„Wir hängen jetzt gleich den Juden auf“: Ein selbst gestalteter Aufkleber mit dieser Bildunterschrift beschäftigt zwei Jahre nach dem Bundesparteitag die Justiz.
Prozess um einen AufkleberLeverkusener Richter findet „Die Partei“ gar nicht witzig
Menschen, die nicht Mitglied der Partei „Die Partei“ sind, dürften Probleme haben, die Art Humor überhaupt zu verstehen, um die es am Dienstag im Amtsgericht ging. Auch Richter Torsten Heymann konnte nicht darüber lachen – im Gegenteil.
16 Personen aus der „Partei“ hatten sich am Karfreitag 2022 zu einer Grillparty im Garten getroffen. Es seien Witze gemacht worden. Ein Gruppenbild entstand, darauf sind die 16 Grillfreunde zu sehen. Wenig später postete ein Parteimitglied in einer internen Telegram-Gruppe das Foto mit der Bildunterschrift: „Grüße aus Jerusalem. Wir hängen jetzt gleich den Juden auf. Prost.“
Laut Staatsanwaltschaft habe der Urheber (im Gerichtssaal hieß es, der sei ein Frankfurter Stadtverordneter) damit satirisch auf die antisemitische Behauptung reagieren wollen, Juden hätten Jesus an Karfreitag in einer Verschwörung umbringen lassen. Im Zusammenhang mit dem Gruppenbild sollte das komisch sein. Richter Heymann: „Ich finde daran überhaupt nichts Komisches.“
Die Karfreitags-Grillparty fand in Dortmund statt, das Bild sollte vermutlich auch nie aus der geschlossenen Telegram-Gruppe nach außen dringen, aber es kam anders: Einen Monat nach dem Posting, im Mai 2022, hielt „Die Partei“ ihren Bundesparteitag in Leverkusen in der Dreifachsporthalle ab. Bei solchen Veranstaltungen sei es üblich, dass die unterschiedlichsten Aufkleber kursieren, berichteten Zeugen.
Aufkleber tauchte auf Bundesparteitag der „Partei“ in Leverkusen auf
Dort tauchten 2022 auch scheckkartengroße Aufkleber mit dem Gruppenbild aus Dortmund und der eigentlich unsäglichen Bildunterschrift auf: Sie lagen auf Tischen aus, in der Toilette, und sie wurden offenbar auch verteilt. Die Karfreitags-Aufkleber wurden nicht nur in der Ostermann-Arena gefunden, sie sollen auch an Laternenmasten in der Stadt geklebt haben. Davon gibt es ein Foto. Unterschrieben waren sie mit dem Namen des Frankfurter Stadtverordneten, der das Bild ursprünglich in der geschlossenen Gruppe gepostet haben soll.
Unklar ist, ob der Witzbold die Aufkleber selbst drucken ließ, weil er seine „Satire“ so gut fand, oder ob ihm jemand durch die Veröffentlichung mit dem Namen darunter schaden wollte. Denn viele Parteimitglieder sollen die „Satire“ als schwere Entgleisung empfunden haben, hieß es im Gericht.
Ob das jetzt Satire ist oder nicht, wurde im Amtsgericht nicht verhandelt. Der oder die Urheber der Aufkleber haben eine andere Straftat begangen: Die 16 Personen auf dem Gruppenbild sind nicht gefragt worden, ob sie mit einer Verbreitung in diesem Zusammenhang einverstanden sind. Das waren einige von ihnen nämlich nicht. Und mindestens zwei Frauen aus der Gruppe erstatteten Anzeige.
Ein Parteimitglied wurde gefilmt, wie er einen der Aufkleber jemand anderem auf den Rücken pappt, was juristisch als Verbreiten gewertet werden muss. Dass er die Aufkleber herstellen ließ oder dass er sie aufgeklebt hat, konnte ihm nicht nachgewiesen werden – keiner der Zeugen hatte ihn dabei gesehen. Das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt, Fall erledigt. Der Mann beschwor auch, dass er unschuldig sei.
Ob der Frankfurter Stadtverordnete wegen des Ursprungs-Postings in der Telegram-Gruppe mit einem juristischen Nachspiel rechnen muss, blieb offen. Auf jeden Fall lieferte die Gerichtsverhandlung einen Einblick in „Die Partei“.