold.
Eine ziemlich wertlose Rolex
Die vermeintlichen Gegenleistungen waren in Wahrheit keine: Eine Rolex war dann doch nicht gar so wertvoll wie gedacht und wurde dem Frechener auch wieder abgenommen. Angeblich, um das Armband anzupassen. Eine Perlenkette für die Dame war nach den Ermittlungen auch nicht so „werthaltig“, wie es den Anschein hatte.
Michael G. erwies sich, so sieht es auch im zweiten Prozess aus, einmal mehr als großer, skrupelloser Blender. Am nächsten Montag geht es vor dem Kölner Landgericht weiter.