Ökostrom, Müllpressen, Mehrwegbecher: Der Club bemüht sich, aber Auswärtsspiele und ein volles Stadion verhageln ihm die Klimabilanz.
Erster NachhaltigkeitsberichtWie Bayer 04 Leverkusen umweltfreundlicher werden will
Rasenheizung und -beleuchtung, Flutlicht, Stadionwurst – vor allem aber: rund 30.000 Fans bei jedem Heimspiel, von denen immer noch allzu viele mit dem Auto anreisen. „Der Betrieb eines Bundesligisten, der zudem international spielt, beansprucht sehr viele Ressourcen. So ehrlich muss man sein.“ Sagt Matthias Adler. Seit September 2022 besetzt er die Stabsstelle Nachhaltigkeit bei Bayer 04 Leverkusen. Gerade hat der Verein seinen ersten Nachhaltigkeitsbericht vorgelegt. Und ist auch damit sehr weit vorne in der Fußball-Bundesliga.
Inzwischen hat Adler eine Kollegin und einen Kollegen. Sie sollen ein ganzheitliches Nachhaltigkeitsmanagement im Verein etablieren, anderen Abteilungen Impulse geben und – das ist ab jetzt wichtig – an die Deutsche Fußball-Liga berichten. Denn ohne Arbeit an mehr Umweltschutz gibt es demnächst keine Lizenz mehr für die Bundesliga. Die Stabsstelle leitet auch eine Expertenrunde im Verein. Die trifft sich alle sechs bis acht Wochen, um übergeordnete Schwerpunktthemen und Ziele festzulegen.
14.000 Tonnen Treibhausgase im Jahr verursacht der Bundesligist
Aber dazu muss man eine Datenbasis haben. Zu der gehört, dass das mittelständische Unternehmen Bayer 04 Leverkusen erst einmal seinen ökologischen Fußabdruck misst. Der ist nicht gerade klein. Für das Jahr 2022 summiert sich das auf knapp 14.000 Tonnen CO₂-Äquivalent. Wobei der Verein der Versuchung widerstanden hat, den Kreis allzu eng zu ziehen. Gemessen wurde nicht nur in der Bay-Arena, sondern auch im Leistungszentrum am Kurtekotten und der Geschäftsstelle.
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Dabei seien die Emissionen entweder in ihrem messbaren Verbrauch (zum Beispiel Brennstoffe) oder durch ein aufwendiges Verfahren berechnet worden, heißt es im Nachhaltigkeitsbericht: „etwa bei der Frage, welche Emissionen bei Herstellung und Transport von Kleidung oder auch der Anreise der Bayer-04- Fans zu den Spielen freigesetzt werden“.
198 Tonnen entfallen auf Rasendünger
Von den knapp 14.000 Tonnen CO₂ verbraucht der Verein lediglich 800 direkt. Für Treibstoffe fallen gut 525 Tonnen an, für Flüssiggas keine zehn, für Heizöl 67. Bleibt der Rasendünger, der mit fast 198 Tonnen in der Treibhausgas-Bilanz auftaucht. Dazu kommen pro Jahr 1625 Tonnen Treibhausgas, die aus der Fernwärme resultieren.
Allein die Hälfte des Treibhausgas-Effekts entfällt auf Mobilität. 7100 Tonnen Klima-Belastung resultieren aus den Reisen. Gezählt habe man alle Kilometer des Teams und der Betreuer, auch jenseits des Lizenzbereichs, betont man bei Bayer 04. Allein das ergibt eine CO₂-Belastung von gut 2600 Tonnen im Jahr. Sie erklärt sich nicht allein aus Reisen zu den Auswärtsspielen der Bundesliga. Schon 2022 haben neben den europäischen Pflichtspielen auch die Reisen nach Mexiko und in die USA die Klimabilanz von Bayer 04 belastet, vermerkt der Bericht.
Interessant: Die Anreisen der Heimfans haben einen deutlich kleineren negativen Umwelteffekt als die Reisen der Mannschaft. Gut 2000 Tonnen Treibhausgas wurden so verursacht. Die Auswärtsfans tragen knapp 2500 Tonnen zur Klimabilanz des Vereins bei.
