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Interview Meinolf Sprink„Das Double hat Stadt und Verein auf ein neues Niveau gehoben“

Lesezeit 6 Minuten
Der Gewinn der Meisterschaft war für viele Fans eine Erlösung.Ralf Krieger

Der Gewinn der Meisterschaft war für viele Fans eine Erlösung.

20 Jahre war Meinolf Sprink für Bayer 04 Leverkusen aktiv, zuletzt als Direktor für Fans und Soziales. Im Interview blickt er auf das Meisterjahr und die Vorgeschichte zurück.

Herr Sprink, wie war es, sich nach knapp 20 Jahren im Dienste von Bayer 04 Leverkusen mit der Meisterschaft in den Ruhestand zu verabschieden? Sprink: Dass die Meisterschaft in mein Abschiedsjahr gefallen ist, ist natürlich Zufall. Ich muss sagen: Am meisten freut es mich für die Kollegen. Ich bin in verschiedenen Funktionen dabei gewesen und wir haben alle auch so viele traurige Momente miterleben müssen. Da war es dann natürlich eine große Erleichterung nicht nur für den Verein, sondern auch für die Stadt, dass es endlich geklappt hat mit der Meisterschaft. Jeder Mitarbeiter hat vom Verein eine kleine Replika-Schale bekommen, die liegt bei mir im Esszimmer auf einem durchsichtigen Tisch. Und wenn man da vorbeigeht und einen Blick drauf wirft, ist es schon schön zu sagen: Ach, da ist sie ja. Und was mich besonders freut: Dass das elendige „Vizekusen“ endlich Geschichte ist. Das haben wir damals aus der Not raus schützen lassen, damit die Kölner Nachbarn damit kein Merchandising auf unsere Kosten machen. Dass das weg ist, für ewige Zeiten, das finde ich einfach großartig.

Wie hat sich die Stadt ihrer Wahrnehmung nach verändert?

Wenn man sich angeguckt hat, was nach dem Gewinn der Meisterschaft auf dem Rasen los war und beim Empfang nach dem Pokalsieg, dann sieht man, was das für die Stadt bedeutet hat und für die Fans, die viele Jahre mitgefiebert und mitgelitten haben. Die Meisterschaft war ein Traum von vielen, das hat das Selbstverständnis auf ein neues Niveau gehoben. Und der große Unterschied ist, dass Bayer 04 jetzt viele Menschen wirklich nachhaltig hinter sich versammelt hat. Über 67.000 Klubmitglieder, das Stadion ist ständig ausverkauft, es werden schon Rufe laut, dass es zu klein ist. Das zeigt, in welcher Intensität man sich mit Bayer 04 beschäftigt, das war in früheren Jahren nicht so, auch bei Erfolgen nicht. Die Stimmung kommt nicht mehr nur aus der Nordkurve, das ganze Stadion bebt. Tausende kommen zum Busempfang. Selbst auf der VIP-Tribüne stehen sie auf, wenn alle singen: Steht auf, wenn ihr für Bayer seid. Die waren früher für ihre Stehmüdigkeit bekannt. Auch von Externen wird man immer wieder angesprochen, die sagen: „Was ist denn bei Euch im Stadion passiert, das ist ja unfassbar, was hier abgeht.“ Da ist mittlerweile Substanz dahinter.

Und was hat das Double mit dem Verein gemacht?

Die letzten sechs Monate der Saison waren ja für uns alle ein Rausch, auch ein Rausch mit vielen Nebeneffekten. Sehr viel Arbeit, die Organisation hat bei aller Freude auch sehr gelitten, was auch dazu geführt hat, dass viele Menschen schließlich sehr erschöpft waren. Bayer 04 Leverkusen ist jetzt auf einer anderen Wahrnehmungsebene. Wir waren immer ein guter Verein, aber jetzt sind wir bei den ganz Großen angekommen. Das macht auch was mit einem, mit der Erwartungshaltung. Erfolg ist vergänglich, man muss immer wieder von vorne anfangen, alles begleiten, um keine Fehler zu begehen. Das ist nicht immer einfach, deswegen von mir aus der Beobachterrolle ein großes Kompliment, dass wir als Bayer 04 dieses Jahr auch wieder sehr gut unterwegs sind.

Meinolf Sprink, Devotionalien Bayer 04 Fußballmeister 2000  Foto: Ralf Krieger

Meinolf Sprink hat einige Devotionalien gesammelt, auch aus dem Jahr 2000, als die sicher geglaubte Meisterschaft in letzter Sekunde verloren ging. (Archivbild)

Wie sind sie denn aus Neuss zu Bayer 04 Leverkusen gekommen?

Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich nicht mit Bayer 04 sozialisiert wurde. Ich bin Baujahr 58, wie hätte ich damals als Kind in Neuss wohnend Bayer-Leverkusen-Fan werden sollen? Ich habe mit sechs Jahren eine Grundsatzentscheidung gefällt, habe mir in unserem ersten Fernseher Bayern München und Borussia Mönchengladbach angeguckt, in der Regionalliga, was heute die zweite Bundesliga wäre. Ich hatte die Wahl zwischen kleines dickes Müller und Günter Netzer. Und ich habe mich für Müller entschieden und war von da an Bayern-Fan. Ich betone: Das war 64/65, da hat Bayern München noch keinen einzigen Titel gewonnen. Aber durch meinen beruflichen Werdegang von 1988 in der Öffentlichkeitsarbeit bei der Bayer AG und ab 2000 im Umfeld Bayer 04 Leverkusen in verschiedenen Positionen ist mir der Verein natürlich ans Herz gewachsen. Aber man sollte seine Wurzeln aus jungen Jahren nicht verleugnen, das ist kein guter Stil.

Was war die spannendste Zeit bei Bayer 04?

Als ich 2000 nach meiner Rückkehr aus den USA mit Bayer 04 in Berührung kam, fand ich mich irgendwie in einem anderen Kino wieder. Da war erst die schwierige Situation mit der Trennung von Christoph Daum, bei der ich mittendrin war und weiß, wie das gelaufen ist, aber lassen wir das … Und dann 2000 und 2002 zu erleben, dass man wirklich Meister werden kann, diese Sehnsucht nach großen Titeln und dann zu erleben, wie das mehrfach schiefging, das tat weh. Und dann jetzt in den letzten vier, fünf Jahre zu sehen, wie sich Dinge entwickelt haben, auch aus einer gefühlten Form von Gier, mit guten Personalentscheidungen, das war spannend zu beobachten.

Gab es auch Dinge, die Ihnen nicht gefallen haben?

Der Glamour-Effekt der Branche ruft ja bei vielen Menschen ab und zu Kopfschütteln hervor, mir persönlich geht diese ganze Verherrlichung von Spielern über Social Media auf den Nerv. Weil ich einfach sage: Freunde, wen interessiert es, dass Du ein neues Auto hast. Das ist für mich schwer auszuhalten. Aber ich muss auch sagen: Über die ganzen Jahre gab es auch sehr viele tolle, bodenständige, vernünftige Menschen, die ich erleben durfte.

Zum Beispiel?

Aus der aktuellen Mannschaft zum Beispiel Lukas Hradecky, der wirklich ein derart angenehmer, liebenswerter, offener und interessierter Zeitgenosse ist. Jonathan Tah ist auch ein sehr feiner Charakter. Und aus der Vergangenheit natürlich Stefan Kießling, ihn zu erleben, war für mich ein besonderes Erlebnis. Ein ganz empathischer Zeitgenosse. Ich habe mich nie in die innere Blase der Spieler begeben, das ist nicht meine Welt.

Aber in die innere Blase der Fans und auch der Ultras mussten Sie sich in ihrer letzten Position als Beauftragter für Fans und Soziales begeben. Wie war das?

Ich fand es bemerkenswert, dass die Ultras bei meinem letzten Spiel Banner hochgehalten haben – ich sage nicht, zu meinen Ehren, aber zu mir hochgehalten haben. Die haben gezeigt: Wir haben miteinander gerungen, wir sind in einigen Dingen unterschiedlicher Meinung. Ich sage zum Beispiel ganz klar: Ich mag keine Pyrotechnik. Da muss mir keiner kommen mit: Das ist ein Stilelement. Aber wir haben Wege gefunden, wir konnten offen miteinander sprechen und haben daher ein belastbares Zusammenspiel erreicht. Und die NK12, das muss man ganz klar sagen, ist mittlerweile in Leverkusen auch eine sehr karitativ agierende Gemeinschaft, die der Gesellschaft auch hilft. Sammelaktionen für die Tafel, Hilfe für Kältegang, Aufräumaktionen nach der Flut. Das ist eine tolle Sache.

Wie geht es jetzt für sie persönlich weiter?

Ich habe verschiedenste Ehrenämter, bin unter anderem Vorsitzender des Stadtsportverbandes in Neuss mit rund 35.000 Mitgliedern, Vorsitzender im Tennisclub. Ich würde künftig auch gerne so etwas wie Lesepartnerschaften für Kinder machen. Außerdem habe eine große Familie, seit kurzem auch einen Enkelsohn, meine Tochter wohnt nicht weit entfernt. Langeweile ist anders. Aktuell habe ich nicht vor, noch einmal erwerbstätig zu werden. Aber als Zuschauer komme ich gerne immer wieder nach Leverkusen ins Stadion.