„Mädchen haben Redebedarf“Bayer 04 Leverkusens einzige weibliche Fanbetreuerin
- Daniela Frühling ist die einzige Frau im Fanprojekt von Bayer 04 Leverkusen.
- Wir haben uns mit ihr getroffen: Gehen Mädchen anders mit dem Thema Fußball um? Wie hat sich die Fan-Szene grundsätzlich verändert?
Leverkusen – Die Flamme für Bayer 04 Leverkusen ist mit ihr gewachsen, sagt Daniela Frühling. Schon als Siebenjährige nahm ihr Papa sie mit ins Stadion – und Frühling ist bis heute immer wieder zurückgekehrt. Vor neun Jahren ergriff sie die Chance, ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen. Die studierte Diplom-Sozialpädagogin stieg ins Fanprojekt von Bayer 04 ein.
Für rund 300 Fans zwischen zwölf und 27 Jahren ist das Jugendhaus des Fanprojektes in der Lichstraße Anlaufstelle – um Fußballthemen zu diskutieren, genauso wie Schule und Beziehung. Frühling und ihre beiden Kollegen Stefan Thomé und Riccardo Bitonti arbeiten auch mit der Ultra-Szene und den ganz jungen Bayer-04-Anhängern unter 18 Jahren. Thomé ist Mitbegründer des Projekts und leitet es. Gestützt und finanziell getragen wird die Initiative von der Deutsche Fußball Liga (DFL), dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und dem Verein Bayer 04.
Daniela Frühling hatte zuvor als Sozialarbeiterin im Haus Nazareth in Schlebusch und später in der stationären Jugendhilfe gearbeitet. „Zehn Jahre Arbeit mit verhaltensauffälligen Jugendlichen, das war natürlich eine psychische Belastung. Dazu kam der Schichtdienst. Ich wollte eine Veränderung“, sagt die 39-Jährige. Frühling kam 2011 zum Fanprojekt und übernahm die Mädchenarbeit und etablierte einen regelmäßigen Mädchentreff. „Ich habe gemerkt, dass die Mädchen Redebedarf haben. Nicht nur über Fußball, sondern auch die Schule und private Themen.“
Bunt gemischte Truppe
Das Team um Frühling vermittelt zwischen Verein und Szene, aber vor allem begleiten sie – auch außerhalb des Stadions. „Wir unterstützen die jungen Leute auf dem Weg, den sie einschlagen. Das ist eine ganz bunt gemischte Truppe mit unterschiedlichsten Charakteren“, so Frühling. Was sie alle gemeinsam haben ist – natürlich – die Liebe zum Fußball. Bei jedem Auswärts- und Heimspiel fährt ein Betreuer des Fanprojektes mit, sorgt für Ruhe zwischen Polizei und Fans und feiert gemeinsam mit den Jugendlichen den Fußball. Die Fan-Szene in Leverkusen sei „kreativ, fußball-politisch engagiert und kommuniziert auf Augenhöhe“, so Frühling.
Im Stadion-Eck diskutiert sie ständig mit – als Pädagogin und Ansprechpartnerin für ihre Schützlinge. Und als Fan.
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Sich als Frau für Fußball zu interessieren, das ist für Frühling einfach ganz normal. Die Gedankenkette, dass Frauen von Fußball doch keine Ahnung hätten, sei ihr kaum je begegnet, sagt sie. Doch die Mädchen, die sie betreut, bekämen im Stadion schon mal den ein oder anderen Spruch reingedrückt. Dabei spielen die meisten selbst Fußball – und das hochklassig. „Die sind oft erstmal entsetzt, dass sie sich etwas anhören müssen – einfach, weil sie Mädchen sind. Die sagen dann: »Wir machen doch nichts anderes als die Jungs.« Über solche Erlebnisse sprechen wir und überlegen zusammen, wie sie damit umgehen können.“ Oft hätten die Mädchen mehr Ahnung als sie selbst, sagt Frühling. Denn der Fußball ist ihre Lebenswelt, das, womit sie aufstehen und abends wieder einschlafen, genauso wie bei den Jungs.
Rund 60 Fanprojekte gibt es heute bundesweit. Etabliert wurden sie in den 90er Jahren, als die Gewalt in den Stadien immer mehr zunahm und Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung einen Höhepunkt erreichten.
Ein Problem, das nie an Aktualität verliert. „Die Szene in Leverkusen ist tolerant. Gott sei Dank sind rechte Tendenzen hier kein großes Problem. Trotzdem muss und sollte das immer Thema bleiben“, so Frühling.
Durch die Unabhängigkeit vom Verein und den Status als freie Jugendeinrichtung haben Frühling und das Team die Freiheit, selbst Themen zu setzen.
In den neun Jahren die Frühling zum Projekt gehört, sei die Ultra-Szene größer geworden, erzählt sie. Aber auch eigen-ständiger und jünger. „Der Fußball gibt Raum, auch mal alles an Emotionen rauszulassen. Wir feiern und trauern gemeinsam und diese Atmosphäre in der Gemeinschaft zieht auch ganze junge Menschen schon an.“ Es gibt nicht den einen Fußballfan sagt Frühling. Es gäbe nur die Fans. Mit all ihren verschiedenen Persönlichkeiten.