Weil man bei den Besuchern noch am ehesten etwas ausrichten kann, hat Bayer 04 gemeinsam mit der RWTH Aachen eine Mobilitätsanalyse gemacht. Die bringt aufschlussreiche Ergebnisse. Bei den beiden Sonntagsspielen gegen den 1. FC Köln am 8. Oktober vorigen Jahres und Union Berlin am 12. November 2023 wurden die Art der Anreise erhoben und Fans befragt. In Viertelstunden-Intervallen wurde an den Parkplätzen an der Arena, den Fahrradständern dort, an der Bushaltestelle sowie an den beiden Bahnhöfen Leverkusen-Mitte und Manfort gezählt und gefragt. Bei beiden Spielen wurde in etwa jeder dritte Besucher registriert.
Dabei zeigte sich, dass das Auto das dominante Verkehrsmittel ist, obwohl man mit der Eintrittskarte Bus und Bahn benutzen kann. Gut die Hälfte der Besucher kam trotzdem mit dem Pkw. Es folgten Bus und Bahn sowie das Fahrrad mit je rund 20 Prozent Anteil. Beim Spiel gegen Köln wurden anteilig am meisten Radfahrer erfasst: acht Prozent. Bus und Bahn sind etwas für Leute, die allein oder in Gruppen anreisen, die größer als fünf Personen sind. Ganz wichtig sei, wie schnell man ins Stadion und nachher wieder wegkommt. Auch das zeigt die Erhebung.
Die Fahrradständer könnten sicherer gemacht werden
Könnte Bayer 04 seinen Fans Bus, Bahn und Fahrrad noch schmackhafter machen? Den Forschern von der RWTH fällt da nicht mehr viel ein, weil man das Stadion leicht und schnell vor allem vom Bahnhof Mitte erreichen kann. Bessere Fahrradboxen wären aber denkbar: für teure Pedelecs.
Während des Spiels gibt es auch etwas zu tun, und Bayer 04 hat auch längst etwas veranlasst. „Das Thema Abfall etwa ist im Stadionbetrieb unübersehbar“, weiß der Nachhaltigkeitsbeauftragte Adler. Schon vor fünf Jahren wurde in der Arena ein Mehrwegbecher-System eingeführt. Damit habe man die gemischten Abfälle nach Spieltagen halbiert. Inzwischen werde fast so viel Abfall kompostiert wie in die Verbrennung gegeben: Gut 146 zu gut 149 Tonnen war das Verhältnis im vorigen Jahr. Insgesamt fielen bei Bayer 04 rund 355 Tonnen Abfall an.
Was den Strom angeht, habe man viel ausgereizt, sagt Felix Duden, Chef des Stadionbetreibers Tec-Arena-Plus, die eine hundertprozentige Tochter von Bayer 04 ist. Er zieht Grenzen: „Für eine Installation von Photovoltaik auf der Bay-Arena ist die Dachkonstruktion leider nicht geeignet.“
Die Pflege des Rasens kostet viel Energie: Er muss geheizt und beleuchtet werden. Letzteres geht nach Meinung Dudens noch nicht mit den im Prinzip viel sparsameren Leuchtdioden. Da sei die Technik „noch nicht weit genug entwickelt und benötigt mindestens die gleiche Energiemenge“. Immerhin: Der Wasserverbrauch sei deutlich gesenkt worden – außerdem benutze Bayer 04 eigene Brunnen.
Bei der Konzeption des ersten Nachhaltigkeitsberichts hat sich Bayer 04 an Standards orientiert, die im Januar für kleine und mittlere Unternehmen als Entwurf veröffentlicht wurden. Er soll die Nachhaltigkeitsberichterstattung für kleinste, kleine und mittlere Unternehmen in der Europäischen Union erleichtern. „Wir haben diesen Standard bewusst gewählt, weil er eine praktikable Möglichkeit bietet, die Nachhaltigkeitsaktivitäten von Bayer 04 Leverkusen zu messen, über sie zu berichten und schrittweise zu verbessern“, sagt Matthias Adler.
Indes ist der Bericht kein komplettes Neuland für den Bundesligisten: Im Oktober 2020 gehörte Bayer 04 zu den sechs damaligen Bundesligisten, die sich einer ersten Nachhaltigkeitszertifizierung stellten. Neben dem Werksclub nahmen der VfL Wolfsburg, der FC St. Pauli, der SC Paderborn, Werder Bremen und der VfB Stuttgart teil. „Sustain-Club“ war der erste und einzige anerkannte Nachhaltigkeits-Standard im Profifußball. Das ist nun anders geworden.