Halbzeit bei zweijähriger SanierungBayer lässt das Kasino in Würde ergrauen
Leverkusen – Einen Marmorbruch musste man nicht wieder aufmachen. So wie vor vielen Jahren, als Bayer seine altehrwürdige Konzern-Zentrale – Q 26 in der Werks-Systematik – denkmalgerecht sanierte. Aber für die 160 000 Schindeln aus Bergischem Schiefer, die in diesen Wochen auf dem Dach des Kasinos verlegt werden, war eine Vorbestellung schon angebracht. Sonst würden die Farbunterschiede zu groß. Und ein scheckiges Dach – das will Peter Skornia nicht. Für den Prokuristen bei Bayers Immobilientochter Real Estate ist die Sanierung des Kasinos eine der wirklich schönen Baustellen. Es gab und gibt immer wieder ein paar Überraschungen – aber dank einer sorgfältigen Planung halte sich das alles im Rahmen, sagt er beim Gang durchs Haus.
Durch den Gartensaal schallt der Baulärm, was in Corona-Zeiten weniger stört als sonst: Etwa jeder fünfte der Beschäftigten im Chempark, die sonst mittags ins Kasino gehen würden, ist am Schreibtisch zu Hause. „Beschwerden über Baulärm haben wir jetzt kaum“, sagt Skornia und lächelt. So etwas weiß ein Bauherr zu schätzen.
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Der prächtige Raum hat sich aber augenscheinlich gar nicht verändert. Und das ist Absicht. Das Kasino wird zwar mit weitgehend neuer Technik ausgestattet, bekommt zum Beispiel erstmals eine zentrale Lüftungseinheit im Keller, die das Sammelsurium einzelner Anlagen, die überall in dem weitläufigen Gebäude verteilt waren, ablöst. Das erfordert Eingriffe überall im Haus. Sehen soll man davon möglichst nichts. Auf gar keinen Fall soll der Prachtbau von 1913 an Charme einbüßen. Das heißt: Holzvertäfelungen kommen wieder an ihren Platz, die neu verglasten Fenster sehen aus wie die alten.
Die einzige augenscheinliche Veränderung ist neun Monate nach Beginn des Umbaus am Westflügel des Hauses zu sehen: Das Kasino ist nicht mehr altrosa sondern grau. „Das wirkt heller“, sagt Skornia. Und entspricht der ursprünglichen Farbgebung des Hauses. Das belegten Quellen aus dem Werksarchiv, heißt es. Mit dem Denkmalschutzamt der Stadt habe Bayer Real Estate sich abgestimmt, in dieser wie in anderen Fragen. Dabei steht das Haus – ein wenig überraschend – gar nicht unter Schutz. Warum?
Gartensaal in heutiger Form von 1978
Die Antwort liegt auf der Rückseite des Gebäudes, also hin zum Japanischen Garten und dem Grabmal von Carl Duisberg, dem großen Macher, unter dessen Regie beides entstand: „Der Gartensaal ist nach dem Krieg neu aufgebaut worden“, so Skornia. In seiner heutigen Form stammt er aus dem Jahr 1978, das klingt nicht sehr nach Denkmal.
Porr wollte bauen
Zu den Bewerbern um die Sanierung des Kasinos gehörte auch der Baukonzern Porr, sagt BRE-Prokurist Peter Skornia. Für das österreichische Unternehmen hätte eine zweite Baustelle in Leverkusen damals durchaus Sinn ergeben: Die Arbeiten an der neuen Rheinbrücke liefen, als Bayer die Kasino-Sanierung unter sechs Baufirmen ausschrieb.
Im Nachhinein weiß man, dass ein Bayer-Zuschlag für Porr keine Synergien gegeben hätte: Straßen NRW hat den Vertrag mit dem Konzern über den Bau der neuen A-1-Brücke gekündigt. (tk)
Für die Organisatoren des Umbaus, der ungefähr zwei Jahre dauern soll, liegt die Schokoladenseite des Kasinos ohnehin an der Kaiser-Wilhelm-Allee, an der außer dem „Mausoleum“, so der Werksjargon Q 26, weitere Gebäude unter Schutz stehen. Es geht um das Gesamtbild, das ohne Kasino nicht denkbar wäre. Äußerlich unverändert bleibt auch das Hotel. Allerdings wird eines der 48 Zimmer barrierefrei und bekommt Zufahrtsrampen. Und drinnen werde zeitgemäße Digitaltechnik Einzug halten, kündigt Michael Kindermann von der Bayer-Gastronomie an. Auch für die Arbeiten am Hotel hatte die coronabedingte, zweimalige Zwangsschließung immerhin den Vorteil, dass man weniger Rücksicht auf Gäste nehmen musste. Das wird sich aber schon im kommenden Frühjahr ändern: Dann soll der Westflügel auch des Hotels wieder in Betrieb gehen, ebenso wie der „Löwe“, das für alle offene Restaurant im Untergeschoss.
Bis zur endgültigen Fertigstellung wird dann noch ein Jahr vergehen. Der ursprüngliche Zeitplan habe gar eine Bauzeit von drei Jahren vorgesehen. Zu lange, lautete das Urteil. Um vor ganz großen unliebsamen Überraschungen in dieser „wunderschönen Mischkonstruktion“ aus Ziegel, Lehm und Beton geschützt zu sein, hat Bayers Bauabteilung viel Untersuchungsaufwand getrieben – und dazu vor allem die ausführende Firma ins Boot geholt. Das sei ein sehr wirksamer Schutz vor den sonst so häufigen Nachforderungen, beschreibt Peter Skornia die Vorteile. Dass es in alter Bausubstanz „immer Überraschungen gibt“, sei so zwar nicht gänzlich ausgeschlossen. Die Gefahr, dass die Kosten aus dem Ruder laufen, lasse sich so aber deutlich verringern. Bei der Auswahl des passenden Unternehmens habe man sich aufgrund vielfältiger Erfahrungen unter sechs Generalunternehmern umgesehen. Ein Angebot kam übrigens aus Österreich (siehe: „Porr wollte bauen“).
Am Ende fiel die Wahl auf das in Osnabrück beheimatete Unternehmen Mainka, das den Löwenanteil seiner Aufträge mit der Chemischen Industrie abwickelt. Am Bayer-Kasino sind rund 100 Leute beschäftigt.